Wirtschaft + Weiterbildung 6/2020

personal- und organisationsentwicklung 30 wirtschaft + weiterbildung 06_2020 Dabei war es für interessierte Beobachter teils spannend, teils frustrierend zu be- obachten, wie manch vermutlich zielfüh- rende Maßnahme aufgrund der Rahmen- bedingungen, wie zum Beispiel, dass die benötigte Schutzkleidung fehlte, nicht re- alisiert werden konnte. Also wurde nach alternativen Wegen gesucht, um solche angestrebten Zwischenziele wie „Unser Gesundheitssystem soll nicht überlastet werden“ zu erreichen. Daran hat sich bis heute wenig geändert, da wir • kaum Erfahrung mit Pandemien haben • noch immer zu wenig über das „neuar- tige Corona-Virus“ wissen • und uns zu dessen nachhaltiger Be- kämpfung der benötigte Impfstoff fehlt. Also muss sich die Politik bei ihren Ent- scheidungen immer noch auf viele An- nahmen und den Rat von Experten wie Virologen stützen. Dabei zeigte die Co- rona-Diskussion: Auch die Experten sind, wenn sie vor einem neuen, komplexen Problem stehen, mit dessen Ursache und Bekämpfung es noch wenig Erfahrung gibt, sehr unterschiedlicher Meinung. So waren anfangs einige Experten der Auf- fassung, das Corona-Virus sei nicht ge- fährlicher als eine normale Grippe und spätestens, wenn es im Sommer warm werde, sei der Spuk vorüber. Entspre- chend „konservativ“ oder „lasch“ waren die von ihnen geforderten Gegenmaßnah- men. Andere Experten waren überzeugt: Das Corona-Virus ist lebensgefährlich. Es wird sich zudem exponentiell verbreiten, und wenn wir keine radikalen Gegen- maßnahmen ergreifen, wird es allein in Europa Millionen Tote geben. Und zwi- schen diesen Vertretern des sogenannten „Best Case“ und „Worst Case“ saßen die eigentlichen Entscheider, die Politiker, die letztlich entscheiden mussten, wie ge- fährlich schätzen wir das Virus ein, wel- chen Zielen räumen wir welche Priorität ein, wie können wir diese aufgrund der bestehenden Rahmenbedingungen wie der Verfassung unseres Gesundheitssys- tems und unserer Wirtschaft am ehesten und mit den geringsten Kollateralschäden erreichen und welche Maßnahmen ergrei- fen wir folglich. Und all dies musste sozu- sagen im Zeitraffer geschehen, während Wenn Unternehmen Strategien entwi- ckeln, fließen in ihre Überlegungen stets Annahmen ein – zum Beispiel darüber, wie sich Markt oder Technik entwickeln werden, denn Strategien nehmen die Zukunft, die noch nicht Gegenwart ist, gedanklich vorweg. Eine in der Politik, Wirtschaft und Wissenschaft gängige Me- thode, um grundlegende Prognosen zu erstellen, ist die Szenariotechnik. Ihr Ziel ist es, mögliche künftige Entwicklungen gedanklich vorwegzunehmen, zu analy- sieren und unter Berücksichtigung der Wechselwirkungen zwischen den Ein- flussfaktoren möglichst zusammenhän- gend so zu beschreiben und darzustellen, dass hieraus zunächst Ziele, dann Hand- lungsstrategien und hieraus wiederum Maßnahmen abgeleitet werden können. Entscheidungsfindung „live“ Wie die strategische Entscheidungs- findung und das Planen mit Szenarien funktionieren, konnten seit Anfang März alle Bürger in den abendlichen Corona- Talkrunden im Fernsehen live miterleben. Zu Beginn der Krise spekulierten die an- wesenden Politiker und Wissenschaftler noch darüber, ob das Corona-Virus über- haupt eine Pandemie auslöst. Und als feststand, dass es zur Pandemie kommt, begannen sie darüber zu spekulieren: • Wie lebensbedrohlich ist eine Erkran- kung mit dem Virus? • Welche Ziele verfolgen wir bei dessen Bekämpfung? • Welche Priorität räumen wir ihnen ein? • Was sind sinnvolle Maßnahmen, um die Ziele zu erreichen? Mit Szenarien in die Zukunft schauen STRATEGIEENTWICKLUNG. Wie es nach der Corona-Pandemie weitergehen könnte, können Unternehmen nur erahnen. Profis entwickeln möglichst unterschiedliche Szenarien, um sich auf die Zeit „danach“ vorbereiten zu können. Dabei stoßen selbst erfahrene Strategieentwickler auf ungekannte Schwierigkeiten, denn über die Rahmenbedingungen nach der Krise kann man zurzeit nur spekulieren.

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