Wirtschaft + Weiterbildung 6/2020

personal- und organisationsentwicklung 26 wirtschaft + weiterbildung 06_2020 dank Betriebsvereinbarung ist es erlaubt, auch mal von zu Hause auf den Firmen­ server zuzugreifen. Darüber hinaus gibt es aber keine strukturelle Unterstützung. 2. Büros online nachbauen: Alles, was Unternehmen bisher im Büro gemacht haben, versuchen sie nun online mit vielen Tools nachzubauen. Die Prozesse und Dokumentationen bleiben aber gleich. Auf dieser Stufe bewegen sich ak­ tuell viele Unternehmen angesichts von COVID-19. 3. Anpassung an die Hilfsmittel: Nun fan­ gen Organisationen an, die Möglichkeiten der Tools auf neue Art und Weise zu nut­ zen. So arbeiten beispielsweise alle Mit­ arbeitenden gleichzeitig an Dokumenten oder protokollieren Meetings gemeinsam. Ausgehend von der technischen Ausrüs­ tung geschieht eine kulturelle Verände­ rung und eine neue Verteilung der Kom­ munikationshoheit. 4. Asynchrone Kommunikation: Jeder tut die Dinge dann, wenn es am besten passt. So haben auch Beschäftigte auf verschie­ denen Kontinenten oder Arbeitnehmer mit Kindern zu Hause die gleichen Bedin­ gungen. Meetings oder Telefonate finden nur statt, wenn sie wirklich nötig sind. Jede andere Form der Kommunikation läuft in Chats oder auf Kollaborations­ plattformen. Schriftliche Dokumentation gewinnt an Bedeutung. 5. Nirvana: Jedes verteilt arbeitende Team arbeitet besser, als es dies vor Ort jemals könnte. Letztlich ist dies weniger eine konkrete Entwicklungsstufe als vielmehr das angestrebte Ziel, auf das alles hinaus­ läuft. Während auf Level 1 und 2 vor allem Tools für Video-Konferenzen, White­ board-Lösungen oder Tasksysteme eine Rolle spielen, kommen auf Stufe 3 und 4 vermehrt Chat-Anwendungen und Kolla­ borationssysteme zum Einsatz. In der Praxis hängt die Art der Zusam­ menarbeit stark von den Teams ab. Viele beschäftigt im Homeoffice zunächst die Frage, wie sie spontan eine Idee diskutie­ ren können. „Wer ist für was zuständig und welche Kanäle nutzt man für be­ stimmte Formen der Kommunikation?“, lauten weitere zentrale Fragen. „Wir haben in den letzten Wochen viele Trans­ formationsprozesse in Richtung dezen­ trale Zusammenarbeit begleitet“, berich­ tet Simon Dückert. Dabei gehe es in den Unternehmen beispielsweise darum, wel­ che Tools die Teams nutzen, in welchem Rahmen sich die Reaktionszeit auf Infor­ mationen in welchem Kanal bewegt. Da spontane Absprachen wegfallen, müssen Aufgaben und Organisation akribischer verteilt werden. Aber auch der virtuelle Kaffeetalk kann Teil der neuen Arbeits­ kultur werden. In einem Team-Manifest oder „Collaboration Contract“ würden Leitfragen beantwortet. „Das beschleu­ nigt eine gute Zusammenarbeit. Auch beim Ausprobieren ergeben sich Konven­ tionen, aber das läuft dann unsystemati­ scher und dauert länger.