Wirtschaft und Weiterbildung 11-12/2019
messen und kongresse 52 wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019 zu Wissenschaftlern, die ihm alle nur er- klärten: „Das funktioniert nicht“. Schließ- lich fand ein Forscher doch eine Lösung. Im Jahr 2002 startete Shazam. Doch es fehlte ein passender Vertriebs- kanal. So konnte man die Songs anfangs mittels Anrufs einer Kurzwahlnummer abfragen und bekam das Ergebnis per SMS mitgeteilt. Dafür fielen Kosten an. Der große Durchbruch kam erst mit dem Apple Store. Und im Jahr 2017 kaufte Apple den Musikerkennungsdienst für angeblich 400 Millionen Dollar. So hart wie damals möchte er nicht mehr arbei- ten, plant aber dennoch ein neues Start- up, so Barton. Das Erfinden eines neuen Produkts, sei einfach sehr erfüllend. Das neue Produkt soll im Lifestyle-Bereich angesiedelt sein, eine Mission haben und nur einen kleinen Markt bedienen. Dafür brauche er jedoch Investoren, die nicht nur auf Größe und Skalierung setzten, sondern den Impact schätzten. Mehr ver- riet er noch nicht. Einen erschreckenden Blick auf die dunk- len Seiten der Technologie bot Aza Ras- kin vom Center for Humane Technology, einer im Jahr 2018 von früheren Inves- toren und Mitarbeitern von Facebook und Google gegründeten, gemeinnützi- gen Organisation, die die „Herabstufung des Menschen“ und die „digitale Auf- merksamkeitskrise“ umkehren will. Das wahre Problem der Menschheit sei die Kombination von steinzeitlichen Emoti- onen, mittelalterlichen Institutionen und göttlichen Technologien. „Wir werten die Menschheit ab und die Technologie auf“, so der ehemalige Designer von Firefox. „Die großen Tech-Konzerne tun alles, um uns süchtig nach Aufmerksamkeit zu ma- chen.“ Inzwischen verbrächten wir ein Viertel unseres Lebens in künstlichen sozialen Systemen. Über eine Milliarde Stunden würden täglich Youtube-Videos ange- schaut. 70 Prozent der Videos würden über den Empfehlungsalgorithmus aus- gewählt, der die Nutzer möglichst lange auf Youtube halten solle. Die Folgen seien verheerend. Wenn ein Mädchen im Jahr 2018 ein Diätvideo anschaute, empfahl ihm der Youtube-Algorithmus Videos über Magersucht, weil diese die Aufmerk- samkeit des Mädchens länger fesselten. Wer ein Video über die Mondlandung anschaut, bekommt eine Empfehlung zu Videos über die Verschwörungstheorie, dass die Erde eine Scheibe ist. Laut einer Umfrage von YouGov gab ein Drittel der Millennials 2018 an, dass sie nicht total davon überzeugt seien, dass die Erde eine Kugel sei. „Wenn Algorithmen dafür sorgen, dass sich abstruse Verschwö- rungstheorien rasant verbreiten, ist das ein politischer Akt“, warnte Raskin und beklagte die eklatante Informations asymmetrie: „Facebook weiß mehr über dich als dein Anwalt, Arzt und Therapeut zusammen. Aber Facebook handelt nicht in deinem Sinn.“ Dass sich die Tech-Giganten reichlich wenig um die Kritik ihrer Nutzer scheren, zeigte der Vortrag von David Limp, dem Boss von Amazons Alexa. Im April 2019 wurde bekannt, dass Amazon die Sprach- befehle von Alexa-Nutzern aufzeichnet und von Mitarbeitern niederschreiben und analysieren lässt. Die Nutzer hatte der Konzern darüber nicht informiert. Das sei nicht optimal gelaufen, gestand Limp. Das bezog er jedoch nicht auf die Praxis des Mithörens, der Amazon- manager sah das Problem auch bei den Nutzern. Dass sie das Mithören aktiv einschalten statt ausschalten können, sei für Amazon keine Lösung, weil Alexa sich mit menschlicher Hilfe extrem ver- bessere. So dauere es nicht mehr lange, bis die Systeme richtige Gespräche füh- ren können. Die größte Herausforderung dabei sei das Erkennen des Kontextes. Zudem arbeite man daran, der Stimme das Zeigen von Gefühlen beizubringen. Dann könne Alexa zum Beispiel erken- nen, wenn der Nutzer frustriert ist, weil sie ihm den falschen Song spielt. Auch Meinungen soll Alexa künftig äußern können. Ziemlich wirr war der Auftritt des Schau- spielers Hans Sigl, bekannt aus der Serie der Bergdoktor, zu dem Thema „Finde dein inneres Kind, um deine wahre Lei- denschaft als Unternehmer zu finden“. Neben ein paar Kabaretteinlagen machte sich der 50-Jährige, der wohl auch das Bits & Pretzels-Team beraten hatte, über Coachs lustig. „Du bist großartig und du bist der Einzige, der das weiß“, behaup- tete Sigl. „Du brauchst keinen Coach, du brauchst dich selbst. Du selbst kennst jede Antwort, aber du hörst nicht zu.“ Auf einer eigenen „Negotiation Stage“ präsentierte das Schranner Negotiation Institute Vorträge zum Thema verhan- deln. Matthias Schranner, ehemals bei der bayerischen Polizei und angeblich beim FBI ausgebildet, ist heute ein bei Unter- nehmen gefragter Berater. „Der größte Fehler ist es, einen Konflikt zu vermei- den“, behauptete Schranner. „Es braucht einen Konflikt, um eine Verhandlung zu starten.“ Statt sich also um die Ver- schlechterung der Beziehung zu sorgen, sollte man immer zuerst seine Forderung auf den Tisch legen. Keine offenen Fragen (sehr gefährlich), niemals Warum-Fragen (noch gefährlicher, weil sie mit Schuld und der Vergangenheit verbunden sind) und nie dem anderen sagen, dass er nicht recht hat (besser: Wir beide wissen, dass das unrealistisch ist). Schranner empfiehlt, ein Team aus einem professionellen Negotiator und Com- R Gruppenfoto. Den drei Bits & Bretzels- Gründern gelang es, Ex-US-Präsident Barack Obama als Speaker zu gewinnen. Foto: Dan Taylor / Bits & Pretzels
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