Wirtschaft + Weiterbildung 6/2020

menschen 14 wirtschaft + weiterbildung 06_2020 FÜHRUNGSSTÄRKE. Nicola Baumann (35), eine Ingenieurin für Maschinenbau, war von 2004 bis 2018 eine der sehr wenigen Kampfpilotinnen der Bundeswehr. Nach ihrer aktiven Militärzeit heuerte sie bei der Unternehmensberatung McKinsey & Company an. Der Job einer Eurofighter-Pilotin kingt nach Flugmanövern, wie man sie aus Filmen wie „Top Gun“ kennt – aber welche Rolle spielt Führung für Sie? Nicola Baumann: Ich hatte bei der Bundeswehr zwei verschie- dene Führungsfunktionen: „Am Boden“ war ich zuständig für ein kleineres Team von Piloten. „In der Luft“ ging es auch darum, eine Formation zu führen und Missionen, in meinem Fall Trainingsmissionen, erfolgreich zu absolvieren. Das ist aber eher vergleichbar mit dem Teamkapitän beim Fußball. Was unterscheidet die Funktion „Führung“ in einem Unternehmen vom Militär? Baumann: In beiden Welten geht es darum, sehr gut ausgebildete Profis zu führen, deshalb lässt sich das gut übertragen. Ich muss jeden oder jede Einzelne respektieren, nicht immer nur die Besten. Denn auch durchschnittliche Mitarbeitende möchten für ihre Leistungen anerkannt und bei dem, was sie noch nicht so gut können, unterstützt werden. Respektvolle, positive Kommunikation ist dabei wichtig: Wenn ich jemandem eine Aufgabe gebe, die ein bisschen über dem üblichen Leistungsniveau der Person liegt, und dabei optimistisch bin, die Person motiviere und ihr sage, dass sie das hinbekommt, dann wird sie sehr wahrscheinlich an dieser Aufgabe wachsen. Man muss jemandem erst etwas zutrauen, bevor der- oder diejenige es tatsächlich kann. Leider wird das weder beim Militär noch in Unternehmen immer so gelebt. „Führungsautorität braucht auch fachliche Expertise“ Wie stark muss Eigenverantwortung von den Mitarbeitenden aktiv eingefordert werden? Baumann: Eigenverantwortung spielt eine große Rolle und muss tatsächlich eingefordert werden. Das deutsche Militär zum Beispiel arbeitet immer mit einer Auftragstaktik. Dabei gebe ich das Ziel vor, sage meinen Mitarbeitenden, wo es hin- geht, aber ohne den Weg dorthin zu bestimmen. Denn ehrgei- zige, ambitionierte Menschen wollen wissen: Auf welchen Berg müssen wir hinauf? Welches Produkt müssen wir entwickeln? Mikromanagement und kleinteilige Vorgaben sind dabei oft hinderlich. Wenn Mitarbeitende frei arbeiten können, geben sie sich mehr Mühe. Ambitionierte Menschen wollen sich in ihrer Arbeit frei entwickeln und Selbstbestimmung finden. Dafür braucht es Eigenverantwortung. Wie viel Fachexpertise braucht eine Führungskraft? Baumann: Die beste Fachkraft ist nicht unbedingt die beste Führungskraft, aber trotzdem: Die fachliche Expertise macht mindestens fünfzig Prozent der Führungsautorität aus, eher mehr. Denn es braucht fachliche Kompetenz, um nicht an der Nase herumgeführt zu werden. Das gilt auch in der Produktion oder in der Produktentwicklung. Eine gute Führungskraft muss auch bei fachlichen Problemen weiterhelfen können. Das ist wie beim Bergsteigen: Als Führer muss man nicht den ganzen Weg auswendig kennen. Aber man muss unbedingt wissen, wie man bei Abzweigungen herausfindet, welches der rich- Foto: Bundeswehr

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