Wirtschaft + Weiterbildung 6/2020

aktuell 12 wirtschaft + weiterbildung 06_2020 INTERNATIONALE STUDIE CAPGEMINI Digitale Teamarbeit klappt, aber der Mensch kommt zu kurz Corona legt die digitale Kluft in der Bevölkerung offen Weltweit haben Unternehmen seit Beginn der Corona-Krise zwischen 70 und 100 Prozent ihrer Bürotätigkeiten auf Home- office umgestellt. Dies betrifft auch Tätigkeiten, die man bis- her der Face-to-Face-Situation vorbehalten hatte, darunter Personalauswahlgespräche, Coaching oder die Einarbei- tung neuer Mitarbeiter. Das hat eine Studie des Goinger Kreises herausgefunden. Demnach ist eine virtuelle Zusammenarbeit möglich, aber sie vernach­ lässigt zu oft die sozialen und emotionalen Bedürfnisse der Mitarbeiter. Die Corona-Pandemie verstärkt die digi- tale Spaltung der Welt in eine Online- und Offline-Bevölkerung. Dies geht aus der aktuellen Studie des Capgemini Research Institute „The Great Digital Divide: Why bringing the digitally excluded online should be a global priority“ hervor, die im Mai 2020 vorgestellt wurde. Die Studie un- terstreicht, dass die Verantwortung für die Bekämpfung der digitalen Ausgrenzung ge- meinsam bei öffentlichen und privaten Or- ganisationen liege. Man müsse sicherstel- len, dass dem digital ausgegrenzten Teil der Bevölkerung der Zugang zu wesentlichen Dienstleistungen nicht verwehrt werde. Die Kernaussagen der Studie lauten: • Offline zu sein kann zu Isolation, Ein- samkeit oder einem Gefühl der Unzu- länglichkeit führen: 46 Prozent der Be- fragten ohne Internetzugang gaben an, dass sie sich besser mit Freunden und Familie verbunden fühlen würden, wenn sie Zugang zum Internet hätten. • 34 Prozent der Befragten äußerten Inte- resse daran, das Internet zu nutzen, um öffentliche Leistungen in den Bereichen Wohnung, Lebensmittel und Gesund- heitsversorgung zu beantragen. • Schwierigkeiten, sich online auf Stellen- angebote zu bewerben und ein fehlender Zugang zu digitalen Lern- und Bildungs- möglichkeiten können die beruflichen Abgesehen von Netzüber­ lastungen funktionieren Kom- munikationsinstrumente, Netz- zugänge und Bedienung laut Studie gut. Viele der neuen Prozesse werden deshalb nach der Corona-Krise weiterhin ge- nutzt werden. Die virtuelle Zu- sammenarbeit ist aufgrund der positiven Erfahrungen plötzlich ein ganz selbstverständlicher Teil der unternehmensinternen Abläufe. Thomas Marquardt, Infineon- Manager und Vorsitzender des Goinger Kreises, meinte: „Uns ist klar: Kein Unternehmen wird einfach zum herkömm- lichen Büroalltag zurückkeh- ren.“ Die Studienergebnisse of- fenbaren einige Problemzonen: Die Arbeit dringt in das private Zuhause ein, das bewusst vom Berufsalltag ferngehalten wer- den sollte. Mitarbeiter, die In- teraktion und Unterstützung brauchen oder introvertiert sind, fühlen sich schneller isoliert und alleingelassen. Video- und Telefonkonferenzen lassen wenig Raum für Small- Talk, Emotionen, Beziehungen und andere Dimensionen menschlicher Interaktion. Pro- jektleiterin Anne Burmeister von der Rotterdam School of Management betont: „Bürozu- sammenarbeit basiert auf ganz verschiedenen sachlichen und persönlich-emotionalen Inter- aktionen, die für die Mitarbei- ter gleichsam bedeutsam sind. Solche Routinen gibt es in der virtuellen Zusammenarbeit noch nicht.“ Deshalb müsse der Umgang mit Emotionen und persönlicher Beziehung Teil des Führungsverständ- nisses werden. Der Goinger Kreis (www.goinger-kreis.de) wurde 2004 in Going/Tirol von Topmanagern aus dem Perso- nalwesen deutscher Unterneh- men gegründet. Aufstiegsmöglichkeiten für die Offline- Bevölkerung erschweren. • 44 Prozent der Offline-Befragten glau- ben, dass sie in der Lage wären, besser bezahlte Jobs zu finden und sich weiter- zubilden, wenn sie Zugang zum Internet hätten. • Insgesamt wünschen sich 29 Prozent der Offline-Befragten, sie könnten online nach Jobs suchen und sich darauf be- werben; bei den 22- bis 36-Jährigen liegt dieser Anteil bei 41 Prozent. Das Capgemini Research Institute hat Forschungszentren in Großbritannien, In- dien und den USA (www.capgemini.com/ de-de/capgemini-research-institute).

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