Wirtschaft und Weiterbildung 3/2020
R wirtschaft + weiterbildung 03_2020 25 letztlich nicht nur einen Turnaround, son- dern auch eine Sanierung des Unterneh- mens erfordert. Zwar verursachen ver- einzelt sogenannte „schwarze Schwäne“, also nicht vorhersehbare Ereignisse wie die Finanzkrise 2008 oder der aktuelle Handelsstreit zwischen den USA und China, Existenzkrisen von Unternehmen, dies ist jedoch eher selten. Analysiert man die Ursachen, warum Unternehmen in einer Existenzkrise ste- cken, dann zeigt sich oft folgender typi- sche Verlauf: Aus einer Managementkrise erwuchs eine strategische Krise. Diese führte zu einer Absatz- und Umsatzkrise, die wiederum zu einer Ertrags- und dann Liquiditätskrise führte, die ihrerseits die Existenzkrise auslöste. Exemplarisch lässt sich dieser Verlauf ak- tuell beispielsweise bei vielen Automobil- industrie-Zulieferern beobachten, die in jüngster Zeit einen Personalabbau oder gar eine Insolvenz verkündet haben. Sie machten sich meist in der Vergangenheit nicht nur in einem zu hohen Maße ab- hängig von zwei, drei Schlüsselkunden, sondern auch von bestimmten techni- schen Problemlösungen. Und diese „stra- tegische Krise“ führte wiederum – auch im Gefolge der „Dieselaffäre“ und der ak- tuellen Klimadebatte – zu einer Absatz-, Ertrags- und Liquiditätskrise, die verein- zelt zu einer Existenzkrise wurde. Ähnli- che Prozesse lassen sich im Bankensektor bei den Geldinstituten beobachten, die auf die Niedrigzinspolitik der EZB nach der Finanzkrise und den Strukturwandel im Finanzsektor nicht oder nicht adäquat reagierten. Deshalb sollte in jedem Un- ternehmen ein Alarmsystem existieren, das Problemfelder in der Organisation so frühzeitig signalisiert, dass Existenzkrisen vermieden werden können. Aus Managementkrisen werden Existenzkrisen Befindet sich ein Unternehmen erst ein- mal in einer Existenzkrise, dann ist in der Regel auch seine Liquidität bedroht. Also gilt es diese zunächst wieder herzustel- len, damit das Unternehmen zahlungsfä- hig bleibt und nicht Insolvenz anmelden muss. Das Problem hierbei ist jedoch: Be- findet sich ein Unternehmen erst einmal – beispielsweise, weil sein Geschäftsmo- dell nicht mehr den Marktanforderungen entspricht – in einer Existenzkrise, sind auch die potenziellen Geldgeber wie Banken und Investoren nur noch sehr bedingt bereit, dem betroffenen Unter- nehmen die gewünschten oder erforderli- chen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, denn sie wissen: Die angestrebte Sanierung erfordert nicht nur ihre Zeit; sie wird auch den größten Teil der be- reitgestellten Finanzmittel verschlingen. Ähnlich verhält es sich bei vielen für die Leistungserbringung des Unternehmens strategisch wichtigen Lieferanten und Geschäftspartnern. Sie sind oft nur noch gegen Vorkasse zu einer Zusammenarbeit bereit, sofern ihnen kein in ihren Augen schlüssiges und überzeugendes Konzept vorliegt, wie das Unternehmen wieder in die Erfolgsspur zurückfindet und die Ge- winnzone erreicht. Deshalb ist der erste Schritt zur Sanie- rung eines Unternehmens eine fundierte Analyse, warum das Unternehmen in der Krise steckt. Das heißt, sich konkrete Fra- gen zu stellen wie: Warum werden die Produkte/Problemlösungen des Unter- nehmens nicht mehr nachgefragt? Zum Beispiel, weil sie zu teuer sind? Oder weil sie technisch veraltet sind? Oder weil sie den Kundenanforderungen nicht mehr entsprechen? Oder weil der Service nicht stimmt? Hierauf aufbauend gilt es dann beispielsweise zu ermitteln, warum die Produkte zu teuer sind. Zum Beispiel, weil die Beschaffungskosten des Unter- nehmens zu hoch sind? Oder weil seine Produktionsprozesse ineffizient sind? Oder weil die Kosten-Nutzen-Relation der Problemlösung aus Kundensicht zu nied- rig ist? Oder weil zu viele Zwischenhänd- ler daran mitverdienen? Erst durch dieses konsequente Nach- und Weiterfragen gelangt man zu den ei- gentlichen Problemursachen. Doch dies allein genügt nicht, um nachhaltige Pro- blemlösungen zu entwerfen. Wichtig ist auch, sich zu fragen: Warum wurde das Problem nicht früher erkannt und gelöst? Zum Beispiel, weil ein entsprechendes Alarmsystem fehlt? Oder weil dem Un- ternehmen hierfür die erforderliche Kom- petenz fehlt? Oder weil das Management nicht entscheidungs- und handlungsfähig war und ist? Eine fundierte Analyse der Krisenursachen gelingt Unternehmen in der Regel ohne eine externe Unter- stützung nicht, denn das nachfragende Bohren in der Ist-Situation und der His- torie des Unternehmens, um zu den Pro- blemwurzeln zu gelangen, ist stets ein schmerzhafter Prozess, bei dem auch Fehler und Versäumnisse der Vergan- genheit, über die bisher der Mantel des Schweigens gehüllt wurde, ans Licht ge- zerrt werden – auch Fehler und Versäum- nisse des Managements. Deshalb sind mit der Sanierung eines Un- ternehmens meist auch personelle Wech- sel auf der Managementebene verbun- den, da dem vorhandenen Management oft die nötige Kompetenz fehlt, um – zu- mindest aus Sicht der Investoren – das Unternehmen wieder in die Erfolgsspur zu führen. Ansonsten wäre das Unterneh- Foto: Fanatic Studio / gettyimages.de
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