Wirtschaft und Weiterbildung 11/12 2020

training und coaching 42 wirtschaft + weiterbildung 11/12_2020 werden Sie sich empört fragen, wie ich überhaupt auf die Idee komme, Trump derartige Qualitäten zuzuschreiben. Las- sen Sie uns versuchen, die politischen Ansichten ebenso beiseitezuschieben wie die Aversion gegenüber der Person Trump. Trumps Worte hauen die Leute aus dem Sessel Trump verkauft seine Botschaften meis- terlich. Einfach, direkt, offensiv. Mit so- genannten Punchlines, die seine Wähler aus dem Werbefernsehen kennen. Er hat seine Präsidentschaft zu einem andau- ernden Wahlkampf und einer Entertain- mentshow gemacht. Trump feuert seine Tweets ab und daheim und in den Redak- tionen haut es die Leute aus dem Sessel. Trump sagt über Washingtons Politiker: „Sie sind dumm. Nicht böse, aber dumm. Sie haben keine Ahnung.“ Über seine Mauer meint er: „Wir müssen mit dem Bau einer Mauer anfangen. Einer großen, schönen, mächtigen Mauer. Keiner baut Mauern besser als ich, glauben Sie mir.“ Das sind treffsichere Slogans, die im Ohr bleiben wie der Refrain eines aggressiven Rapsongs. Skurril in der Ausdrucksweise, deutlich im Tonfall, punktgenau in der Formulierung – wenn auch grammatika- lisch oft schief. Auch in den täglichen Debatten nutzt Trump die gleiche simple Wortwahl und den stakkatohaften Sprachstil. Wie bei einer Werbekampagne – dauernde Wie- derholungen inklusive. Trumps Sprache mag extrem sein, aber sie ist auch in der amerikanischen Politik kein Einzelfall. Noch im 19. Jahrhundert drückten sich die Politiker sehr analytisch aus. Seit etwa 100 Jahren argumentieren sie zunehmend flacher, dafür aber immer selbstbewuss- ter. „Ein Intellektueller ist ein Mann, der mehr Worte verwendet als nötig, um mehr zu sagen, als er weiß“, sagte einmal der US-Präsident Dwight D. Eisenhower. Die französische Linguistin Bérengère Viennot hat Trumps Sprache eingehend untersucht und kam zu dem wenig Die traditionellen Medien dies- und jen- seits des Atlantiks fanden nach Donald Trumps Wahl zum 45. Präsident der Ver- einigten Staaten im Januar 2017 folgende Erklärungen für den Irrsinn, der sich da vor ihren Augen abspielte: … die Demokraten hätten sich die neo- liberale Handelspolitik der Republika- ner zu eigen gemacht und die Arbeiter vergessen. Diese seien dann Trumps Populismus erlegen. … Trump habe eine weiße Identitätspoli- tik generiert, die weiße Wähler mobi- lisiert habe. … Hillary Clinton sei einfach zu roboter- haft und unbeliebt gewesen. … das Wahlmännersystem der USA sei unfair und überholt. Diese Begründungen werden in unter- schiedlichen Varianten auch heute noch immer wieder gerne wiederholt. Mir sind sie alle zu fadenscheinig, zu ideologisch und letztlich nicht beweisbar. Aus meiner Sicht gibt es einen anderen beobachtba- ren Grund, warum Donald Trump es an die Spitze der USA geschafft hat: Er war einfach der bessere Kandidat – dank sei- ner Sprache. Damit meine ich keinesfalls, was er sagt, sei irgendwie klug, sondern wie er sich ausdrückt, ist leider ausge- sprochen wirkungsvoll. Moment, denken Sie, dieser hirnlose Tölpel, der in seinem Buchregal nur ein Buch stehen hat (sein eigenes), der bei seinem Besuch in Pearl Harbor nichts über die Bedeutung dieses Ortes für Ame- rika wusste, der keine Ahnung hat, wo Indien liegt, nur Fernsehen glotzt, noch dazu pausenlos lügt und charakterlich für das Amt völlig ungeeignet ist. Vermutlich Wie Donald Trumps Rhetorik- Muster funktionieren ANALYSE. Der am 3. November 2020 zur Wiederwahl stehende US-Präsident Donald Trump hat sich den Ruf eines echten „Enfant terrible“ erarbeitet. Mit einfacher Sprache und abwertenden Sprüchen hat er die Deutungshoheit übernommen. Politischen Gegnern und den Medien verschlägt es die Sprache. Sebastian Callies hat Trumps Rhetorik-Muster analysiert. Foto: Melissa Sue Gerrits / Freier Fotograf / gettyimages.de

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