Wirtschaft und Weiterbildung 11-12/2019

titelthema 20 wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019 04. das Gefühl, besser zu sein als all die anderen da draußen 05. die Überzeugung, an einer wichtigen Sache mitzuarbeiten 06. intrinsische Belohnung muss individuell angepasst werden R und Organisationsberatern darüber, wie sich die neuesten Forschungsergebnisse der Hirnforschung auf das Business und insbesondere das Change Management anwenden lassen. Roth, der seit 1976 Professor für Ver- haltensphysiologie am Institut für Hirn- forschung der Universität Bremen ist, wandte sich zuerst einmal gegen den „veralteten Gen-Determinismus“ und gleichzeitig auch gegen einen naiven „Veränderungsoptimismus“, der von einer lebenslangen gleichmäßigen Verän- derbarkeit des Menschen auch in seinen tieferen Persönlichkeitsschichten aus- gehe. Beides sei wissenschaftlich nicht vertretbar. Es habe sich noch nicht überall herum- gesprochen, dass die Gene in Sachen Psyche und Persönlichkeit zwar einen gewissen Einfluss hätten. „Aber die Gene wirken nur sehr unspezifisch.“ Auf die In- telligenz hätten zum Beispiel rund 2.000 Gene Einfluss. Deutlich mehr zu bestim- men haben laut Roth die „epigenetischen Kontrollfaktoren“. Das seien Faktoren, die das Zusammenspiel der Gene – quasi auf einer Metaebene – regelten. Einen bislang viel zu unterschätzten Einfluss auf die Ausbildung einer Persönlichkeit hätten dagegen vor- und nachgeburtliche Um- welteinflüsse sowie die „vorgeburtlichen hormonalen Einflüsse des Körpers und Gehirns der werdenden Mutter“ auf das Gehirn des ungeborenen Kindes (beson- ders bei starkem Stress). Außerdem gibt es laut Biologie noch „nachgeburtlich- frühkindliche“ Einflussfaktoren (Bindung zu den Eltern) und einen gewissen Ein- fluss in der späteren Kindheit. Temperament angeboren Roth erklärte: „All diese Faktoren fördern oder hemmen sich auf komplexe Weise gegenseitig und nehmen teils gleichzeitig und teils nacheinander Einfluss auf die Entwicklung der Persönlichkeit. Die vor- „Nur wenn man sich große Mühe gibt, kann man als Erwachsener sein Verhal- ten noch ändern“, sagt der Neurobio- loge Prof. Dr. Dr. Gerhard Roth. Je tiefer die Veränderung „in die Persönlichkeit hinein“ reiche, desto schwerer werde es und desto sinnvoller sei es, sich von einem gut ausgebildeten Coach helfen zu lassen. Unternehmen, die versuchten, das Ver- halten ihrer Mitarbeiter zum Beispiel im Rahmen eines Change-Prozesses zu verändern, sollten wissen, dass eine Ver- änderung der Mitarbeiter nur über eine Belohnung zu haben sei. „Die Aufgabe der Führungskräfte ist es dann, auf ihre Mitarbeiter zuzugehen und nach indivi- duellen Motivationsknöpfen zu suchen“, so Roth, der bereits im Jahr 2007 ein bahnbrechendes Buch unter dem Titel „Persönlichkeit, Entscheidung und Ver- halten: Warum es so schwierig ist, sich und andere zu ändern“ auf den Markt ge- bracht hat. Die 13. Auflage dieses Buchs, die im Februar 2019 herauskam, war be- reits im Sommer ausverkauft. Am 26. Ok- tober 2019 erschien jetzt die vollständig überarbeitete 14. Auflage mit dem geän- derten Titel „Warum es so schwierig ist, sich und andere zu ändern: Persönlich- keit, Entscheidung und Verhalten“. Gene wirken sehr unspezifisch Wie der Zufall so spielt: Ausgerechnet am 26. Oktober trat Roth als Keynote Spea- ker auf dem „Institutstag“ des Hephaistos Coaching-Zentrums München (Instituts- leiter: Klaus Eidenschink) auf und sprach zum Thema „Möglichkeiten und Grenzen der Veränderbarkeit des Menschen aus neurowissenschaftlicher Sicht“. Anschlie- ßend diskutierte er mit rund 150 Coachs Gerhard Roth. Der Neurobiologe warnt vor dem überholten Gen-Determinis- mus genauso wie vor naiver Verände- rungsgläubigkeit. Foto: Pichler

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==