Wirtschaft und Weiterbildung 10/2020
fachliteratur 52 wirtschaft + weiterbildung 10_2020 Die Autoren stellen in ihrem Buch zahlreiche Initia tiven vor, die das Prädikat „New Work“ verdienen. Sie wählen als Klammer den Begriff „Graswurzelini tiativen“. „In Graswurzelinitiativen wird gemeinsam nach Lösungen für Probleme gesucht, die bislang keiner als solche wahrnimmt“, schreiben sie über das Selbstverständnis der Akteure, die ein klares „Feindbild“ haben: Die traditionelle hierarchische Unternehmenskultur, die besonders in Konzernen verbreitet ist. Die Graswurzler stehen dagegen für Demokratisierung, Homeoffice und offene Kommu nikation. Die Autoren schreiben von einer Haltung des zivi len Ungehorsams und vom Handeln ohne Auftrag oder Erlaubnis. Das werden viele Führungskräfte nicht nur ungern lesen, manche werden das als eine Kampfansage begreifen. Die Graswurzler nehmen für sich in Anspruch, Missstände und Probleme in den Unternehmen zu erkennen und diese verbessern zu wollen – eigentlich die Aufgabe der Führungskräfte. Doch wer das als eine Aufforderung zur Revolution von unten versteht, liegt falsch. Die Graswurzler beschwichtigen, sie seien keine Revolutionäre, die einen Putsch gegen die Unternehmensführung vor bereiteten. Die Graswurzler wollen nicht die Hierarchie zum Einsturz bringen, sondern „die Führung verbessern“ und „Potenziale heben“. Man will den Kapitalismus nicht überwinden, sondern optimieren. Die Unter nehmen sollen partizipativer, offener, vielfältiger und damit erfolgreicher werden. Die Graswurzelinitiati ven haben im Unterschied zu den Betriebsräten oder Managern keine formale Machtposition, sondern ent wickeln Einfluss durch ihre Ideen, die ansteckend wirken. Dafür liefert das Buch viele Beispiele. Die Autoren berichten nicht nur über eigene Projekte und Erfahrungen, sondern stellen wichtige Graswurzel initiativen vor, die in den letzten Jahren in den Unter nehmen entstanden sind. Akteure kommen nicht nur zu Wort, sondern stellen auch Anleitungen und Leit fäden zur Verfügung, die im Anhang des Buchs ver sammelt sind: Dazu gehören beispielsweise Katha rina Krentz von Bosch, Karsten von Bruch (Bosch), Rainer Gimbel (Evonik), Oliver Herbert (Daimler), Andrea Demarin (Siemens), Shakil Awan (Telekom) und Tobias Leisgang (Texas Instruments). Den Graswurzlern stehen schwere Zeiten bevor, da bei krisenbedingten Restrukturierungen der Konfor mitätsdruck steigt. Die Unternehmen sollten sich aber bewusst machen, dass die Graswurzler zu den engagierten und kreativen Beschäftigten gehören und für die Transformation gebraucht werden. Sie sind zwar manchmal unbequem, aber genau dadurch produktiv. Sabine Kluge, Alexander Kluge Das Ehepaar hat sich seit langem einen Namen in der New-Work-Szene gemacht. Das „Personalmagazin“ zählte die PE-Expertin Sabine Kluge 2019 zu den 40 füh- renden HR-Köpfen im deutschsprachigen Raum. Alexan- der Kluge begleitet Unternehmen in Veränderungspro- jekten als Organisationsberater und Coach. AUTOREN Handeln ohne Auftrag ENGAGEMENT VON „UNTEN“ Sabine Kluge, Alexander Kluge: Graswurzelinitiativen in Unternehmen: Ohne Auftrag – mit Erfolg. Wie Veränderungen aus der Mitte des Unternehmens entstehen – und wie sie erfolgreich sein können, Verlag Franz Vahlen, München 2020, 239 Seiten, 23,90 Euro
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