Wirtschaft + Weiterbildung 4/2020

menschen 14 wirtschaft + weiterbildung 04_2020 WISSENSCHAFT. Geert Hofstede, ein berühmter nieder- ländischer Kulturwissenschaftler und Sozialpsychologe, starb am 12. Februar 2020 im Alter von 91 Jahren. Sein Lebenswerk war die Entdeckung und Erforschung von „Kulturdimensionen“: In jedem Land der Welt herrschen unterschiedliche Kulturen und eine global agierende Führungskraft muss darauf Rücksicht nehmen. Geert Hofstede leitete ab 1965 bei IBM Europe die Abteilung „Personalforschung“. Nebenbei promovierte er in Sozialwis- senschaften an der Universität Groningen. Auf seine Anregung hin führte IBM damals eine weltweite Mitarbeiterumfrage zum Zusammenhang von Gehalt, Beschäftigungsdauer und Arbeits- beziehung in mehr als 50 Ländern durch. Seine Idee war es, die Antworten der weltweit 116.000 IBM-Mitarbeiter mithilfe der statistischen Methode, der Faktorenanalyse, nach typischen Antwortmustern auszuwerten. Dabei entdeckte er, dass es keine Rolle spielte, ob der Befragte ein Arbeiter oder Büroangestellter, Mann oder Frau oder ein neuer oder langjähriger Mitarbeiter war. Es spielte jedoch eine Rolle, aus welchem Land er kam. So stieß er auf die Kulturdi- mensionen (also Cluster von Items), die in Land A systema- tisch anders beantwortet wurden als in Land B. Bei genauer Betrachtung der Item-Cluster spiegelten diese auch grundsätz- liche Lebensfragen der jeweiligen Kultur wider. Hofstede war damals so fasziniert von seiner Entdeckung, dass er sich 1971 eine unbezahlte Auszeit nahm und weiter forschte. Von 1971 bis 1973 lehrte er „Organizational Behavior“ an der IMD Business School in Lausanne. Dort wiederholte er seine Umfrage mit internationalen MBA-Studenten und stieß zu sei- ner großen Freude auf dieselben Muster. Von 1973 bis 1979 war er Gastprofessor für Management am INSEAD in Fontai- nebleau bei Paris, das ebenso wie das IMD zu den führenden europäischen Business Schools gehört. Fotos: Martin Pichler Der Entdecker der Kulturdimensionen ist tot Der Verlag Sage Publications veröffentlichte im Jahr 1980 Hof- stedes erstes Buch unter dem einprägsamen Titel „Culture’s Consequences. International Differences in Work-Related Va- lues”. Das Buch stieß auf enorme Resonanz, denn es kam zur richtigen Zeit. Damals begann das Thema Globalisierung ge- rade an Fahrt zu gewinnen und Manager waren immer mehr gefordert, sich mit kulturellen Unterschieden zu beschäftigen. Alles begann mit vier Dimensionen Hofstedes Pionierleistung war es, als Erster mit statistischen Methoden einen vorhandenen Datensatz nach kulturellen Mustern zu untersuchen. „Ohne Geert Hofstede gäbe es heute keine kulturvergleichende Psychologie“, betont Felix Brodbeck, Inhaber des Lehrstuhls Wirtschafts- und Organisationspsycho- logie an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in Mün- chen. „Er war der Nestor und sein Lebenswerk hat auch noch heute Bedeutung, in Wissenschaft und Praxis.“ Zu Beginn be- schrieb Hofstede nur vier elementare Kulturdimensionen, die noch heute als Kompass für internationale Manager dienen. Später kamen noch zwei weitere Dimensionen dazu (siehe Infokasten). Die drei Autoren Geert Hofstede, sein Sohn Gert Jan Hofstede und der Kulturforscher Michael Minkow entdeckten abschlie- ßend noch eine neue, zusätzliche Dimension. Sie beschrieben sie unter der Überschrift „Indulgence versus Restraint“ (Ge- Prof. Dr. Geert Hofstede. Der damals 88-Jährige stellte sich im Jahr 2017 zusammen mit Prof. Dr. Felix Brodbeck in der Ludwig-Maximilians-Universität in München den Fragen von Studenten.

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