Wirtschaft und Weiterbildung 11/12 2020
training und coaching 44 wirtschaft + weiterbildung 11/12_2020 mokrat Bernie Sanders zum „verrückten Professor“. Diese abwertenden Begriffe erzeugen Bil- der im Kopf der Zuhörer, die sich auch mit den besten Argumenten nicht mehr vertreiben lassen – eine überaus wirk- same Manipulation, wie die wissenschaft- liche Zeitschrift „Columbia Journalism Review 2019“ bei einer Analyse herausge- funden hat. Die Frage, ob „crooked“ Hil- lary Clinton betrügerisch ist oder nicht, stellt sich gar nicht mehr. Der Vorwurf kommt als Fakt bei den Zuhörern an und wird nicht hinterfragt. Diese Spitznamen bedienen den kindlichen Wunsch, „aus einer komplizierten Welt einfach eine leicht verdauliche Moralgeschichte zu machen“. Politiktheoretisch mag das un- ehrenhaft sein und für den Intellekt von Akademikern beleidigend. Doch leider, leider funktioniert es. Die meisten Journalisten tragen noch zur Verbreitung der Spitznamen bei – selbst wenn sie diese nur als amüsanten Beleg für Trumps Irrsinn einsetzen. Sie gehen dem Präsidenten auf den Leim. Trump schafft es, dass wir seine Gegner so wahr- nehmen, wie er es sich wünscht. Sie wer- den in sein Deutungsraster eingebettet. Das reduziert komplexe Informationen oder blendet sie komplett aus. So geht Framing in Perfektion. Bilder im Kopf Egal wie man zu Trump steht, man muss sich klarmachen, dass er die Weltöffent- lichkeit und auch einen selbst manipu- liert. Von all seinen Techniken der Kör- perhaltung, dem immer gleichen Look, seinen Lügen und Drohungen ist dabei der Einsatz seiner Sprache die zentrale. Er pflegt einen eigenen, unverwechselbaren Tonfall, auf den seine Gegner lange keine Antwort gefunden haben. Die Trump- Sprache erkennen Sie sofort, wenn Sie sie hören. Ein eigenes Vokabular und eine unverwechselbare Sprache tragen auf jeden Fall dazu bei, in einem Wettbewerb den Unterschied zu machen – das gilt für die große Politik ebenso wie für die Wirt- schaft und unseren Alltag. Eine einzigartige Sprache, die zu Ihnen als Person passt, macht Sie unverwechselbar, unterhaltsam und interessant. Sprechen Sie vor allem ungeschliffen und offen he- raus, daran ist in Zeiten politischer Kor- rektheit niemand mehr gewöhnt und die Effekte sind – siehe Trump – ziemlich be- eindruckend. Die Leute werden sich noch lange an Sie erinnern, auch wenn Sie die Party schon verlassen haben. Orientieren Sie sich weniger daran, was Ihnen Intel- lektuelle empfehlen, sondern halten Sie sich an die Praktiker. Verkaufen Sie sich, und verkaufen Sie sich authentisch. Seien Sie nah dran an der Alltagssprache und sprechen Sie vor allem in der Muttersprache der Men- schen, die Sie erreichen und für sich ge- winnen wollen. Vermeiden Sie kompli- zierte Fachbegriffe, außer Sie streben eine wissenschaftliche Karriere an. „Dem Volk aufs Maul schauen“ – Luthers Erfolgs- rezept für eine wirkungsvolle Sprache hat auch nach über fünfhundert Jahren nichts von seiner Gültigkeit verloren. Sebastian Callies R Gute und schlechte Manipulation In seinem Buch analysiert Callies nicht nur Donald Trump. Er zeigt, dass Visionare wie Elon Musk auch erfolgreich sein können, indem sie uns mit ihren fantastischen Marchen in die Zukunft entfuhren, um so Vertrauen fur ihre Visionen zu erzeugen. Außerdem kann auch das Schweigen ein Mus- ter sein, um wirksam die eigene Macht zu demonstrieren. Angela Merkel hat es uns jahrelang vorgemacht. Vielleicht Kommunikation. Was sind die unterschiedlichen Kommunikationsmuster großer Meinungsmacher? Wie gelingt es ihnen, die öffentliche Wahrnehmung zu prägen? ist dies eines der wirkungsvollsten und unterschatztesten Kommunikationsmuster uberhaupt. Enorme Wirkung haben auch Influencer wie Rezo und Bibi Claßen, die sich uber eigene Kanale an ihr Publikum wenden und dabei schonungslos personliche Einblicke geben, die eine Art soziale Beziehung zu ihren Followern begrunden. Und von dem Investor und TV-Star Frank Thelen kann man laut Cal- lies lernen, wie man bezogen auf ein Fachgebiet seine Kom- petenz prasentiert. Letztlich geht es dem Autor darum, dem Leser Mut zu machen, selbst zu einem Meinungsmacher mit Deutungs- hoheit zu werden. Fazit: Das wird aber nur dann gelingen, wenn man sich als Person aktiv inszeniert und dann auch dauerhaft am Ball bleibt. Macht und Einfluss sind den Mei- nungsmachern nicht zugefallen, sie haben sich diese Dinge durch ihre aktive Selbstdarstellung erarbeitet. Dieses offentliche Spiel mit dem eigenen Ich kann auf der Basis der beschriebenen Muster unglaubliche Geschichten und kraftvolle Biografien hervorbringen. Buchtipp. Sebastian Callies: „Deutungshoheit – Die Muster der Meinungsmacher“, Verlag Business Village, Göttingen 2020, 192 Seiten, 24,95 Euro.
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