Wirtschaft + Weiterbildung 6/2020
wirtschaft + weiterbildung 06_2020 23 nen. Dazu kommen vielleicht noch ein paar abgehangene Sport- und Show-Pro- mis. Für die meisten ist das ein Neben erwerb. Und mehr als 80 bis 100 Vorträge gegen Honorar sind logistisch kaum zu bewältigen. Dann sind wir aber schon bei der Crème de la crème. Was war Ihre Motivation, den Speaker- Markt kritisch zu analysieren? Hey: Das hat mit meiner Tätigkeit als ver- eidigter Sachverständiger für Marketing und Wirtschaftskommunikation zu tun. Da muss ich immer herausfinden, ob die Anbieter, die jemand beauftragen will, auch das draufhaben, was sie behaup- ten. Das funktioniert ähnlich wie bei den Speakern mit Referenzlisten, Case Studies und allem, was man oft so hintrimmt, dass die Kunden glauben, man sei der beste Experte. Bei der Prüfung ist es dann oft so, dass vieles nicht stimmt. Aber gerade im Speaker-Markt wird doch kaum mehr etwas überprüft … Hey: Das stimmt. Aus aufmerksamkeits- ökonomischen Gründen sind wir als Teil- nehmer von Konferenzen oft unkritisch. Wir gehen einfach davon aus, wenn jemand einen Speaker eingeladen hat, muss der auch was können. Wenn wir wüssten, dass da vorne auf der Bühne eine Pfeife steht, würden wir den Vortrag nicht anhören wollen und uns das Geld und die Zeit sparen. Ich möchte da überhaupt nicht als Mie- sepeter dastehen. Aber wenn Experten behaupten, über eine bestimmte Exper- tise zu verfügen, dann neige ich im Sinne eines wohlwollenden Misstrauens dazu, mir den Überblick zu verschaffen, ob das auch wahr ist. Das ist auch eine Frage der Ökonomie. Ich will nicht auf einer Kon- ferenz hocken und mir die Vorträge von Pfeifen anhören. Ich möchte echtes Wis- sen und nicht nur behauptetes Wissen. Ich möchte als Zuhörer oder Einkäufer einfach nicht belogen werden. Aber werden denn überhaupt Experten gesucht? Sind die Veranstaltungen nicht eher Comedy oder Entertainment? Hey: Wenn wir über Speaker sprechen, meinen wir meist Edutainment und kei- nen trockenen Fachvortrag. Das ist das Format von 30 bis 60 Minuten Dauer, oft mit geringem Erkenntnisgewinn bei hohem Unterhaltungswert. Da sucht sich dann jeder Speaker im Sinne seiner ein- zigartigen Positionierung ein Thema und eine Inszenierung. Das ist wie ein The- aterstück. Aber trotz aller Inszenierung sollte auch die behauptete Kompetenz dahinter stimmen. Bricht der ganze Speaker-Zirkus nicht zwangsläufig irgendwann in sich zusammen? Hey: Den Markt für Selbstdarstellung wird es immer geben. Guru sein hat doch was Tolles und die Guru-Macher werden immer Geld verdienen können. Und bei den angehenden Speakern gibt es viele, die in einer gefühlten Sinn- und Lebenskrise stecken und die gern mehr Bedeutung hätten. Da frage ich mich ganz häufig: Brauchen die nicht eher einen Therapeuten als ein Speaker-Training? Das Problem ist, dass durch die behaupteten Kompetenzen auch bestimmte Begrifflichkeiten be- schädigt werden. Speaker hat doch heute schon einen Hauch von Lächerlichkeit. Und wenn jeder Speaker sein kann, kann man sich nur noch differenzieren, indem man sich als Keynote Speaker oder Top- Keynote-Speaker verkauft. Das ist ein- fach nur noch albern. Auch der Begriff des Experten wird beschädigt und der echte Profi, der nicht nur Showbusiness betreibt, wird damit immer besudelt. Als Sachverständiger hätte ich da gern Quali- fikationsnachweise. Wer könnte denn für mehr Qualität und Transparenz sorgen? Hey: Es gibt berufsständische Vereinigun- gen, die sogar eigene Ethikgrundsätze festgeschrieben haben. Nur werden die nicht umgesetzt. Denn dann müsste man die Eigenangaben der Mitglieder beim Beitritt und in einem gewissen Turnus kritisch verifizieren. Das würde zwar zu einer hohen Qualität des Mitgliederstam- mes führen, aber es würden wohl nicht viele Mitglieder übrig bleiben. Mit mei- nem Buch möchte ich daher das Schlag- licht auf einige der kritischen Aspekte lenken. Und wenn sich dadurch nur ein bisschen was bereinigt, ist doch auch schon was erreicht. Interview: Bärbel Schwertfeger Foto: www.nilshey.com Nils-Peter Hey. Er ist überzeugt, dass Speaker sich selbst treu bleiben kön- nen und trotzdem Erfolg haben.
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