Wirtschaft und Weiterbildung 10/2020

grundls grundgesetz Boris Grundl 56 wirtschaft + weiterbildung 10_2020 Was ist ein Image? Wir haben bei diesem Stichwort zwei Pole. Auf der einen Seite steht ein Bedürfnis: Ein bestimmtes Abbild soll eine spezifische Emotion und damit ein gezieltes Verhalten auslösen. Auf der anderen Seite steht der Wunsch nach Wahrhaftig- keit (eine Stimmigkeit, besser bekannt als Authenti- zität). Diese beiden Pole zerren in entgegengesetzte Richtungen. Sie zerren an jeder Organisation, jedem Produkt und an jedem Menschen. Welche Auswirkungen hat das auf meine persön- liche Entwicklung? Soll ich jetzt wirklich authentisch sein (es nicht spielen!) oder ein Bild kreieren, das Aufmerksamkeit erzeugt? Soll ich ganz ich selbst werden oder zum gewünschten Abbild? Soll ich ein erfülltes Leben führen oder dafür sorgen, dass andere denken, es wäre so? Die sozial erwünschte Antwort ist klar: „Sei ganz du selbst. Mach dein Ding. Folge deinem Herzen.“ Wenn das so einfach wäre … Immer wieder erreichen uns Geschichten von Pro- minenten gespickt mit Sexskandalen, Drogenex- zessen, Verschwendungssucht, Gewalt, Depression oder gar Suiziden. In seinem Buch „Celebrities“ untersuchte Borwin Bandelow diese Abgründe im Leben der Superstars. Seine Erkenntnis: Nicht der Ruhm verändert die Menschen – sie werden berühmt, weil sie schon vorher „anders“ sind. Weil sie alle Kraft darauf verwenden, ein Bild von sich in anderen auszulösen. Ihre gesamte Lebensenergie fließt in die Erzeugung eines Images. Nur dann füh- len sie sich am Leben. Dieses Beispiel kann helfen, den größten inneren Bremsklotz der menschlichen Entwicklung zu entlarven: Es ist das Bedürfnis nach Bestätigung. Ganz wahrgenommen, gesehen und respektiert zu werden, einen Unterschied auszu- machen und voll am Leben zu sein. Die wenigsten wissen um diesen abartig intensiven Treiber. Jahrelang wurde uns eingetrichtert, dass nur die Schwachen Anerkennung bräuchten. Die Starken, Klugen und Überlegenen hätten dieses primitive Motiv längst überwunden. Und wer will nicht stark, klug und überlegen sein? So entsteht eine Überlegenheitsillusion, die nach Bestäti- gung lechzt – schwupps, schon sind wir beim Image. Wir tun so, als ob. Wir wählen Freunde, die uns bestätigen. All das sehen wir bei anderen schneller als bei uns selbst! Vor allem dann, wenn der Wunsch siegt, sich überlegen zu fühlen. Weil es schneller geht, ein Abbild statt eine wirklich stimmige Kom- petenz zu schaffen. Weil Kennen einfacher ist als Können. Weil wir merken, wie andere Imageprofis uns überholen. Deswegen trainieren Menschen sich im Mimen: Sie tun so, als wären sie authentisch, kritikfähig, als wären sie an Wachstum interessiert. Gleichzeitig bluten sie emotional aus. Die kurzfristige Gier überlagert das nachhaltige Wirken. Doch das Leben ist nicht dumm. Egal, wie gut wir uns tarnen, irgendwann entlarven wir unsere wahren Motive. Früher oder später setzen sich die Menschen durch, die ihre Eitelkeiten erkennen und ihren Lebensweg durchdenken. Sie wissen: Imageverfolger beschleunigen auf der Lebensauto- bahn schneller, doch sie bleiben immer wieder mit Motorschaden stehen. Wer hingegen bereit ist, den Preis der Anstrengung zu zahlen, nimmt langsamer Fahrt auf und wird immer weiter beschleunigen, bis er kaum noch einzuholen ist. Glauben Sie mir: Ich weiß, wovon ich rede. Für welchen Weg entscheiden Sie sich? Paragraf 89 Überwinde dein Image! Boris Grundl ist Managementtrainer und Inhaber des Grundl Leadership Instituts, das Unternehmen befähigt, ihrer Führungsverantwortung gerecht zu werden. Er gilt bei Managern und Medien als „der Menschenentwickler“ (Süddeutsche Zeitung). Sein jüngstes Buch heißt „Verstehen heißt nicht einverstanden sein“ (Econ Verlag, Oktober 2017). Boris Grundl zeigt, wie wir uns von oberflächlichem Schwarz-Weiß-Denken verabschieden. Wie wir lernen, klug hinzuhören, differenzierter zu bewerten, die Perspektiven zu wechseln und unsere Sicht zu erweitern. www.borisgrundl.de Der größte Bremsklotz einer mensch- lichen Entwicklung ist das Bedürfnis nach Bestätigung durch andere. „ „