Wirtschaft und Weiterbildung 3/2020
62 wirtschaft + weiterbildung 03_2020 Stefanie Hornung hot from the US David Epstein ist ein amerikanischer Wissen- schaftsjournalist, der auf den Spuren von Malcolm Gladwell wandelt und wie dieser schwierige Zusam- menhänge in leicht lesbaren Büchern populär aufbereiten kann. Gladwell hatte einmal behauptet, dass Profis auf einem Gebiet (egal ob Tennisspieler oder Klaviervirtuosen) rund 10.000 Stunden geübt hätten, bis sie Weltniveau erreichten. Bei dieser Betrachtung fiel leider etwas unter den Tisch, dass zum Weltklasseprofi auch noch ein gewisses Talent gehört, das einem in die Wiege gelegt worden sein muss. Wer eine gewisse Zeit braucht, bis er herausgefun- den hat, was - passend zum eigenen, individuellen Talent - die richtige Spezialisierung sein könnte, hat keinen Grund, sich zu grämen. Epstein beschreibt in seinem Buch „Range“ genügend Beispiele, die zei- gen, dass es kein Nachteil ist, wenn man als Gene- ralist ins Leben startet, bevor man sich auf eine Sache festlegt. „Die Eliten bestehen längst nicht aus Menschen, die sich sehr früh auf eine Sache spezialisiert haben“, betont Epstein mit Nachdruck. Viele Profis machten erst eine längere Phase der Selbstfindung und des Experimentierens durch, bevor sie sich entscheiden, was nun eigentlich ihr „Ding“ sei. Top-Performer in Wirtschaft und Wissenschaft, Ausnahmekünstler wie Vincent van Gogh und Profisportler wie Roger Federer oder Tiger Woods werden von Epstein als Beispiele für seine These präsentiert. Epstein: „Generalisten legen später los, dafür sind sie aber meist kreativer und agiler. Sie haben den Blick über den Tellerrand, der Menschen innova- tiver macht.“ Das gilt offenbar auch für sehr breit interessierte Menschen, die ihre Erfahrungen auf ganz unterschiedlichen Gebieten gemacht haben. Wichtig ist nur, dass man im Laufe der Zeit lernt, erfolgreiche Problemlösungswege zu abstrahieren und auf ähnlich gelagerte Situationen in anderen Kontexten zu über- tragen. Die dazu nötigen Lernstrategien erläutert Epstein ausführlich. Gleichzeitig warnt der Autor die Generalisten, sich nicht mit anderen zu vergleichen. Ihre eigenen Umwege würden jeden Vergleich verzerren. Sie sollten sich nur mit der Person vergleichen, die sie früher waren und sich über ihre breiten Erfahrungen und ihren Reifungsprozess durch „mentales Herum- meandern“ freuen. Epstein betont in seinem Bestseller auch, dass an einer Spezialisierung grundsätzlich nichts falsch sei. Er habe das Buch nur deshalb geschrieben, weil in den USA offenbar viele Erziehungsratgeber die Eltern auffordern, ihrem Kind rühzeitig Spezi- alkenntnisse beizubringen, was dem Nachwuchs angeblich viel verschwendete Zeit ersparen soll. Gegen diese „Hyperspezialisierung“ wendet sich Epstein in erster Linie mit seinem Buch – einem eindrucksvollen Plädoyer, wieder mehr Überblick zu wagen und zum Beispiel bei seinen eigenen Kindern auch die Umwege zu fördern! Erfolgsstrategien Als Generalist starten Die freie Journalistin/Reporterin Stefanie Hornung hat sich auf die Themen New Work, Personalmanagement und Diversity spezialisiert. Sie gehörte viele Jahre als Pressesprecherin zum Team der größten deutschen Personalfachmessen „Zukunft Personal“, „Personal Nord“ und „Personal Süd“. Außerdem war sie Chef- redakteurin des Onlineportals „HRM.de “. Mail: s.hornung.ma@gmail.com Foto: Ines Meier David Epstein: Range: Why Generalists Triumph in a Specialized World, Riverhead Books, New York 2019, 339 Seiten, 20 Euro Vergleiche Dich nur mit dem Menschen, der Du gestern warst! „ „
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