Wirtschaft und Weiterbildung 3/2020
training und coaching 48 wirtschaft + weiterbildung 03_2020 Coaching-Erfahrung, ein fachlich fundier- tes Coaching-Konzept sowie eine ethische Grundhaltung. Die Teilnehmer erhielten einen Fragebogen, den sie an ihre Klien- ten zur Bewertung des Coaching-Prozes- ses weiterleiten mussten. Im nächsten Schritt erhielten auch die Coachs einen Fragebogen zur individuellen Beurteilung der erlebten Coaching-Prozesse. „Coachs mit mindestens fünf Prozessbewertungen durch Coachees qualifizierten sich für die weitere Teilnahme an der Auszeichnung für die beste Prozessbewertung“, steht bei Xing. Welches Interesse hat Xing? Während das Interesse der Wissenschaft- ler vor allem den Daten und deren Aus- wertung gilt, ging es für Xing wohl auch darum, seinen angeschlagenen Ruf in Sachen Coaching wieder zu korrigieren. Denn im Jahr 2016 hatte das Karrierenetz- werk in Zusammenarbeit mit dem Maga- zin „Focus“ (beide gehören zum Burda- Konzern) und dem Marktforschungsinsti- tut Statista eine äußerst umstrittene Liste von 500 Top-Coachs veröffentlicht. Dabei gehörten fragwürdige Motivationstrainer ebenso zu den Top-Coachs wie ein um- strittener Esoteriker und ein Flirt-Coach. Für Coachs, die das Top-Siegel nutzen wollten, kassierte Focus damals 5.000 Euro pro Jahr plus Mehrwertsteuer. Das mehr als fragwürdige methodische Vorge- hen hatte insbesondere bei den Coaching- Verbänden für erhebliche Irritationen und massive Kritik gesorgt. Der neue Anlauf sollte Xing daher mehr Seriosität verlei- hen. Aber natürlich ging es Xing auch darum, seine Plattform „Xing Coaches und Trainer“, auf der bereits 45.000 Pro- file gelistet sind, bekannter zu machen und kostenpflichtige Mitgliedschaften zu verkaufen. Ursprünglich sollte das Handelsblatt zu- sammen mit Xing die neue Auszeichnung „Top Business-Coach 2018 mit der besten Prozessbewertung“ verleihen. Als deut- lich wurde, dass der Prozess etwas länger dauern würde, habe sich die Handelsblatt Media Group entschieden, auf die Fort- setzung der Partnerschaft in diesem The- mengebiet zu verzichten – „ganz einfach, weil für die Handelsblatt Media Group mittlerweile andere Themen im Fokus standen“, schreibt Xing. Die nun prämier- ten Coachs können die Auszeichnung kostenfrei für ihre Kommunikation und zu Marketingzwecken verwenden und sich entsprechend auf der „Xing Coaches und Trainer“-Plattform mit einem Badge präsentieren. Allen an der Evaluation aktiv beteiligten Coachs wird außerdem eine Auszeichnung für die Unterstützung der Wissenschaft und der wissenschaftli- chen Überprüfung des eigenen Coaching- Prozesses ausgestellt. Das Problem ist die „Auszeichnung“ Als „Top Business-Coach mit der bes- ten Prozessbewertung“ ausgezeichnet wurden alle 54 Coachs, die die Voraus- setzungen erfüllten und fünf von ihren Klienten ausgefüllte Fragebögen vorlegen konnten. Das lässt sich durchaus als ir- reführend empfinden. Schließlich sugge- riert der Begriff „Auszeichnung“, dass es Ende 2019 war es endlich soweit: Xing prämierte 54 „Top Business-Coachs mit der besten Prozessbewertung“. Die Prä- mierung fand allerdings weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Nicht einmal eine Pressemeldung verschickte Xing. Ein Blick auf die 54 Ausgezeich- neten zeigt, dass sich darunter so gut wie keine der in der Branche bekannten Coachs befinden. Angekündigt wurde die neue Auszeich- nung bereits im Jahr 2018. Grund für die Verzögerung seien technisch-orga- nisatorische Gründe gewesen, erklärt Professor Siegfried Greif vom Institut für wirtschaftspsychologische Forschung und Beratung der Universität Osnabrück. 326 Coachs haben letztlich mitgemacht, denen auswertbare Fragebögen von 1.217 Klienten zugeordnet werden konnten. 172 Coachs hatten hierbei eine und 154 zwei und mehr Prozessbewertungen. Die erforderlichen fünf Klientenbeurteilungen konnten nur 54 Coachs vorweisen. Ausgegangen war die Aktion vor allem von Greif, dessen Hauptanliegen es war, so an Daten zu kommen, um eine wis- senschaftliche Studie über die Wirkfakto- ren im Coaching durchführen zu können. Offizieller wissenschaftlicher Partner war die Abteilung Sozialpsychologie der Uni- versität Salzburg unter Leitung von Pro- fessorin Eva Jonas. Teilnehmen konnte jeder Business-Coach - unabhängig von Verbandsmitgliedschaften oder einem Xing-Profil. Er musste jedoch eine Reihe von Grundvoraussetzungen erfüllen. Dazu gehörte eine Coaching-Ausbildung von mindestens 150 Stunden, eine aktive Tätigkeit als Coach, mindestens drei Jahre Was bringt die Krönung zum „Top Business-Coach“? COACHING-MARKT. Vor Kurzem präsentierte das soziale Netzwerk „Xing“ die 54 „Top Business-Coachs mit der besten Prozessbewertung“. Ausgezeichnet wurden im ersten Anlauf alle Coachs, denen es gelang, fünf ihrer Klienten zum Ausfüllen eines Fragebogens zu bewegen. Ob so wirklich Top-Coachs ermittelt wurden, ist fraglich. Für potenzielle Coaching-Klienten ist der Nutzen der Auszeichnung gering.
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