wirtschaft und weiterbildung 9/2019

wirtschaft + weiterbildung 09_2019 39 auf, um meine Aufgabe bestmöglich er- ledigen zu können. Das hat natürlich wiederum mit Demut zu tun und mit der Einsicht, dass ich nicht alles allein kann. Insgesamt kommen wir so auf elf Kom- petenzen. Zum Teil hängen diese eng mit der Persönlichkeit zusammen und die lässt sich nur schwer verändern ... Jordan: Da haben Sie recht. Wir verspre- chen auch nicht, dass wir die Führungs- kräfte ändern. Wir geben ihnen Metho- den und Werkzeuge, um Veränderungen schneller anzugehen und umzusetzen. Einer der besten Wege, damit anzufan- gen, ist die Selbstwahrnehmung. Deshalb holen alle Teilnehmer vor dem Kurs ein 360-Grad-Feedback ein, das aus Rückmel- dungen von Kollegen, Mitarbeitern und Kunden besteht. Die Ergebnisse bespre- chen sie danach mit einem individuellen Coach. Da geht es dann darum: Was sind meine Stärken und Schwächen? Was be- deutet das für mich? Was kann ich gut, was andere nicht so gut können? Was auch sehr effektiv ist, um Anpassungs- fähigkeit und Demut zu entwickeln, ist Reverse Mentoring und Shadow-Board- Programme. Wir fordern die Führungs- kräfte daher auf, von anderen zu lernen, die zum Beispiel jünger sind und einen anderen Standpunkt haben. Das müssen nicht nur Millennials sein. Gibt es Führungskräfte, die von ihrer Persönlichkeit her weniger gut für digitales Leadership geeignet sind oder das einfach nicht können? Jordan: Ich würde nie sagen, dass sie es nicht können, aber sie werden mehr damit kämpfen. Das ist wie in vielen Be- reichen eine Kombination von harter Ar- beit und Talent. Es gibt Tennisspieler, die ein großes Talent haben, aber sich nicht genügend anstrengen und trainieren und deswegen keine guten Spieler werden. Andere haben weniger Talent, aber den Antrieb, hart zu arbeiten und zu lernen, und werden erfolgreich. Kommt es vor, dass jemand nach dem Kurs „Jetzt weiß ich, dass ich absolut nicht der richtige Führungstyp bin“ sagt? Jordan: Das habe ich noch nie gehört. Es gibt eher die Befürchtung vor dem Kurs, dass die Teilnehmer meinen, nicht die richtigen Leader zu sein oder einfach zu alt zu sein. Wir versuchen, den Teil- nehmern möglichst viele reale Beispiele von Managern zu geben, die auch kei- nen technischen Hintergrund haben und heute zum Beispiel erfolgreich mit künst- licher Intelligenz arbeiten. Es ist ja eine der Kernkompetenzen zu erkennen, was man kann und was nicht und wie man sich ein unterstützendes Netzwerk auf- baut, um seine eigenen Schwächen zu kompensieren. Wie reagieren Manager, wenn sie erfah- ren, dass ihre traditionellen Führungs- kompetenzen nicht mehr gefragt sind? Jordan: Wenn wir unser Modell vorstel- len, sind manche Führungskräfte ver- stört und sagen: Alles was ich bisher in meiner Karriere aufgebaut habe, ist jetzt nicht mehr relevant. Aber das ist völlig falsch. Man darf die alte Welt nicht ver- gessen. Diese Kompetenzen braucht man noch immer in bestimmten Situationen. Manchmal muss man eben sagen, wo es langgeht, weil man einfach mehr Wissen hat. Und manchmal muss man sich auch auf seine Intuition verlassen und nicht auf Daten setzen. Entscheidend ist daher, ob ich in der Lage bin, zwischen den bei- den Welten zu wechseln. Welchen Tipp haben Sie für HRler? Jordan: Ich würde jedem HR-Verantwort- lichen dringend empfehlen, sich das Lea- dership-Kompetenz-Modell seines Unter- nehmens genau anzuschauen. Wie gut passen die Belohnungsmechanismen mit den neuen Kompetenzen überein? Was sind die KPIs? Welche Art von Kompe- tenzen wird gefördert? Sind das eher die Kompetenzen der alten Welt wie Perfek- tion und Wissen statt schneller Ausfüh- rung und Demut? Wenn das nicht passt, wird es keine schnellen und nachhaltigen Veränderungen geben. Interview: Bärbel Schwertfeger Jennifer Jordan. Sie ist Sozialpsychologin und Professorin für Leadership and Orga- nizational Behaviour an der IMD Business School in Lausanne. Ihre Forschungs- schwerpunkte sind digital Leadership, Ethik, Einfluss und Macht. Sie hat einen Master in Philosophie und einen Master of Science in Psychologie sowie ihren Doktortitel in Psychologie an der Yale Uni- versität erworben. Sie lehrte an der University Groningen in den Niederlanden und war Post-Doctoral Fellow an der Kellogg School of Management und der Tuck School of Business in den USA sowie Gastwissenschaftlerin am Max Planck Institute for Human Development in Berlin. Wer ist Professor Jennifer Jordan?

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