Wirtschaft + Weiterbildung 6/2020

wirtschaft + weiterbildung 06_2020 19 der Redner und seine Agentur alle wich­ tigen Voraussetzungen einer erfolgreichen Vermarktung erfüllten. Der Speaker-Ver­ mittler warnt daher davor, seinen Job leichtfertig aufzugeben, um nur von Vor­ tragshonoraren zu leben. Das gelinge nur sehr wenigen. „Wenn Pathos pathologisch wird – ein Plädoyer für radikale Ehrlichkeit“, so lautet der Titel des Beitrags des Busi­ ness-Coachs Felix Maria Arnet. Darin beschreibt er sein eigenes Scheitern und setzt sich kritisch mit dem Coaching- Markt und den gängigen Motivationstrai­ nings auseinander. Das Kapitel endet mit einer Aufforderung, ehrlich zu sein. „Ehr­ lichkeit bedeutet Freiheit. Die Freiheit, ich selbst zu sein, für mich und für andere.“ Journalisten sollten eigentlich Gatekeeper sein Die auf den Kanaren lebende freie Journa­ listin Christina Teuthorn-Mohr beschreibt ihre Erfahrungen mit Experten und gibt als Kommunikationsberaterin Tipps zum Umgang mit Journalisten. Journalisten seien „Gatekeeper“, also eine Art Tor­ wächter für Informationen, die sie nach bestimmten Kriterien auswählten. „Nor­ malerweise finden Journalisten Exper­ ten und nicht umgekehrt“, schreibt sie. Sie suche nicht das „große Ego, das sich aufbläst, sondern die gesellschaftlich rele­ vante Information“. Sie traue keinem Ex­ perten, der sich selbst anpreise, was noch dadurch getoppt werde, wenn die Selbst- PR unbelegte Behauptungen erhalte. So mancher Speaker, der ihre Liste der Do‘s und Dont‘s aufmerksam liest, dürfte ins Grübeln kommen, ob seine PR-Strategie die richtige ist. Eher wissenschaftlich wird es in dem Beitrag der Soziologin Sonja Veelen. Im Jahr 2012 hat sie das Buch „Hochstapler – Wie sie uns täuschen“ veröffentlicht und forscht jetzt immer weiter zu diesem Thema. In ihrem Beitrag klärt sie über die Motive und Techniken beim Faken, Hoch­ stapeln und Betrügen auf und beschreibt die Funktionsweise des Täuschens. Damit eine Täuschung gelinge, müsse man ver­ stehen, wie sich eine „falsche“ Wirklich­ keit so konstruieren lasse, dass das Pu­ blikum sie für real halte. Zu den Haupt­ motiven für die vorsätzliche Täuschung gehöre die Gier nach Geld, Bekanntheit, Aufmerksamkeit oder Anerkennung, die wiederum zum Teil durch Persönlich­ keitsstörungen hervorgerufen werden. Im Zusammenhang mit Hochstapeln seien dies vor allem Narzissmus und eine krankhafte Lügensucht. Tatsächlich tummeln sich auf dem Markt einige Speaker, die bereits wiederholt durch ihre Lügen aufgeflogen sind. Das tut ihrem Erfolg jedoch keinen Abbruch und stört weder die Redneragenturen noch die Unternehmen, die die Speaker buchen. Und so mancher Veranstalter gibt sogar offen zu, dass ihn der erfun­ dene Doktortitel und die gefälschte Refe­ renzliste eines Redners nicht interessiere. Hauptsache, der Entertainmentfaktor stimme. Das Betrugssystem – so scheint es – funktioniert prächtig, weil viele mit­ spielen. Dass fünf der sechs Autoren (sowie auch Nils-Peter Hey selbst) Akteure in der Speaker-Szene sind, macht das Buch bisweilen zu einer Gratwanderung mit so manchem Absturz. Warum plädiert Felix Maria Arnet für „radikale Ehrlich­ keit“ und mehr Bescheidenheit, konter­ kariert sein Anliegen aber gleichzeitig, wenn er am Ende des Kapitels schreibt: „Laut Erfolg-Magazin gehört er zu den erfolgreichsten Trainern Deutschlands.“ Herausgeber Nils-Peter Hey wiederum schreibt, dass er „Top 100 Excellent Spea­ ker“ der Redneragentur Speakers Excel­ lence ist, was seiner Vermarktung diene und etwas koste. Man kauft sich also ein. An anderer Stelle zweifelt er, ob die Mit­ gliedschaft in einem Top-100-Experten­ pool nicht auch schon ein Fake sei. Denn die Auswahl sei letztlich willkürlich. An­ dererseits kann Hey durch seine eigenen Erfahrungen und Fehltritte wertvolle Ein­ blicke in das Geschäft mit der Lüge bie­ ten. Zum Buch gehört ein „Großes Lexikon des kleinen Betrugs“ Das tut er vor allem in dem „Großen Le­ xikon des kleinen Betrugs“, das den größ­ ten Teil des Buchs ausmacht. Dort erfährt der Leser von A bis Z, mit welchen Tricks und Lügen gearbeitet wird und das ist bisweilen so albern, absurd und aben­ teuerlich, dass man es nicht besser erfin­ den könnte. Es reicht vom üblichen Ab­ schreiben über die getürkte Bestenliste, gekaufte Follower, falsche Kundenstim­ men, unglaubliche Vortragshäufigkeiten, pseudoexklusive Mitgliedschaften bis zu großspurigen Zertifikaten. Die Reise durch die Welt des Betrügens thematisiert so manches, was bereits be­ kannt ist, zeigt aber auch, mit welcher fast schon kriminellen Energie teils an den Täuschungen gearbeitet wird. So berichtet Hey über ein Seminar, bei dem R Buchtipp. Nils-Peter Hey (Hrsg.): „Seit ich lüge, läuft der Laden – So machen selbster- nannte Experten auf Boss, obwohl sie nur Hugo sind.“ Richard-Pflaum Verlag, Mün- chen 2020, 200 Seiten, 19,90 Euro Nils-Peter Hey. Der Autor kämpft gegen Hochstapler und Blender, die als selbster- nannte Experten die Szene der Kongress- redner in Verruf bringen. Sein Buch liefert einen wertvollen Blick hinter die Kulissen. Foto: www.nilshey.com

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