Wirtschaft + Weiterbildung 6/2020
wirtschaft + weiterbildung 06_2020 15 tige Weg ist. Die Führungskraft muss auch respektieren, dass einzelne Teammitglieder in einzelnen Bereichen deutlich mehr wissen. Das kann man nutzen und die Menschen nach ihrer Meinung fragen. Beim Militär braucht es sogar noch etwas mehr fachliche Kompetenz. Militärische Führungskräfte führen eben auch im Kampfeinsatz und müssen festlegen, wer an wel- cher Stelle operieren oder fliegen soll. Dabei geht es potenziell um das eigene Leben und um das Leben meiner Kameraden. Dafür muss ich genau wissen, wie eine Mission funktioniert. Wenn Fachlichkeit fünfzig Prozent der Führungsautorität ausmacht, woher kommt dann die andere Hälfte? Baumann: Der nächste große Anteil mit etwa dreißig bis vier- zig Prozent ist die persönliche Autorität. Dazu gehört das per- sönliche Auftreten, aber auch die Sozialkompetenz und ein verlässliches Verhaltensmuster. Und dann gibt es noch einen kleinen Anteil, etwa zehn Prozent, der vom Dienstgrad oder der Position herrührt. Am Ende des Tages kann ich immer sagen: „Ich bin die Chefin und deswegen machen wir das jetzt so.“ Aber damit begebe ich mich auf dünnes Eis, das kann ich einmal machen, aber dann ist das Ansehen verspielt. Formale Autorität ist also eine Art Joker? Baumann: Genau, und wenn man den Joker zieht, heißt das oft auch, dass die persönliche und fachliche Autorität schon fehlgeschlagen ist. Wenn ich die nötige Erfahrung mitbringe und mein Team mir vertraut, ist Führung auch ohne die große Chef-Keule möglich. Können Sie eine Situation schildern, in der Sie fürchteten, dass Ihre eigene Autorität untergraben wird? Baumann: Ich erinnere mich beispielsweise an eine Situation, als ich 24 oder 25 war und zum ersten Mal für zwölf Flugschü- ler und sechs Fluglehrer zuständig war. Ich hatte einen etwa 50-jährigen sehr erfahrenen Fluglehrer in meinem Team, der leider überhaupt keine Lust hatte, meinen Anweisungen zu folgen. Da sah ich die Gefahr, dass meine Führungsautorität völlig untergraben wird. Wie sind Sie mit dieser Situation umgegangen? Baumann: Ich habe damals versucht, mich in die Person hi- neinzuversetzen, und bin dann auf den Mitarbeiter zugegan- gen und habe sein Wissen eingefordert, denn die Menschen mögen es, wenn ihre Meinung geschätzt wird. Abgesehen davon, dass man ja tatsächlich von diesem Wissen profitiert, ist es eine gute Strategie, denjenigen so zu seinem engsten Verbündeten zu machen und mit ins Boot zu holen. In neun- zig Prozent der Fälle funktioniert das sehr gut. Wenn die Per- son trotz allem an der Autorität kratzt, muss man sie mit aller Entschlossenheit ruhigstellen. Man kann nicht zulassen, dass jemand aktiv die eigene Autorität untergräbt. Interview: Maxim Nopper-Pflügler Nicola Baumann. Sie war eine von drei Frauen in der deutschen Luftwaffe, die den Eurofighter Typhoon, ein zweistrahliges Mehrzweckkampfflugzeug, fliegen durften. Ihr letzter Dienstgrad war Major.
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