“ Auch viele Weiterbildungsformate be­ wegen sich auf den unterschiedlichen Mullenwegschen Reifestufen. Bei kaum einem Lernformat lässt sich dies aktu­ ell besser beobachten als bei Barcamps. Diese „Unkonferenzen“ zeichnen sich dadurch aus, dass das Programm nicht im Vorfeld feststeht, sondern alle Teilneh­ menden es als „Teilgeber“ gestalten. Sie pitchen ihre Themen und alle stimmen ab, welche Sessions zustande kommen. Barcamps sind Teil vieler Communities, kamen aber auch schon vor Corona ver­ mehrt in Unternehmen zum Einsatz, um einzelne Themen wie den Weg zu mehr Agilität gemeinsam zu diskutieren oder ein Team zusammenzuschweißen. Auch bei der Bayer AG gibt es schon länger Barcamps, berichtet Guido Perl. Als „Cul­ ture Space Explorer“ experimentiert der IT-Mitarbeiter und Systemische Coach in dem Life-Science-Unternehmen mit Lern­ angeboten, die „Leute ans Diskutieren und Denken bringen sollen“. Auch Bar­ camps gehören dabei zu seinem Reper­ toire. Nun steht in der aktuellen Situation auch die virtuelle Variante im Unterneh­ men an. Online-Lernformate sind mehr als ein „Plan B“ Schon 2019 hat er sich einer unterneh­ mensübergreifenden Gruppe von Bar­ camp-Enthusiasten angeschlossen, die virtuelle Barcamps mit MS Teams erpro­ ben. Ende des vergangenen Jahres trafen sich rund 70 Teilgeber zum Testlauf, Ende April lief die zweite Ausgabe des Teams- Barcamps. Knapp 20 Sessions drehten sich um Tools, Methoden wie Liberating Structures oder MS-Teams-Hacks, Tipps und Tricks eben, um besser zusammen­ zuarbeiten und Events zu organisieren. Das Orga-Team hatte dabei vor allem im Blick, wie ein Barcamp online funktionie­ ren kann. „Wir haben zunächst überlegt, wie können wir das analoge im Digita­ len abbilden“, berichtet Guido Perl. Die Übersetzung der Sessions war dabei das kleinste Problem, dafür lassen sich leicht einzelne Kanäle öffnen. Die Rechnung ging somit zwar schon recht gut auf, doch im Detail gab es Nachbesserungsbedarf. Improvisation und „Trial-and-Error“ waren gefragt. Das Pitchen der Sessions etwa hat die Gruppe eine Woche vorverlagert. In Teams konnten die Teilgeber sich und ihre Themen vorstellen, Interessierte vo­ teten online und nach dem ersten Stim­ mungsbild blieb genug Zeit, die entspre­ chenden Kanäle auf Teams einzurichten. So sollte im Livebetrieb keine lange Pause entstehen. Ein paar Kanäle blieben für spontane Themen frei. „Da digital an­ strengender ist als physische Barcamps, haben wir uns zeitlich auf dreieinhalb Stunden beschränkt“, meint der Culture Space Explorer. Außerdem richteten die Barcamper einen Kanal für die digitale Kaffeeecke ein, um sich zwischendrin auf ein Getränk und Smalltalk zu treffen. Selbst das Gesetz der zwei Füße, das jedem erlaubt, jeder­ zeit die Session zu wechseln, wenn das Thema nicht passt, war gut umsetzbar. Mit zwei Klicks kann jeder von einer Ses­ sion in die nächste „hummeln“. „Letzt­ lich ist das Online-Barcamp auf Teams ein Hybrid. Vieles können wir von der phy­ sischen Version übernehmen, aber man­ che Dinge mussten wir anpassen. Uns ist wichtig, dass sich das Online-Barcamp nicht wie ein Plan B anfühlt, sondern zum Plan A wird.“ Auf eine reine Übersetzung vom analogen ins Digitale wollten sich die Teams-Bar­ camper nicht limitieren lassen. Schnell entstehe dann eine Defizithaltung, die Fo­ kussierung auf die Dinge, die jetzt gerade nicht möglich sind. Doch viele Chancen der digitalen Lernwelt gelte es noch aus­ zuloten. Der systemische Coach nennt ein Beispiel: Bei der Liberating Structure „Tea Party“ geht es darum, gemeinsam R

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