Wirtschaft und Weiterbildung 11-12/2019

R wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019 47 Axel Ebert. Nichts ärgert den Psychologen mehr als Märchen über Feen und Zwerge, die von einer großen Bühne herunter als Wahrheit verkauft werden. knallhart aufzeigt, dass das Ganze wirk- lich Blödsinn ist. Genau das haben Sie mit Ihrem Buch gemacht. Wie war denn die Reaktion? Ebert: Positiver, als ich gedacht hatte. Viele fanden es interessant und es gab re- lativ wenig Reaktanz. Wenn man genau erklärt und belegt, warum etwas nicht stimmt und wo das eigentliche Missver- ständnis liegt, gibt es nur selten jeman- den, der sagt: So ein Quatsch, das glaube ich nicht. Der Vertreter eines NLP-Insti- tuts hat das Buch als Forschungs-Bullshit bezeichnet und erklärt: Auch wenn die Forschung eine Geschichte nicht belege, könne er sie in seinen Trainings sehr wohl erzählen und die Teilnehmer profitierten davon. Das würde ich dann als sinnvollen Unsinn bezeichnen. Etwas funktioniert, weil es die Teilnehmer inspiriert und so was wie einen Placeboeffekt erzeugt. Aber da sollte man sich natürlich auch immer fragen, welche Risiken und Ne- benwirkungen das hat. Zum Beispiel? Ebert: Dieser Mythos, dass unser Unter- bewusstsein angeblich keine Negationen verarbeiten kann und daher alles positiv formuliert werden sollte. Doch negativen Worten haften weder Unterbewusstseins- Tarnkappen noch selbsterfüllende Magie an. Sie sind funktionelle Sprachwerk- zeuge, die wir für eine wirkungsvolle Kommunikation brauchen. Aber der Mythos passt eben wunderbar in das Weltbild des positiven Denkens, das mit positiven Glaubenssätzen unser Hirn po- sitiv umprogrammieren will. Im Positive Thinking wird zudem auch oft behauptet, dass jede negative Aussage eine negative Realität zur Folge hat. Damit untergräbt man natürlich auch jede gesunde Skep- sis. Sobald jemand irgendetwas hinter- fragt oder negativ beurteilt, wird ihm un- terstellt, dass er damit die Welt negativ macht. Bei einem Vortrag erklärte mir ein in Österreich bekannter Speaker ein- mal: Wir brauchen keine Zahnärzte, wir brauchen Leuchttürme. Doch genau diese Zahnärzte braucht die Branche dringend. Menschen, die nachbohren und auch mal den Müll wegräumen. Leuchttürme, vor allem irrlichternde Leuchttürme, haben wir bereits genug. Gerade die Positive Psychologie beruft sich aber auch auf die Wissenschaft ... Ebert: Dass sich der Psychologe Martin Seligman auf die Salutogenese fokussiert hat, als Gegenbewegung zum Fokus auf das Negative, ist ja durchaus richtig. Das Problem ist, dass viele dabei über das Ziel hinausschießen und versuchen, alles nur noch unter diesem Aspekt zu beurteilen. Schon allein die Fokussierung aufs Posi- tive birgt stets die Gefahr einer Verzer- rung. In der Wirtschaft geht es letztlich immer darum, Ergebnisse zu erzielen. Wenn Vertreter der Positiven Psycholo- gie daher behaupten, nur die Teams, die positiv miteinander umgehen, sind er- folgreich, stimmt das schlicht nicht. Da muss man sich nur zum Beispiel Ama- zon anschauen, wo sich nach Meetings die Teilnehmenden gegenseitig mit dem 5-Sterne-System bewerten und schlechte Bewertungen Konsequenzen haben. Trotzdem ist Amazon äußerst erfolgreich. Das muss man einfach realisieren und nicht alles gleich in die Waschmaschine mit dem Weichspüler des positiven Den- kens stecken. Heute muss jeder co-kreativ sein, alles muss postheroisch sein und wahnsinnig nett ablaufen. Natürlich ist das angenehm, aber es gibt auch andere Kriterien für erfolgreiche Unternehmens- kultur. Eine Ihrer Bullshit-Geschichten ist die „Euphemismus-Tretmühle“, die alles nur noch schlimmer macht? Ebert: Ja, das ist eines meiner Lieb- lingsthemen. Dabei verwendet man zum Beispiel statt dem negativen Wort „Problem“ nur noch das Wort „Heraus- forderung“. Doch mit der Zeit wird das genauso negativ und man verliert einen Alternativbegriff. Oder das vermeintlich positive Wort „freisetzen“ statt „entlas- sen“. Das wirkt inzwischen oftmals sogar noch negativer als das Wort „entlassen“. Natürlich gibt es auch Beispiele, wo po- sitive Namen etwas Positives bewirken, aber eben nur dort, wo die Gesellschaft sowieso schon in der Richtung unterwegs ist. Worte allein können das nicht. Wenn Foto: Thomas Wozak „Es gibt nur wenige Plattformen im Internet, wo Forschungswissen so aufbereitet wird.“

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