Wirtschaft und Weiterbildung 3/2020
wirtschaft + weiterbildung 03_2020 21 10. Gibt es unüberbrückbare weltan- schauliche Unterschiede? 11. Gibt es egoistische Partikularinteres- sen? Als Nächstes schildert Claßen ein paar Beispiele, wie in bestimmten Situationen situativ unterschiedlich entschieden wer- den kann. In dem Abschnitt, in dem es um hierarchisch/partizipativ geht, be- fasst sich der Autor auch mit Beispie- len, mit denen er klarmacht, dass ein hierarchisches Vorgehen durchaus auch einmal angemessen ist. In einer akuten Krise (Change for Survival) ist Partizipa- tion zum Beispiel kontraproduktiv, weil dadurch wertvolle Zeit verloren geht. In Situationen, in denen es hart auf hart kommt, ergreift der Change Manager die Initiative und macht sein Ding. Auch gibt es Change-Projekte, bei denen es aus rechtlichen oder taktischen Grün- den angeraten ist, eine breite Beteiligung auszuschließen. Dazu gehören Organisa- tionsthemen wie Reorganisationen und Restrukturierungen, Unternehmensfusi- onen sowie Themen mit Börsenrelevanz. Transparenz ist besonders am Beginn von Wandelvorhaben nicht immer geschickt und es gibt Themen, die ausgesprochen sensibel oder kompliziert sind, beispiels- weise bei Standortverlagerungen. Die Aussage, ein Projekt sei „zu sensibel und zu kompliziert“ dient laut Claßen aller- dings gelegentlich auch als faule Ausrede – frei nach dem Motto: „Habt Vertrauen und lasst uns mal machen!“ Mit Abwie- geln erreicht ein Change Manager aber nur selten sein Ziel. Claßen: „Dann wird es oft peinlich, der eingeforderte Vertrau- ensvorschuss ist weg und es entsteht ein nur noch schwer zu behebendes Glaub- würdigkeitsproblem.“ Persönliche Empfehlungen machen Mut Wenn die Beschreibung eines Span- nungsfelds zu ihrem Ende kommt, gibt Claßen noch persönliche Empfehlungen. In konkreten Fall weist er darauf hin, dass die Intensität der Partizipation im Wirt- schaftsleben deutlich zugenommen hat. Change Management wird zu einer Art politischem Wahlkampf. Diesen gewinnt man zum Beispiel, indem man Betroffene zu Beteiligten macht. „Aber die Hoff- nung, dass Beteiligung auch Zustimmung bringt, ist manchmal naiv“, warnt Cla- ßen. Und immer sollte darauf geachtet werden, dass ein Change-Projekt zeitlich begrenzt wird, weil ein funktionierendes Unternehmen auf verbindliche Entschei- dungen angewiesen ist. Claßen ist sich sicher, dass ein elitäres Topmanagement – ob deutscher Mittel- ständler oder amerikanischer Internetgi- gant – bei seinen Transformationen einen wachsenden Gegenwind spüren wird. Aber er sagt auch voraus, dass ausge- rechnet Autokraten, die organisatorische Kräfte für den nächsten „Moonshot“ bün- deln können, es leichter haben, mit ihren Unternehmen große, innovative Sprünge nach vorn zu machen. „Der völlige Ver- zicht auf hierarchische Kräfte ist eben nicht nur vorteilhaft.“ Beim Spannungsfeld „Anspruch“ geht es um die Frage: „Wie gut soll das Ergebnis einer Transformation sein? Strebt die Or- ganisation das Optimum an (nach dem Mercedes-Motto „Das Beste oder nichts“) oder ist gut bereits gut genug? Die altbe- kannte Empfehlung, sich durchzuwurs teln, wird in der jüngeren Zeit durch die beiden Trends zu „Always beta“ und „Enoughness“ ergänzt. Das nächste Spannungsfeld, das wir hier beispielhaft herausgreifen, zerfällt also in die Pole „perfekt“ und „gut genug“. Für „perfekt“ oder auch „exzellent“ spricht, dass in den Märkten die Mess- latte Tag für Tag ein Stück höher gelegt wird. Erfolge im Business erfordern stän- dige Höchstleistungen. Die heutige Per- fektion wird morgen bereits zum Stan- dard geschrumpft sein. Außerdem führt Die 15 wesentlichen Spannungsfelder im Change Management Balance. Change Manager bewegen sich mit ihren Entscheidungen zwischen zwei Polen. Der Berater Martin Claßen hat aufgrund seiner langjährigen Erfahrung folgende Spannungsfelder identifiziert: Quelle: 2019 Martin Claßen – www.people-consulting.de 01. Vorgehen/Format 02. Bezugsgruppen 03. Ansatz/Haltung 04. Beweglichkeit 05. Umfang/Weite 06. Sorgfalt/Tiefgang 07. Vielfalt/Breite 08. Geschwindigkeit 09. Wagemut 10. Anspruch/Niveau 11. Entscheidungen 12. Begründungen 13. Offenheit 14. Kommunikation 15. Methoden/Tools disruptiv (Change-Projekt) wertschöpfend (Shareholder) mechanisch agil umfassend wesentlich vereinheitlicht schnell zuversichtlich perfekt (Maximizing) hierarchisch quantitativ (rational) vertraulich digital (Hightech) traditionell (Oldie but Goldie) evolutionär (ständige Veränderung) wertschätzend (Stakeholder) systemisch bürokratisch fokussiert ganzheitlich maßgeschneidert behutsam vorsichtig gut genug (Satisficing) partizipativ qualitativ (emotional) freimütig persönlich (High Touch) innovativ (New Work) R
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