Wirtschaft + Weiterbildung 4/2020
wirtschaft + weiterbildung 04_2020 61 Es ist schon erstaunlich, dass mehr als 80 Prozent der Un- ternehmen, die derzeit in den USA an die Börse gehen, noch nie Gewinn gemacht haben. Dabei ist der Gewinn (nach Abzug der Steuern) die wich- tigste Zielgröße im Manage- ment. Denn nur Gewinne, davon ist Hermann Simon überzeugt, sichern das mittel- und lang- fristige Überleben – denn schließlich braucht man Geldreserven, wenn man von einer Krise überrascht wird. In seinem Buch geht er auf die wichtigsten Gewinnfaktoren ein: Preis, Absatz und Kosten. Aus Angst vor Kundenpro- testen die Preise nicht zu erhö- hen, hält Simon für gefährlich. Die Leute schätzten die Profi- tabilität von Firmen ohnehin rund sechsmal höher ein, als sie wirklich ist. Niemand kann sich offenbar vorstellen, dass die durchschnittliche Netto- rendite bei gerade mal 3,24 Prozent liegt. Für Trainer und Prozessberater ohne solide BWL-Ausbildung ist dieses Buch ein wichtiger und gele- gentlich auch unterhaltsamer Nachhilfelehrer. Gewinnorientiert arbeiten hilft beim Überleben Hermann Simon: Am Gewinn ist noch keine Firma kaputt gegangen, Campus Verlag, Frankfurt am Main 2020, 260 Seiten, 34,00 Euro Öffentliche Debatten eskalie- ren zum giftigen Streit. Und in der Breite der Gesellschaft regiert die Angst vor dem Schwinden des Zusammen- halts und dem Ende von Res pekt und Vernunft. Der Me- dienwissenschaftler Bernhard Pörksen und der Kommunika- tionspsychologe Friedemann Schulz von Thun, zwei pro- minente Vertreter ihres Fachs, analysieren den kommunika- tiven Klimawandel. Anschau- lich und mit vielen Beispie- len führen sie vor, wie sich Diskussionen und Debatten verbessern lassen und wie die Kunst des Miteinander-Redens zu einer Schule der Demokra- tie und des guten Miteinander- Lebens werden könnte. In perfekt ausgearbeiteten fiktiven Rollenspielen gelingt es den beiden Autoren, die Mechanismen eskalierender Gespräche so aufzuzeigen, dass man die Situation spon- tan auf die eigene Erfahrung überträgt. Der Medienwissen- schaftler beschreibt die Ursa- chen der Polarisierung in der Gesellschaft und der Psycho- loge erklärt, wie Dialoge ver- bessert werden könnten. Analyse des kommunikativen Klimawandels Bernhard Pörksen, Friedemann Schulz von Thun: Die Kunst des Miteinander- Redens, Carl Hanser Verlag, München 2020, 224 Seiten, 20,00 Euro „Das war jetzt aber nicht Ro- senberg-like“, kritisieren sich manchmal Menschen, die ge- rade dabei sind, die von Mar- shall Rosenberg entwickelte Methode der „gewaltfreien Kommunikation“ (GFK) mit- tels Rollenspiel zu erlernen. Markus Fischer, Trainer und Ausbilder für Mediation im Bundesverband Mediation e. V., findet, dass die GFK sich zu rigide an die Vorgaben ihres großen Meisters hält und es normalen Menschen viel zu schwer macht, immer nur mit- fühlend auf die Bedürfnisse anderer einzugehen. Gibt es bei den GFK-Anhän- gern möglicherweise zu viel Selbstzensur und falsche Rücksichtnahme? In seinem Buch reflektiert Fischer zwei Jahrzehnte GFK-Praxis. Dabei zeigt er nicht nur die Schatten- seiten und Missverständnisse von Rosenbergs Ansatz auf. Vielmehr liefert er auch eine „neue“ gewaltfreie Kommu- nikation „ohne Dogmatik“ (Verlagswerbung). Die Bot- schaft: Wir können Gespräche empathisch führen, ohne uns unnötig zurückzunehmen. Es reiche eine „gewaltfreie Hal- tung“ – ohne falsche Rück- sichtnahme, sagt der Autor, der mit seinem Buch eine hef- tige Debatte auslösen wird. Kritik eines Insiders Markus Fischer: Die neue Gewaltfreie Kom- munikation, Verlag Business Village, Göttingen 2019, 261 Seiten, 24,95 Euro
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