Wirtschaft + Weiterbildung 6/2020

titelthema 20 wirtschaft + weiterbildung 06_2020 die 15 Teilnehmer beschlossen, sich zum Bestsellerautor zu tricksen. Schließlich ist so ein eigenes Buch, das auch noch ein angeblicher Bestseller ist, ein absoluter Pluspunkt in der Speaker-Vita. Doch ein Buch macht leider viel Arbeit und es kos­ tet Zeit. Eine Lösung ist dabei ein Sam­ melband mit mehreren Autoren, den man dann gemeinsam bei Amazon auf Platz 1 der Bestsellerliste bringt. Wie das funktioniert, beschreibt Hey an­ hand eines realen Falls, bei dem er selbst mitgemacht hat. Als in einem Seminar die Idee dazu auftauchte, brach „eine gewal­ tige Gruppendynamik aus“, schreibt er. Dabei musste jeder der 15 Autoren 1.500 Euro für die Organisation, Buchlayout und Öffentlichkeitsarbeit hinblättern und ein Kapitel für das 300-seitige Sammelsu­ rium aus Selbstbeweihräucherungsbei­ trägen verfassen. Das Ganze wurde dann als E-Book veröffentlicht und jeder kaufte mehrere Hundert Exemplare für 99 Cent, um das Amazon-Ranking zu beeinflus­ sen. „Für ein paar Stunden schafften wir es auf Platz eins der Unterkategorie einer Unterkategorie einer Unterkategorie“, schreibt Hey. „Damit waren wir nicht bloß Autoren, sondern Bestsellerautoren und trommelten mit dem Erfolg in den sozialen Netzwerken.“ Genutzt habe es nicht viel. „Ich verbuche die Kosten als Lehrgeld und hake das als Jugendsünde ab“, schreibt der Marketingexperte. Gefälschte Referenzen Ein Anlass für Täuschungen sind persön­ liche Empfehlungen oder Referenzen von Unternehmen. Denn die lassen wunder­ bar fälschen. Da listet dann zum Beispiel ein einzelner Speaker mehr als tausend Unternehmen auf, für die er angeblich tätig war. Einer der Tricks: Man lässt sich die Teilnehmerliste seines Vortrags geben und schreibt die Arbeitgeber aller Teil­ nehmer auf die Referenzliste. Erkennbar ist das oft an einer auffälligen Häufung von Unternehmen aus einer bestimmten Branche. Wenn zum Beispiel mehr als 40 Kreissparkassen aus einer Region auf der Liste auftauchen, hat der Speaker halt einen Vortrag auf einer regionalen Spar­ kassenveranstaltung gehalten. Beliebt sind auch die gegenseitigen Referenzen, getreu dem Motto: Wenn Du was Nettes über mich schreibst, schreibe ich auch was Nettes über Dich. Dasselbe gilt für Videochats und Podcasts, bei dem sich Speaker gegenseitig interviewen, wobei das oft nichts anderes als eine Dauer­ werbesendung für den Interviewten ist, bei der der Interviewer immer wieder in Lobeshymnen über seinen Gast aus­ bricht. Getrickst wird auch gern bei der Zahl der Vorträge. Schließlich soll sie si­ gnalisieren, wie gefragt der Speaker ist. „Nicht jeder Toast, den man beim Sonn­ tagskaffee auf den Opa ausbringt, ist eine Keynote“, schreibt Hey. Die besten der bestausgebuchten Redner schafften kaum mehr als 100 bezahlte Vorträge pro Jahr. Jeder Nobody nennt sich Dozent oder Lehrbeauftragter Großes Fake-Potenzial gibt es beim Be­ griff Dozent. Er ist nicht geschützt und daher kann sich jeder so nennen. Etwas schwieriger ist das beim Lehrbeauftrag­ ten, denn der wird von der Hochschule berufen. Ebenfalls sehr beliebt ist die Mit­ gliedschaft in einem angeblich exklusiven Club. Es gebe viele Vereine, Organisati­ onen und Verbände, die zu keinem an­ deren Zweck gegründet wurden, schreibt Hey. „Dort findet man sich in Gesellschaft statusgeiler Nobodys, die sich gegenseitig auf die Schulter klopfen.“ Nach der Lektüre des Buchs dürfte sich mancher Leser fragen, ob es bei all dem Lug und Trug überhaupt noch ehrliche Wege gibt, sich als Redner glaubwürdig und überzeugend darzustellen. Das sei durchaus möglich, aber es gehe eben nicht schnell und einfach, schreibt Hey. Es sei anstrengend und erfordere neben viel Arbeit immer auch eine große Por­ tion Glück und das richtige Timing. „Seit ich lüge, läuft es“ ist ein bitterböses Buch über eine (vor der Corona-Krise) boo­ mende Szene. Die Lektüre dürfte so man­ chem Leser die Augen öffnen und seinen Blick für die Tricks schärfen. „Die Lüge ist wie ein Schneeball: Je län­ ger man ihn wälzt, desto größer wird er“, zitiert Hey den großen Reformator Martin Luther. Das Speaker-Marketing ist dabei längst zu einer Lawine geworden, die mit rasantem Tempo ins Tal rauscht und dabei erhebliche Schäden anrichtet. Bärbel Schwertfeger R Motivationszirkus. In Heys Buch gibt es auch ein Kapitel, das die zehn häufigsten (und leider zum Teil recht sinn- losen) Erfolgstipps des Durchschnitts-Speakers auflistet. Die Mutter aller Erfolgsregeln lautet: „Du musst einfach den ersten Schritt machen“ und das passende Lieblingszi- tat lautet: „Man kann viel mehr, als man sich zutraut.“ 2. Tipp: Du musst Dein Ding machen („Wer sein Hobby zum Beruf macht, muss nie wieder arbeiten“), 3. Tipp: Du musst es Dir erlauben, zu scheitern („Wenn man alles berech- net, gelingt nichts“), Tipp 4: Du musst in Dich investieren („Man muss regelmäßig seine Säge schärfen“), Tipp 5: Du musst raus aus Deiner Komfortzone („Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“), Tipp 6: Du musst das Schicksal annehmen („Wenn Dir das Leben eine Zitrone reicht, mach Zitronen­ limonade daraus“), Tipp 7: Die Körpersprache entscheidet („Zeig Dich“), Tipp 8: Du brauchst ein Mindset („Erfolg ist keine Rolltreppe. Es geht nicht von alleine nach oben“), Tipp 9: Du musst die richtigen Leute kennen („Beziehungen schaden nur dem, der keine hat“), Tipp 10: Sei kein Arsch- loch („Erfolg um jeden Preis ist der Mühe nicht wert“). Die Standardtipps der Speaker

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