Wirtschaft und Weiterbildung 11-12/2019

grundls grundgesetz Boris Grundl 64 wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019 Die richtige Einstellung zu entwickeln, ist das zen- trale Weiterbildungsthema der Zukunft. Ob wir es Mindset, Haltung, Motivation oder Engagement nennen, ändert nichts an dieser Notwendigkeit. Noch nie waren wir mental so krank. Deshalb geht es in Zukunft um drei entscheidende Punkte: Erfolg, Erfüllung und mentale Gesundheit. Früher ging es nur um Erfolg. Egal wie. Dass es auch Erfül- lung braucht, zeigt die aktuelle Sinndebatte. Und schmerzlich spüren wir, dass mentale Gesundheit ebenso wichtig geworden ist. Heute erleben wir zwei verschiedene Weiter- bildungsansätze. Die einen bearbeiten unser „Betriebssystem“: die grundlegende Software, auf der diverse Anwendungen laufen. Die anderen zie- len auf die Apps: ein bestimmtes Programm für ein bestimmtes Thema. Auf einem veralteten Betriebs- system laufen selbst die besten Anwendungen schleppend oder gar nicht. Das Betriebssystem spiegelt die Einstellung, die Apps das Wissen. Unser Problem ist: Während Menschen denken, an ihrer Einstellung zu arbeiten, fummeln sie lediglich an ihren Apps herum. Hinsichtlich der Macht der Verdrängung hat mir der bekannte Kriminalpsychologe Dr. Thomas Müller die Augen geöffnet. Im Verlauf einer gemeinsamen Roadshow in Sachen Sicherheit und Mindset einer Bank fanden wir Zeit für tolle Gespräche. Einmal bat er mich um meine Einschätzung, warum Familien- mitglieder einen Missbrauch über Jahrzehnte nicht mitbekommen oder warum die komplette Nach- barschaft nicht mitkriegt, dass im nahegelegenen Keller verdächtige Dinge passieren. Seine eigenen Worte dazu gehen mir nicht mehr aus dem Kopf: „Unterschätzen Sie nie die Macht der Verdrängung!“ Die Macht der Verdrängung peinigt auch die Wei- terbildung. Besonders sichtbar wird das in der Unterscheidung von Bestätigung versus Wachstum. Bestätigung zielt darauf, das eigene Selbst zu stär- ken. Verständlich und wichtig! Deswegen möchten Menschen anderen gegenüber recht haben oder verlangen nach Beförderung. Wachstum hingegen hat das Ziel, das eigene Selbst infrage zu stellen – eine Kehrtwende um 180 Grad. Das Problem: Wachstum ist geistig extrem anstrengend. Sich selbst zu hinterfragen, verlangt großen Mut. Deshalb besuchen die meisten Fortbildungen nur, um sich zu bestätigen. Ein tief sitzendes Motiv, wenn das Selbst noch nicht stark genug ist. Nur die wenigsten erkennen das, weil es in ihrem Selbstbild Schwäche bedeuten würde. Weil sie innerlich noch schwach sind, verdrängen sie diese Realität mit einem Bild der Stärke. Sie glauben, ihr Weiterbil- dungsmotiv wäre Wachstum, suchen in den Inhalten aber primär Bestätigung. Doch in der mangelnden Konsequenz bei der Umsetzung wird ihr wahres Motiv erkennbar. Wie sieht die Lösung aus? Machen Sie ande- ren deren tief sitzende Motive bewusst. Mit viel Respekt und Verständnis. Ohne moralische Anklage und Besserwisserei. Danach zeigen Sie Lösungen für den nächsten Wachstumsschritt auf. Denn es sind die verdrängten Themen, deren Transformation uns am schnellsten nach vorne bringt. Seien Sie der Unbequeme, der Unbequemes sichtbar werden lässt. Das ist es, was Menschen und Unternehmen in Zukunft brauchen. Und das ist die Daseinsbe- rechtigung für die Champion-Trainer der Zukunft. Ich hoffe von Herzen, dass Sie diesen Mut aufbringen. Paragraf 80 Unterschätze nie die Macht der Verdrängung! Boris Grundl ist Managementtrainer und Inhaber der Grundl Leadership Akademie, die Unternehmen befähigt, ihrer Führungsverantwortung gerecht zu werden. Er gilt bei Managern und Medien als „der Menschenentwickler“ (Süddeutsche Zeitung). Sein jüngstes Buch heißt „Verstehen heißt nicht einverstanden sein“ (Econ Verlag, Oktober 2017). Boris Grundl zeigt, wie wir uns von oberflächlichem Schwarz-Weiß-Denken verabschieden. Wie wir lernen, klug hinzuhören, differenzierter zu bewerten, die Perspektiven zu wechseln und unsere Sicht zu erweitern. www.borisgrundl.de Seien Sie der Unbequeme, der Unbequemes sichtbar werden lässt. Die Menschen brauchen das. „ „

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