wirtschaft und weiterbildung 9/2019
personal- und organisationsentwicklung 30 wirtschaft + weiterbildung 09_2019 Smile hat für die Dauer des Projekts zwei Faktoren aus dem System Personalent- wicklung ausgeblendet: Zum einen die Kosten, zum anderen die Hoheit des Un- ternehmens über die Entwicklung ihrer Mitarbeiter. Schon die Teilnehmersuche gestaltete sich schwieriger als gedacht. Nicht alle Bewerber erhielten die Freigabe von ihrem Arbeitgeber, an dem Projekt teil- zunehmen. Manche Unternehmen waren aufgrund ihrer internen Abläufe nicht schnell genug in der Lage, den Mitar- beitern grünes Licht für Smile zu geben. „Dabei mag auch die Sorge eine Rolle ge- spielt haben, dass Aufwand und Nutzen für den Betrieb bei einer vom Mitarbei- ter frei wählbaren Weiterbildung nicht in einem günstigen Verhältnis stehen wür- den“, sagt Torsten Bittlingmaier, Head- coach des Projekts. Diese Befürchtung habe sich jedoch nicht bewahrheitet: „Bei der Seminarauswahl gingen die Teilneh- mer insgesamt sehr besonnen vor und bedachten dabei auch den Nutzen für das eigene Unternehmen. Die Selbstwirksam- keit war für viele Teilnehmer besonders hoch, da sie die Weiterbildungen auf eige- nen Antrieb ausgewählt hatten.“ Für die Teilnehmer des „Experiments“ war die Auswahl der Seminare und Trai- nings eine große Herausforderung. Wer eine berufliche Weiterbildung bucht, weiß für gewöhnlich meist vorab, in wel- che Richtung es gehen soll. Die Smile-Ler- ner konnten hingegen völlig frei agieren – auch hinsichtlich der Kosten. „Bei man- chen zeigte sich, wie stark wir erlebte Be- schränkungen verinnerlichen – und wie schwer es ist, diese von heute auf morgen abzulegen: Fast alle buchten anfangs nur sehr zögerlich die ersten Kurse“, erinnert sich Bittlingmaier. Es habe die Bekräfti- gung durch das Projektteam und die Coa- ches gebraucht, damit nach einigen Mo- naten die Buchungen gut anliefen. Das Zeit-Dilemma Den Initiatoren war klar, wenn Weiterbil- dung als Extrameile on top zum Tagesge- schäft kommt, kann das Vorhaben nicht gelingen: Der Name „Smile“ ist abgelei- tet von „smart mile“. „Doch wenn Geld oder inhaltliche Vorgaben keine Rolle spielen, zeigt sich umso deutlicher die limitierende Wirkung des Faktors Zeit“, hat Bittlingmaier beobachtet. Im expe- rimentellen Setting von Smile wurde of- fensichtlich, wie viele Erwartungen und Verpflichtungen Menschen heute unter einen Hut bringen müssen. Egal ob je- mand in einem festen Arbeitsverhältnis steht oder freiberuflich unterwegs ist – die Zeit reicht eigentlich nie aus. Leben und Arbeit in Einklang zu bringen, ist für viele Berufstätige mit Kindern oder pfle- gebedürftigen Angehörigen nur möglich, wenn sie familiäre Hilfe bekommen oder sich professionelle Unterstützung leisten können. Die Väter und Mütter im Projekt hatten die größten Schwierigkeiten, zwi- schen Arbeit, Kindern und Weiterbildung zu priorisieren und Termine für ihre Ent- wicklung einzuplanen. Man könnte meinen, dass Lerner in Situ- ationen zeitlicher Engpässe E-Learnings und weitere Online-Weiterbildungsan- gebote bevorzugen. Diese können sie flexibler nutzen und jederzeit in ihren Arbeitsalltag integrieren. Doch parado- xerweise offenbarte sich im Smile-Projekt eine andere Tendenz: „Wer im Alltag wenig Zeit und Freiraum für Weiterbil- Die Haufe Akademie will die Entwick- lung von Menschen und Organisationen erleichtern. Der Weg weg vom reinen Anbieter von Seminaren, Trainings und Qualifizierungsprogrammen hin zum Entwicklungserleichterer – dieses große Vorhaben war den Beschäftigten der Aka- demie theoretisch klar. „Aber mit unse- rem Leistungsangebot ist die Zahl der Kunden, Partner und Mitarbeiter stetig gestiegen – und ebenso nahm die Arbeits- teilung zu. Der Blick fürs Ganze ging vie- len von uns verloren“, berichtet Mario Kestler. Der Geschäftsführer der Haufe Akademie beobachtete, dass viele der rund 320 Mit- arbeiter Erreichtes nur noch auf der Be- reichsebene feierten. Die nutzenstiftende Wirkung von Erfolgen für das Gesamtun- ternehmen geriet dabei aus dem Blick- feld. Der immer stärker kennzahlengetrie- benen Organisation drohte ein kollektives Motivationstief. Die Kunden blieben an- onym, das Verhältnis zu ihnen lose. „Die Start-up-Atmosphäre der Anfangsjahre war durch den Erfolg verloren gegangen. Unser Know-how wurde immer größer, unser Know-why immer kleiner.“ Experimentieren ist Umlernen Auf der Suche nach einer Möglichkeit, das Markenversprechen des Unterneh- mens samt Sinn für die Gesellschaft neu erlebbar zu machen, reifte die Idee für das Projekt „Smile“: Die Haufe Akademie wollte persönliche Entwicklungsgeschich- ten von 15 Menschen über zwei Jahre begleiten und in gemeinsamen Treffen, einem Film und einem Buch festhalten. Was passiert, wenn Menschen Weiter- bildung ohne Grenzen nutzen könnten? Weiterbildung als Geschenk PE-EXPERIMENT. 15 Menschen bekamen zwei Jahre unbegrenzten Zugang zum Angebot der Haufe Akademie und ein persönliches Coaching geschenkt – das steckte hinter dem Projekt „Smile“. Nicht nur die Initiatoren der Akademie haben dabei viel über ihre Arbeit erfahren. Jeder Personalentwickler kann aus diesem Experiment etwas für seine konzeptionelle Arbeit lernen.
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