wirtschaft und weiterbildung 9/2019

personal- und organisationsentwicklung 28 wirtschaft + weiterbildung 09_2019 ware bewährt hat, lässt sich diese nicht eins zu eins auf alle Branchen und Unter- nehmensbereiche übertragen. Bliebe als letztes Prinzip das iterative, schrittweise Vorgehen, bei dem bei kom- plexen Projekten in den Prozess Reflexi- onsschleifen eingebaut sind, um aus den bereits gesammelten Erfahrungen einige Schlüsse für das weitere Vorgehen zu ziehen. Auch dieses ist nicht neu! Wozu dienten denn in der Vergangenheit die Meilensteine in Projekten? Iteratives Vorgehen ist wirklich nicht neu Ähnlich verhielt es sich im B2B-Vertrieb, wenn ein Vertriebsteam nicht selten in monate-, teils sogar jahrelanger mühsa- mer Kleinarbeit beispielsweise versuchte, eine Maschinenanlage zu verkaufen. Dann waren in diesen Prozess selbstver- ständlich Reflexionsschleifen eingebaut, in denen sich die Mitglieder des Vertriebs­ teams zum Beispiel fragten: Welche neuen Informationen und Erkenntnisse haben wir bei unserem jüngsten Meeting mit dem Buying-Team auf der Kunden- seite gewonnen? Was heißt dies für unser weiteres strategisches und taktisches Vor- gehen? Und, und, und. Ein Vertriebsteam beziehungsweise ein Vertriebsleiter, der dies mit seinem Team nicht tat, war schlicht unfähig ... und gewiss auch nicht sehr erfolgreich. Weil es solche Vertriebsleiter oder Füh- rungskräfte vereinzelt noch gibt, allen Führungskräften indirekt zu unterstellen, ihr Mindset und ihr Führungsverhalten seien antiquiert, um die Notwendigkeit eines agilen Changes zu propagieren, ist arrogant. Es ist zudem kontraproduktiv. Denn wie auch die „Agilen Evangelisten“ zu Recht betonen, ist das Steigern der Agilität eines Unternehmens nur mit den betroffenen Mitarbeitern möglich. Also müssen diese als Mitstreiter gewonnen werden. Dies gelingt in der Regel nicht, indem man zu ihnen sagt: „Ihr habt bis- her alles falsch gemacht und euer Mind- set muss sich radikal verändern.“ Man sollte besser im Gespräch mit der Füh- rungskraft oder dem Projektmanager • ihre bereits vorhandenen zielführenden Verhaltensweisen loben und verstär- ken, • sie dazu motivieren und inspirieren, ihre nicht zielführenden Einstellungen und Verhaltensmuster zu überdenken. Zusätzlich sollte man als Berater den erforderlichen Rahmen schaffen lassen, sodass die Betroffenen zielführende Ver- haltensweisen zeigen (können). Doch wie sollten Unternehmen nun vor- gehen, die erwägen, in weiten Teilen ihrer Organisation agile Methoden einzufüh- ren? In der Regel befassen sich Unterneh- men mit diesem Thema erst, nachdem sie in ihrer Organisation bereits in ein, zwei Bereichen – zum Beispiel in der IT oder der Forschung & Entwicklung – positive Erfahrungen mit dieser Arbeitsweise gesammelt haben. Das ist gut so! Denn dann existieren schon Mitarbeiter, die ihren Kollegen von ihren Erfahrungen mit den agilen Methoden berichten und ihnen erzählen können, warum eine Be- schäftigung mit diesen auch für die ande- ren Bereiche oder gar die gesamte Organi- sation sinnvoll sein könnte. Bei agiler Skalierung differenziert vorgehen Besteht diese Ausgangssituation kann das Thema „Agile Skalierung“ in Angriff genommen werden. Ein erster Schritt in diese Richtung kann es sein, Workshops mit den Entscheidern aus den betroffenen Bereichen durchzuführen. Diese können wie folgt konzipiert sein: Zunächst erläu- tern Vertreter des Managements, warum sich das Unternehmen überhaupt mit dem Thema „Agile Skalierung“ befasst und was es sich von einer Steigerung der Agilität verspricht. Danach schildern Ex- perten an Praxisbeispielen die Prinzipien einer agilen Arbeitsweise, bevor Kollegen aus den Bereichen, die bereits agil arbei- ten, über ihre Erfahrungen mit agilen Me- thoden berichten. Nachdem so ein gewis- ses agiles Bewusstsein geschaffen wurde, kann mit den Vertretern der Bereiche er- mittelt werden: • Inwieweit wäre in ihren Bereichen das Einführen agiler Arbeitsweisen über- haupt möglich sowie sinnvoll und ziel- führend? • Und wenn ja, worin zeigt sich die ge- wünschte Agilität bei der Alltagsarbeit und auf welche Handlungsfelder be- zieht sie sich? • Welche Veränderungen auf der Kul- tur- und Strukturebene sowie auf der Einstellungs- und Verhaltensebene sind nötig, um die angestrebte Veränderung zu erreichen? • Auf welche in der Vergangenheit ergrif- fenen Initiativen kann aufgebaut wer- den, um das angestrebte Ziel zu errei- chen? Letzteres ist auch wichtig, um den Mitar- beitern die lähmende Angst zu nehmen, alles müsse und würde sich ändern – denn faktisch ist dies in der Praxis meist nur in Teilen der Organisation der Fall. Die Ergebnisse der Workshops können bezogen auf die einzelnen Bereiche sehr verschieden sein. Dabei gilt die Faustre- gel: Je komplexer die Leistungen sind, die ein Bereich oder Team für das Unterneh- men beziehungsweise die (internen oder externen) Kunden erbringt und je mehr externe Einflussfaktoren dabei zu be- rücksichtigen sind, umso höher ist Wahr- scheinlichkeit, dass ein agiles Arbeiten zielführend ist und umso größer ist der Nutzen, den man aus dem Skalieren der agilen Methoden zieht. Das Ergebnis eines solchen Workshops kann zum Beispiel bezogen auf die weit- gehend automatisierte Produktion eines Massengüterherstellers durchaus lauten: Ein Einführen der agilen Methoden in un- serer Produktion lohnt sich nicht, denn in ihr geht es weitgehend darum, zuver- lässig ein- und dasselbe Produkt zu pro- duzieren, das den definierten Qualitäts- standards entspricht. Stattdessen sollten wir die oft schon ergriffenen Initiativen im KVP- und Lean-Bereich intensivieren, die darauf abzielen, die Qualität der Leis- tung und Kundennutzen kontinuierlich zu steigern. Zudem sollten wir unsere Führungskräfte auf der Shopfloor-Ebene zu Kata-Coachs ausbilden, die sukzessiv mit dem PDCA- Zyklus die Kompetenz ihrer Mitarbeiter erhöhen, eigenständig Probleme zu er- kennen und zu lösen. Darüber hinaus sollten wir jedoch das Bewusstsein der Mitarbeiter dafür schulen, warum ein agiles Verhalten in unserem von rascher Veränderung geprägten Markt nötig ist, damit sie mehr Verständnis dafür haben, wenn zum Beispiel die Vertriebsmitar- beiter sie immer wieder mit Sonderwün- schen kontaktieren. Bezogen auf die R

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