Wirtschaft und Weiterbildung 11/12 2020
training und coaching 36 wirtschaft + weiterbildung 11/12_2020 jeden Abend nach der Arbeit ein bis zwei Stunden gelernt. „Ich sehe jetzt in be- triebswirtschaftlicher Hinsicht besser den Gesamtkontext und kann Diskussionen mit dem Einkauf oder der Finanzabtei- lung ganz anders führen, weil ich deren Sichtweise besser verstehe“, berichtet sie. Dass Präsenzangebote trotz ausgefeilter Onlinemethodik dennoch einen Vorteil bringen, hat man auch bei Quantic er- kannt. Im Jahr 2019 wurde das Angebot mit einwöchigen Konferenzen in Dublin, Washington und Singapur angereichert, wo sich die Studenten persönlich treffen, gemeinsam Workshops besuchen und Fallstudien bearbeiten konnten. Sobald es die Corona-Pandemie erlaubt, soll es diese Präsenzangebote erneut geben. In- zwischen umfasst das Quantic-Netzwerk mehr als 7.000 Studenten und Absolven- ten und es wächst offenbar rasant. Allein von Januar bis Juli schrieben sich 2.300 Teilnehmer beim Executive MBA ein und mehr als 1.000 beim MBA. Bis August gab es mehr als 30.000 Bewerbungen. Bis Ende des Jahres rechnet man mit mehr als 70.000. Beflügelt wird die Nachfrage dabei auch durch die wichtige nationale Akkreditierung von Quantic durch die „Distance Education Accrediting Com- mission“ Anfang 2020. Akkreditierung nur hinderlich? Ganz anders sehen das Thema „Akkre- ditierung“ die Spanier Rafael G. Corral, Borja Adanero und Hugo Arévalo. Sie gründeten 2017 „The Power MBA“ mit Sitz in Newark im US-Bundesstaat De- laware. Man hält eine Akkreditierung, deren Ziel die Sicherstellung von be- stimmten Qualitätskriterien ist, für sinn- los. „Wir aktualisieren unser Programm ständig und eine Akkreditierung würde uns da stark behindern“, erklärt Rebecca Römer, Projektmanagerin für die interna- tionale Expansion bei „The Power MBA“. Fehlende Aktualität sei auch der Grund dafür, warum MBA-Programme „in den meisten Fällen“ bezüglich ihrer Inhalte „bedauerlicherweise stark hinter der Zeit herhinkten“. Auch von akademischen Kriterien bei der Auswahl der Inhalte hält man nichts. „Wir konzentrieren uns auf die Dinge, die jetzt gerade in der Realität Wirkung auf die Business-Welt haben“, schreibt Römer. Akademisch fundierte Programme würden nur Theorien und Konzepte un- terrichten, die vor Jahren funktioniert hätten, aber heute irrelevant seien. Dass es beim akademischen Ansatz auch darum geht, empirisch abgesicherte The- orien kennenzulernen, um alte und neue Geschäftsmodelle entsprechend einord- nen zu können, lässt man als Argument nicht gelten. „The Power MBA“ fokus- siert sich auf Start-ups und will das un- mittelbare „Lernen von Gründern“ wie den Chefs von Tesla, Airbnb, Netflix oder dem Cirque du Soleil ermöglichen. Man sei die erste echte Alternative zu einem MBA – schließlich biete man global und auf Englisch an. Das Programm umfasst rund 70 Stunden, aufgeteilt in 15-minü- tige Videohäppchen, die bis zu 250 „Mic- rolearnings“ enthalten. Unterrichtet wird vor allem von Praktikern aus der Start-up- Szene, die (manchmal recht unreflektiert) über ihre eigenen Erfolge sprechen oder Experten wie zum Beispiel den Marke- ting-Guru Eric Ries. Der MBA-Anbieter „The Power MBA“ investiert offenbar sehr viel Geld in sei- nen Marketingauftritt. Wer sich infor- mieren will, muss seine Daten angeben und wird mit E-Mails überschüttet. Ge- worben wurde mit Zitaten und den Logos renommierter Medien wie der FAZ, dem Handelsblatt und der Süddeutschen Zeitung (Beispiel: „The Power MBA: Bildungsinnovation für den deutschen Markt“ – Süddeutsche Zeitung). Die Zi- tate stammten jedoch aus Advertorials (also bezahlten Artikeln) und nicht aus journalistischen Artikeln, was wohl kaum ein angehender Student realisiert haben dürfte. Die meisten glaubten wohl, die Aussagen stammten aus redaktionellen Artikeln der Medien. Man habe das in Deutschland zunächst genauso gehand- habt wie in Großbritannien und Kanada. Als man dann darauf hingewiesen wor- den sei, dass Deutschland anderen Nor- men folge, habe man die Links zu den Zeitungen sofort von der Webseite ge- nommen, schreibt Römer. Eifriges Marketing soll helfen, schnell einen hohen Bekanntheitsgrad zu errei- chen. „Unser Netzwerk umfasst Zehn- tausende Teilnehmer weltweit, die aus allen Bereichen des Lebens und allen Fachbereichen kommen, vom Restaurant- besitzer bis zum globalen Head of Marke- ting in einem großen Multinational, vom 24-Jährigen, der von seiner eigenen Firma träumt, bis zum 58-Jährigen, der sein R The Power MBA. Die Videobotschaften von erfolgreichen Gründern sollen motivieren und Know-how vermitteln. Quantic. Der Anbieter wirbt mit ausgefeilten Online-Lernmethoden, wissenschaftlichen Inhalten und einer Akkreditierung.
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==