Wirtschaft und Weiterbildung 3/2020
wirtschaft + weiterbildung 03_2020 35 agile Teams bei der Produktentwicklung zu ihrer vollen Entfaltung. Doch wie gehen agile Teams mit einem Downsizing um? Was geschieht, wenn nicht mehr alle Teams „finanzierbar“ sind? Was, wenn sich ein Team wirt- schaftlich nicht mehr trägt und aufge- löst werden müsste? In solchen Situatio- nen zeigt sich: Selbstorganisierte Teams haben eine natürliche Hemmung, auf den „Selbstzerstörungsknopf“ zu drücken. Grenzen der Agilität In Phasen des Wachstums oder Umbaus ist das auch nicht nötig. In einer Phase von Einsparungen zuweilen wohl. Dann ist es eine typische Aufgabe von Führung, Prioritäten zu setzen und auch unange- nehme Entscheidungen zu treffen zum „Wohl des Ganzen“, aber eben auch mit Konsequenzen für den Einzelnen. In dieser Situation befinden sich zurzeit nicht wenige Unternehmen: Ihre Umsätze und Erträge sowie Auftragseingänge stag- nieren, wenn sie nicht sogar sinken. Also ist eine höhere Finanzdisziplin angesagt. Es muss wieder schärfer gefragt werden: Was ist für den Erfolg des Unternehmens unabdingbar und worauf können wir ver- zichten? Und nicht selten ist ein Cost-Cut- ting bei allen Initiativen, deren Relevanz für den Unternehmenserfolg eher nied- rig ist, angesagt. Selbst das Thema Per- sonalabbau steht bei einer wachsenden Zahl von Unternehmen wieder auf der Agenda. Das heißt, das Topmanagement muss wieder stärker steuern, denn • kein Bereich kürzt eigeninitiativ sein Budget • kein agiles Team beschließt die Selbst- auflösung – zum Beispiel, weil andere Dinge aktuell dringlicher sind. Solche Entscheidungen muss das Top- management treffen, und sie werden von ihm aktuell oft getroffen. Dies führt insbe- sondere in den Unternehmen, die in den zurückliegenden Jahren stark die The- men Agilität forcierten, nicht selten zu Konflikten. Das Topmanagement vieler Unternehmen steckt aktuell in folgendem Dilemma: • Einerseits müssen die Unternehmen in der von rascher Veränderung geprägten Vuka-Welt agiler werden und deshalb mehr Entscheidungsbefugnisse auf die operative Ebene verlagern. • Andererseits müssen vom Management top-down Entscheidungen getroffen werden – unter anderem, um sicher- zustellen, dass sich alle Initiativen im Unternehmen an den gemeinsamen übergeordneten Zielen orientieren und die stets begrenzten Ressourcen effek- tiv genutzt werden. Die Unternehmen müssen sozusagen eine hybride Kultur entwickeln, in der statt eines dogmatischen „Entweder-oder“ ein pragmatisches „Sowohl-als-auch“ gilt, denn anders lassen sich zumindest größere Organisationen in der Vuka-Welt nicht erfolgreich führen. Dieses Bewusst- sein den Mitarbeitern zu vermitteln, ist nicht leicht – auch weil in der Vuka- Welt häufiger sogenannte „schwarze Schwäne“, also unvorhersehbare oder nur schwer vorhersehbare Ereignisse, die Planungen des Topmanagements obsolet machen. Also muss es seine Entscheidun- gen häufiger überdenken und korrigieren. Das vermittelt den Betroffenen oft das Ge- fühl: „Die da oben wissen selbst nicht, wohin die Reise geht.“ Hieraus kann rasch Demotivation resultieren. Eine solche Entwicklung können Unter- nehmen nur mit starken Führungskräf- ten vermeiden, die ihren Mitarbeitern im Arbeitsalltag immer wieder vermitteln, warum gewisse Dinge nötig sind. Max Leichner Veränderungsinitiativen in Richtung „Agi- lität“ haben in der Regel den Charakter von Versuchsballons – auch weil das Top- management oft selbst nicht weiß, wohin die Reise in ihrer Branche mittel- und langfristig geht. Agilität basiert auf der Idee, die Mitarbei- ter auf der operativen Ebene, also dort, wo die Arbeit geschieht, in die Steuerung zu integrieren und in die Verantwortung zu nehmen. Entscheidungen werden somit „bottom-up“ statt „top-down“ ge- troffen. Begriffe wie Eigenverantwortung und Selbstführung zählen in agilen Orga- nisationen zum fundamentalen Gedan- kengut. Damit soll erreicht werden, dass die Teams sich schnell auf Veränderungen einstellen und hierauf reagieren. Führung bekommt in diesem Kontext eine an- dere Bedeutung. Sie entwickelt sich zu einer Begleitung der Teams. Der „Chef“ ist mehr „Coach“ als „Anweiser“. Agile Strukturen entwickeln ihr volles Potenzial in Umgebungen, in denen Neues geschaf- fen werden soll. So kommen zum Beispiel In hybriden Kulturen leben ORGANISATION. Das Topmanagement steht in vielen Unternehmen vor einem Dilemma: Einerseits muss es die Agilität in der Organisation erhöhen, andererseits muss es eine Reihe von Top-down-Entscheidungen treffen, um den künftigen Erfolg zu sichern. Max Leichner arbeitet als Senior Consultant für die Unternehmens beratung Dr. Kraus & Partner in Bruchsal. Er ist auf die Themenfelder Strategieentwick- lung und -umsetzung sowie Change Management spezialisiert. Dr. Kraus & Partner Die Change Berater Werner-von-Siemens-Str. 2-6 76646 Bruchsal Tel. 07251 989034 www.kraus-und-partner.de AUTOR
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