Wirtschaft + Weiterbildung 4/2020
aktuell 12 wirtschaft + weiterbildung 04_2020 In einer Welt im Umbruch haben Heilsbotschaften Konjunktur. Viele sind morgen vergessen, aber alle schüren die Hoffnung, dass Menschen mit neuen Methoden immer besser werden. Unter der Motorhaube des Managements allerdings scheitert diese Verheißung an den vielen, die noch nicht reif dafür sind. Und traurigerweise haben meistens die den größten Nachholbedarf, die all das anzetteln: die Manager und Führungskräfte eines Unternehmens. „Die Hierarchien sollen flacher werden? Okay, dann lassen wir die Mitarbeiter einfach ausreden, bevor wir ihre Initiative ersticken.“ „Wir setzen auf situative Expertenführung. Gern, aber unser Veto ist heilig.“ „Competition im Führungsstab? Prima, aber nur, wenn meine Idee um jeden Preis gewinnt.“ „Teambuilding mit ‚therapeutischem‘ Bogenschie- ßen? Nur weil wir zusammen ein paar Pfeile ver- schossen haben, lasse ich mir im Vertrieb von den Marketing-Trockenschwimmern noch lange keine Vorschriften machen.“ Sehen wir dem Management-Tabu ins Auge: Das Ego dominiert die Vernunft. Das gilt natürlich nicht für jeden einzelnen Manager, aber ab 25 Prozent fauler Äpfel wird es gefährlich für den ganzen Korb. Dass schon ein Viertel gleich tickender Menschen ausreicht, um soziale Veränderungen auszulösen, haben Forscher der University of Pennsylvania und der University of London herausgefunden. Dafür genügt, dass die Mehrheit keinen Widerstand leis tet, sich in Fraktionen aufspaltet oder jeder unge- rührt sein Ding macht, solange man ihm seine Ruhe lässt. Natürlich ist das Ego auch etwas Gutes. Es treibt Menschen an, ihrer Mission zu folgen, sich durchzu- setzen und an sich selbst und anderen zu wachsen. Zu leicht jedoch kippt die Ich-Stärke in Ego-Despo- tismus um. Wir fallen anderen ins Wort, um unsere eigenen Ideen zu pushen, schieben unliebsame Jobs auf Schwächere ab und mobben eine Frau aus der Führungscrew, weil sie mit kritischen Fragen den heimlichen Kodex verletzt. Nicht immer geht es dabei bewusst bös artig und berechnend zu. Manager werden in einer Kultur der Konkurrenz sozialisiert, in der es zu wenige Sonnenplätze für zu viele Bewer- ber gibt. Wer sein Ego nicht mit Steroiden füttert, hat kaum eine Chance, wirklich nach oben zu kom- men. Dort angekommen wieder auf Teamplayer zu schalten, ist eine große menschliche Herausforde- rung, weil die Muskeln der Macht immer auch etwas Rauschhaftes haben. Wenn wir das Über-Ego zurück aufs Normalmaß bringen wollen, damit unsere Unternehmen innova- tiver, effizienter und wettbewerbsstärker werden, brauchen wir einen Aufstand der Aufrechten. Denn wer im Management ein Defizit entdeckt, muss es beseitigen. Kollektives Wegschauen, resignie- rendes Schulterzucken und verurteilendes Kopf- schütteln allein sind keine tauglichen Instrumente. Der erste Schritt dazu ist das Eingeständnis: Ja, wir haben ein Ego-Problem und wir brechen das Tabu, darüber zu reden. Der zweite Schritt heißt aufräu- men damit, und zwar konstruktiv, indem wir den anderen zeigen, wie beglückend eine Zusammen- arbeit ist, die auf Augenhöhe, Wertschätzung und dem gemeinsam verdienten Stolz auf Leistung ist. Wenn wir wirklich wollen, sind 25 Prozent schnell beisammen, und es werden immer mehr. Und wir wissen, was uns neben harter Arbeit voranbringt und was nicht. Zu leicht jedoch kippt eine gesunde Ich-Stärke in Ego-Despotismus. „ „ Matthias Kolbusa Gastkommentar Unser Ego dominiert gerne unsere Vernunft Matthias Kolbusa ist Strategie- und Veränderungsexperte mit Sitz in Neustadt-Pelzerhaken. Sein Credo lautet: Nicht Meetings, Planung und Kontrolle bringen uns weiter, sondern Mut, Geschwindigkeit und Umsetzungsstärke. Er fordert mehr Klarheit und Aufrichtigkeit im Miteinander und mehr Konsequenz im Handeln. Sein fünftes Buch „Management beyond Ego“ erscheint im Oktober 2020. www.kolbusa.de
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