Wirtschaft + Weiterbildung 4/2020
tierten in Ruhe. Wenn man sich versöhnen will, muss man in Vorleistung gehen und versuchen, den anderen als Person, als Mensch anzusprechen.“ Ein weiterer – immer wieder auftauchender – Vorwurf war es, dass sich die Kulturen seit der IBM-Umfrage doch längst ge- wandelt hätten. Ein im Jahr 2015 im „Global Strategy Journal“ veröffentlichter Artikel „Are Scores in Hofstede‘s Dimensions of Natural Culture Stable over Time? A cohort Analysis“ des niederländischen Wirtschaftsprofessors Sjoerd Beugelsdijk wi- dersprach dem. Zwar seien die Kulturdimensionen nicht ge- nerell zeitstabil und unterlägen einem allmählichen Wandel. Doch der sei sehr langsam. So entwickelten sich fast alle Län- der in Richtung „mehr Individualismus und niedrigere Macht- distanz“. Die Unsicherheitsvermeidung sei jedoch in allen Ländern eher gleich geblieben – und das trotz Internet und Globalisierung. Zudem änderten sich die Unterschiede bei den einzelnen Dimensionen zwischen den Ländern so gut wie gar nicht. Länder mit einer hohen Machtdistanz haben diese noch immer. Die Abstände sind daher gegenüber der IBM-Studie weitgehend stabil geblieben. „An den relativen Unterschieden zwischen Landeskulturen hat sich eher nicht sehr viel getan“, bestätigt auch Brodbeck. Das ändere sich nur ganz langsam und von einer gemeinsamen Weltkultur sei man weit entfernt. Hofstedes Skalen seien daher weiter nützlich. Bis ins hohe Alter blieb Hofstede der Wissenschaft verbunden. Viele Jahre war er Professor für Organisationsanthropologie und Internationales Management an der Maastricht University in den Niederlanden und Ehrenprofessor an der University of Hong Kong. Von zehn Universitäten unter anderem aus Bel- gien, Griechenland, den Niederlanden, Rumänien, Schweden und Tschechien wurde er zum Ehrendoktor ernannt. Heute gehört Hofstede zu den am häufigsten zitierten Sozialforschern der Welt. Seine Bücher und Artikel wurden laut Google Scho- lar, einer Suchmaschine für wissenschaftliche Texte, knapp 180.000 Mal zitiert. So einen hohen Wert hat sonst höchstens ein Nobelpreisträger. Doch nicht einmal der Verhaltensökonom Richard H. Thaler, der 2017 den Nobelpreis in Wirtschaftswis- senschaften bekam, kommt auf eine so hohe Zahl. Das Le- benswerk von Geert Hofstede wird daher auch künftig weiter Bestand haben. Was ihn persönlich dabei antrieb, erklärte er einmal so: „Es gibt im Leben nur drei Themen, auf die man sich konzen- trieren sollte: Erstens Kontakte, Freunde und Liebe, zweitens Inhalte und Themen, die einen gefangen nehmen und die man mit Neugier und Faszination verfolgen will und drittens Geld, Status und Macht. Es passen aber immer nur zwei zusam- men.“ Bei Hofstede waren es die ersten beiden Themen. Bärbel Schwertfeger
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