Wirtschaft und Weiterbildung 11-12/2019

wirtschaft + weiterbildung 11/12_2019 17 produzieren, können wir dies nur über einen billigeren Preis absetzen und dies ist in einem Hochlohnland tödlich. Deshalb müssen wir innovative Produkte produzieren, die eben das Billiglohnland nicht herstellt und somit heißt Wachstum für mich, dass wir Produkte die das Billiglohnland auch herstellt auch rechtzeitig aufgeben und dafür neue innovative Produkte oben ansetzen. Sie würden auf den Ausbau Ihrer Fertigung verzichten? Grupp: Wir erweitern seit Jahren unsere Kapazitäten nicht mehr, sondern setzen ausschließlich auf Innovation, Qualität und Schnelligkeit. Mit Liefermöglichkeiten binnen 48 Stunden sind wir unseren Mitbewerbern im billigen Ausland jederzeit überlegen. In Burladingen, dem Sitz Ihres Unternehmens, gab es einmal 26 Textilfabriken. Nur Trigema hat überlebt. Sie haben sich erfolgreich einem ruinösen Preisdruck widersetzt. Was haben Sie anders gemacht? Grupp: Die Kaufhaus- und Versandhauskönige wie Karstadt, Hertie, Horten, Quelle oder Neckermann haben im Prinzip ver- sagt und waren verantwortlich für den Niedergang der textilen Produktion in unserem Heimatland. Sie haben den Wandel der Zeit nicht erkannt und meinten durch billigere Preise im Ein- kauf bestehen zu können. Ich musste als Produzent den Mut haben, zu diesen Preisfor- derungen „Nein“ zu sagen und habe die Kaufhäuser als er- ster verloren und damit war ich gezwungen neue Kunden zu suchen. Meine Kollegen haben „Ja“ gesagt zu den billigeren Preisen – und sind dann mit diesen Kaufhaus- und Versand- hauskönigen am Schluss untergegangen. Ich musste mir neue Kunden suchen und kam damit zu den SB-Warenhäusern und später zu den Discountern. Sie haben Aldi beliefert!? Grupp: Aldi war stets ein Top-Kunde! Als aber Aldi nach Jahren auf Hausmarken umstellen wollte und gleichzeitig eine starke Preisreduktion forderte, musste ich erkennen, dass ich in einer bedarfsgedeckten Wirtschaft auch ein Teil der Handelsfunktion in eigene Hände übernehmen muss, um nicht in totale Abhän- gigkeit der letzten Großkunden zu kommen. Was bedeutete das für Trigema? Grupp: Die Firma Hugo Boss war ein großes Vorbild für mich. Das Factory-Outlet in Metzingen war schon damals sehr be- kannt. Ich musste erkennen, dass ich über den Fabrikverkauf ein Teil der Handelsfunktion übernehmen kann und muss. Mit Ihren Testgeschäften haben Sie dann den Fabrikverkauf neu erfunden ... Grupp: Ich habe den Fabrikverkauf nicht neu erfunden, son- dern ihn nur ausgeweitet und ihn, weil mir der Name Fabrik- verkauf zu simpel war, umbenannt in „Testgeschäfte“. Mit die- sen Geschäften konnte ich auch sehr schnell erkennen, was besser oder schlechter lief und danach die Produktion ausrich- ten, deshalb auch der Name „Testgeschäft“. An solch einem Plan kann man sich aber auch sehr leicht verheben ... Grupp: Selbstverständlich haben wir nicht wahllos Geschäfte eröffnet, sondern wir sind bewusst in Urlaubsorte gegangen wo aus allen Städten Deutschlands Urlauber kamen und konn- ten somit mit wenigen Geschäften die Bundesbürger aus allen Regionen Deutschlands erreichen. Und dann erblühte auch noch der Onlinehandel. Hat der Sie nicht kalt erwischt? Grupp: Im Gegenteil. Der Online-Handel war für uns eine Rie- senchance! Zunächst konnte ich die Kaufhauskönige durch unsere Testgeschäfte ersetzen und jetzt konnte ich auch die Versandhauskönige durch den Online-Handel ersetzen. Heute verkaufen wir 15 Prozent unserer Produktion bereits über On- line und 50 Prozent über unsere Testgeschäfte. Die restlichen 35 Prozent verteilen sich auf Kunden aller Art – wie Industrie oder Handel. Anders als viele Unternehmer mischen Sie sich in die politische Debatte ein. Früher rockten Sie jede Talkshow. Wie kam und kommt das eigentlich bei den Unternehmerkollegen an? Grupp: Ein bekannter Politiker hat mir mal in Stuttgart gesagt, dass er mich bei den Unternehmern im Lande nicht selten ver- teidigen würde. Ich habe ihm entgegnet, ich weiß, dass ich nicht nur lauter Freunde habe! Hat es Sie je in die Politik gezogen? Grupp: Sicher nicht. Ich kann nur einem Herren dienen und dies ist meine Firma Trigema. Hilft Ihnen Ihre Religiosität, ein erfolgreicher Unternehmer zu sein? Grupp: Ich bin katholisch erzogen worden und weiß dadurch auch, dass ich mich in meinem Leben so verhalten muss, dass ich mich jederzeit nach meinem Leben rechtfertigen kann, für das, was ich getan habe. Zudem muss man auch wissen, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen und deshalb sollte man nicht überheblich werden, wenn man auch einmal Erfolg hat. Man sollte stets auch ein bisschen Demut zeigen und auch einmal Danke sagen, wenn es einem gut geht. Interview: Jo Berlien Buchtipp. Erik Lindner: „Wirtschaft braucht Anstand: Der Un- ternehmer Wolfgang Grupp“, Verlag Hoffmann und Campe, München 2010, 240 Seiten, 20,00 Euro. Für das „Managerma- gazin“ war Grupp ein bekennender Wertkonservativer, für das „Handelsblatt“ der erfolgreiche Exzentriker unter den Mittel- ständlern. Und Harald Schmidt nannte ihn einmal „die nackte Kanone unter den deutschen Unternehmern“. Erik Lindner beschreibt in seinem Buch ausführlich das Geschäftsmodell von Grupp und zeigt die Erfolgsfaktoren auf. Außerdem porträ- tiert er Grupp als Rufer in der Wüste. Grupp fordert schließlich Anstand und die Abkehr vom Shareholder-Value-Denken. Ein lesenswertes Buch über einen Vorzeigeunternehmer.

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