Wirtschaft und Weiterbildung 3/2020

titelthema 20 wirtschaft + weiterbildung 03_2020 04. Er ist weder zu risikofreudig noch zu ehrgeizig und hat stattdessen Bodenhaftung. 05. Er hat mikropolitisches Durch- setzungsvermögen und das nötige Machtbewusstsein. 06. Er arbeitet mit Energie und Hingabe und zeigt große Leistungsbereitschaft. R schließlich weiß schon der Volksmund: „Gut Ding will Weile haben“. Eine wich- tige Frage ist in diesem Zusammenhang, ob überhaupt genügend Ressourcen vor- handen sind, um schnell sein zu können. Ganz anders sieht die Sache aus, wenn mit dem Change-Prozess eine existen- zielle Krise behoben werden muss und Schnelligkeit Wettbewerbsvorteile bringt. Hierarchisch oder besser partizipativ? Wie im Buch die 15 Spannungsfelder ver- tieft werden, sei hier anhand der Frage beschrieben, wie im Change Entschei- dungen getroffen werden. Die Pole hei- ßen „hierarchisch“ und „partizipativ“. Zuerst stellt Claßen die Argumente vor, die für eine vollständige Ausrichtung auf einen bestimmten Pol sprechen. Folgende Argumente werben für ein hie­ rarchisches Vorgehen: Entscheidungen werden von jenen getroffen, die die Ver- antwortung tragen und für die Ergebnisse geradestehen müssen. Diese Haltung gilt derzeit zwar nicht als besonders populär, aber eine Hierarchie hat zwei wesentliche Funktionen: Erstens die Beschleunigung und Verbindlichkeit von Entscheidungs- prozessen und zweitens die Entlastung aller Nichtentscheider von der Verantwor- tung. Und außerdem bietet die Hierarchie jedem, der sich im Sinne seines Arbeit- gebers anstrengt, eine gute Chance zum persönlichen Aufstieg. Folgendes spricht für ein partizipatives Vorgehen: Vielen Konzepten aus der Fir- menspitze fehlt die Bodenhaftung, was sich spätestens bei der Implementierung der Konzepte zeigt. Das in den Unterneh- men an vielen Stellen vorhandene Know- how sollte deshalb durch die Mitwirkung der vielen gezielter ausgeschöpft wer- den, um tragfähige Lösungen zu finden. Dieses Mitwirken erhöht zugleich die Identifikation. Es ist falsch, dass Orga- nisationen durch eine breite Beteiligung entscheidungsunfähig würden. Basis­ demokratische Abstimmungen im Kon- text eines Wirtschaftsunternehmens kön- nen funktionieren. Also: Ohne die kollek- tive Intelligenz sämtlicher Mitarbeiter in einem Unternehmen gibt es wohl keine Innovationen mehr. Leitfragen erleichtern Positio- nierung zwischen den Polen Nachdem die Pole klar sind, gibt Claßen seinen Lesern „Leitfragen“ an die Hand. So werden sie angeleitet, sich zu über- legen, wie sehr es Sinn macht, sich in einem konkreten Prozess dem einen oder dem anderen Pol zuzuneigen. Die Leitfra- gen in Sachen hierarchisch/partizipativ lauten: 1. Benötigt die Veränderung Entschei- dungen „von oben“? 2. Ist die Veränderung hinsichtlich ihrer Ziele und Wege alternativlos? 3. Geht es um eine Veränderung, von der zunächst nicht alle erfahren sollen? 4. Können Sachzwänge und weitere sen- sible Aspekte verständlich dargestellt werden? 5. Wie dominant ist das Autoritäts-Gen im Topmanagement? 6. Wie bedeutsam ist die Entscheidung für den Change Leader? 7. Wie bedeutsam ist die Entscheidung für wichtige Stakeholder? 8. Befindet sich das Veränderungsprojekt in einer Schwächephase? 9. Wie reif ist die Organisation für eine breite Partizipation? Der Satz „Es kommt darauf an“ kann Martin Claßen in Rage bringen. Und trotz- dem hat der diesen Satz zum Leitspruch seines neuesten Buchs („Spannungsfelder im Change Management“) gemacht. Die vier Worte „Es kommt darauf an“ regen ihn nur auf, wenn sie als billige Floskel von Leuten gebraucht werden, die keine Ideen haben und die sich vor klaren Emp- fehlungen drücken, wenn sie darum ge- beten werden. Für Claßen hat der Satz eine ganz an- dere Bedeutung. Der Freiburger Change- Berater hat eine sehr genaue Vorstel- lung davon, wie man Change-Prozesse erfolgreich durchführt. Seine Botschaft: Jeder Change ist anders! Es gibt kein Re- zept, das man aus der Schublade ziehen könnte. Das optimale Vorgehen eines Change Managers wird vom jeweiligen Kontext bestimmt. Also: „Es kommt da- rauf an!“ Die Aufforderung zur situativen Anpassung ist laut Claßen der wichtigste Rat für alle, die Veränderungsprojekte lei- ten. Zum Glück füllt er den Spruch „Es kommt darauf an“ (alternativ: Es hängt davon ab“) mit Substanz. Aufgrund sei- ner 30-jährigen Erfahrung hat er 15 Span- nungsfelder definiert, innerhalb derer sich ein Change Manager bewusst posi- tionieren muss, wenn er keinen Schiff- bruch erleiden will. „Es kommt darauf an“ – das Denken in Spannungsfeldern Ein Spannungsfeld ist zum Beispiel die „Geschwindigkeit“, mit der ein Change über die Bühne gezogen werden soll. Es gibt die beiden Pole „schnell“ und „behutsam“ und es macht keinen Sinn, Schnelligkeit voreilig zum Dogma für Change Manager zu erheben, denn

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