Wirtschaft und Weiterbildung 11-12/2019
training und coaching 46 wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019 Dazu gehört zum Beispiel der angebliche Kreativitätsturbo „Brainstorming“, das inzwischen erwiesenermaßen nicht die beste Methode zur Lösungsfindung ist. Sie behaupten, wenn Trainer und Speaker solche Bullshit-Geschichten erzählen, sind das keine Lügen. Was ist denn der Unterschied? Ebert: Nach der Definition des Prince- ton-Philosophen Harry G. Frankfurt ist es den Menschen beim Bullshit egal, ob eine Geschichte wahr ist oder nicht. Sie interessieren sich nicht dafür und recher- chieren auch nicht. Wichtig ist für sie nur, dass die Geschichte ihrem Ziel dient oder ihren Standpunkt unterstützt. Das kann man sehr gut bei Donald Trump beob- achten. Ihn interessiert nur, dass er mit seinen Behauptungen durchkommt, egal wie falsch sie sind. Diesen Aspekt hat man früher zu wenig berücksichtigt. Da hieß es meist, wenn etwas falsch ist, hat derjenige gelogen. Aber wenn ich lüge, weiß ich, dass ich etwas Falsches erzähle. Bullshit-Geschichten werden dagegen oft unreflektiert übernommen, weil sie eben gut passen. Als Trainer habe ich früher selbst auch so manche Geschichte er- zählt, die ich so im Vorbeigehen mitge- nommen hatte, ohne darüber nachzuden- ken, ob das überhaupt stimmt. Erst als ich angefangen habe, die Geschichten für das Buch aufzuschreiben, ist es mir oft wie Schuppen von den Augen gefallen, dass manches einfach Blödsinn ist. Immer mehr Trainer sind heute auch als Speaker tätig, die ihre Zuhörer mit tollen Geschichten fesseln müssen. Nimmt damit nicht automatisch auch der Bullshit zu? Ebert: Das ist sicher etwas, das dem Speaker-Markt inhärent ist und den Bullshit stark fördert. Speaker brauchen unglaubliche Geschichten und müssen die Leute verblüffen. Da ist es oft zweit- rangig, ob es dafür auch eine reale Basis gibt. Das merkt man daran, wenn Spea- ker von ihren persönlichen Erlebnissen erzählen und man dieselbe Geschichte aber schon mal im anderen Kontext ge- hört hat. Schließlich wird ihnen in den Trainings oft gepredigt, dass persönliche Stories besser wirken. Da bleibt natürlich schon der schale Nachgeschmack, dass sie andere damit auch gezielt in die Irre führen. Wer sein Geld und seine Zeit für ein Seminar oder einen Vortrag opfert, hat es verdient, die Wahrheit zu erfahren – auch wenn damit so manche Geschichte nicht mehr ganz so unglaublich ist. Etwas mehr Realismus wäre daher gut. Aber das passiert eben nicht von allein. Dazu braucht es einen Anstoß von außen, der In Ihrem Buch „Bullshit Busters“ haben Sie 21 unwahre Geschichten gesammelt, die in Seminaren und auf Kongressen gerne erzählt werden, weil sie sich gut anhören. Wie sind Sie bei der Auswahl vorgegangen? Axel Ebert: Wir haben die Geschichten in drei Kategorien aufgeteilt. Die erste Kate- gorie sind Taschenspielertricks, Erfindun- gen und Mythen, bei denen man eigent- lich ahnt, dass auch der Verbreiter weiß, dass das nicht stimmt, es aber trotzdem erzählt. Dem haben wir sieben Geschich- ten zugeordnet. Ein Beispiel ist der über- natürliche Feuerläufer, der sich angeblich dank übersinnlicher Geisteskraft keine Verbrennungen zuzieht. Dann gibt es sie- ben Beispiele zu überholten Annahmen. So hat man zum Beispiel früher wirklich einmal geglaubt, dass Rationalität in der linken Gehirnhälfte sitzt, Emotionalität in der rechten. Das ist inzwischen längst widerlegt. Bei der dritten Kategorie gibt es im Kern etwas Wahres, aber die Art, wie es behauptet wird, ist völlig überzogen. Wenn Trainer „Bullshit“ erzählen TRAIN-THE-TRAINER. Ob Trainer oder Speaker, sie alle nutzen gern eindrucksvolle und verblüffende Geschichten, um ihre Botschaft zu untermauern. Doch viele dieser Geschichten sind schlicht Bullshit, weil sie grundsätzlich völlig falsch sind oder auf längst widerlegten Annahmen basieren. Der Diplom-Psychologe und Trainer Axel Ebert hat sich intensiv mit den zahlreichen Irrtümern und Mythen beschäftigt.
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