wirtschaft und weiterbildung 9/2019
wirtschaft + weiterbildung 09_2019 25 Christian Ramm. Der Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit in Freiburg rät Personalern, sich frühzeitig beraten zu lassen. gibt dabei einen gewissen Interpretations spielraum. Prinzipiell gehen wir dabei mit Augenmaß vor und entscheiden im Sinne der Betroffenen, der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer. Wenn aber Unternehmen beispielsweise aus Kostengründen alter native Hard- oder Software anschaffen, dann ist die erforderliche Schulung der Mitarbeiter nicht dem Strukturwandel geschuldet. Da müssen wir Mitnahme effekte vermeiden. Aufstiegsqualifizierungen sind von der Weiterbildungsförderung nach dem Qua lifizierungschancengesetz ausgeschlos sen. Für sie gilt weiter das sogenannte Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz. Grundsätzlich sind aber alle Maßnahmen förderbar, die berufliche Kompetenzen erweitern, die individuelle Beschäfti gungsfähigkeit verbessern und die nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarkts zweckmäßig sind. Wenn das Qualifizie rungschancengesetz nicht greift, etwa weil die Qualifizierung keine 160 Stunden umfasst, könnte stattdessen eine andere Förderung infrage kommen. Eine Antrag stellung lohnt sich deshalb auf jeden Fall. Wir prüfen dann, welche Fördermöglich keiten passen. Wie viel Zeit sollte man für die Antragstellung einplanen? Ramm: Wichtig ist, dass man die An tragsfrist nicht versäumt, das heißt den Antrag stellt, bevor die Qualifizierung beginnt. Ansonsten gilt, je früher der Ar beitgeber den Antrag stellt, desto früher können wir Zuschüsse gewähren und Lehrgangsgebühren erstatten. Einen An tragsstau haben wir nicht. Wenn alle Un terlagen bearbeitungsreif vorliegen, geht es recht schnell. Bei aufwändigeren Qualifizierungen, zum Beispiel einer Umschulung, behält sich die Agentur für Arbeit auch im Interesse des Arbeitgebers vor, die Eignung des Teilnehmers mittels testdiagnostischer Verfahren über den „Betriebspsycholo gischen Service“ festzustellen. Das kann die Antragsbearbeitung verlängern. Au ßerdem hängt die Dauer der Antragsbe arbeitung davon ab, ob für ein Unterneh men bereits bestehende Qualifizierungen geeignet sind oder ob nur ein oder zwei Mitarbeiter eine neue Qualifizierung be kommen sollen. Dann kann es passieren, dass wir mehrere Betriebe zusammenfas sen, die in einer ähnlichen Situation sind, damit genügend Teilnehmer zusammen kommen – und das kann etwas länger dauern. Auch eine abschlussorientierte Fortbildung, die sogar bis zu einem Be rufsabschluss führt oder zu einem beson deren Zertifikat, nimmt natürlich mehr Zeit in Anspruch. Wie viel Geld kann man als Unternehmen pro Teilnehmer und Stundenzahl sparen? Ramm: Diese Frage hören wir bei unseren Informationsveranstaltungen sehr häufig. Aber das kommt darauf an. Es hängt von der Betriebsgröße, der Qualifizierung beziehungsweise dem Weiterbildungs abschluss, der Anzahl der Mitarbeiter und deren Entgelt ab. Es gibt sehr viele Fallkonstellationen. Die Bandbreite reicht von einer Erstattung der Lehrgangsgebüh ren in Höhe von 15 Prozent und der Ge währung eines weiterbildungsbedingten Zuschusses zum Arbeitsentgelt in Höhe von 25 Prozent (große Unternehmen über 2.500 Beschäftigte) bis hin zur komplet ten Erstattung der Lehrgangsgebühren und kompletten Bezuschussung des wei terbildungsbezogenen Arbeitsausfalls mit Arbeitsentgelt (Kleinstunternehmen unter zehn Beschäftigte mit einem Teilnehmer an einer berufsabschlussorientierten Qua lifizierung). Inwiefern können Sie Beispiel- rechnungen für Unternehmen anbieten? Ramm: In unseren Werbematerialien gibt es eine anschauliche Grafik, die eine grobe Orientierung darüber gibt, mit was Unternehmen rechnen können. Da kaum ein Fall dem anderen gleicht, verwirren konkrete Beispielrechnungen mehr, als dass sie aufklären. Dann sagt zum Bei spiel ein Kleinstunternehmen, das kostet ja nichts, und dann fallen unter Umstän den doch Kosten an. Deshalb empfehlen wir die persönliche Beratung. Oder man kann sich in der Datenbank „Kursnet“ die Kosten beispielhaft ausrechnen, wenn man eine Maßnahme auswählt und die Anzahl der Mitarbeiter angibt. Das Ar beitsentgelt müssen Arbeitgeber auch einrechnen. Mein Rat: Je früher man sich beim Arbeitgeber-Service einer Arbeits agentur Unterstützung holt, desto gelas sener kann man dem Strukturwandel ent gegensehen. Interview: Stefanie Hornung Foto: Agentur für Arbeit
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