wirtschaft und weiterbildung 10/2019
grundls grundgesetz Boris Grundl 64 wirtschaft + weiterbildung 10_2019 Es gibt gute, nachvollziehbare Gründe dafür, Men- schen eine Begegnung auf Augenhöhe erst dann zuzugestehen, wenn sie mit Konstanz bestimmte Ergebnisse liefern. Respekt durch Ergebnisse wäre die Kurzformel. Wenn Stürmer Tore schießen, dür- fen sie Interviews geben, wenn sie vorbeischießen, eben nicht. Doch kann man wirklich so brutal eine Begegnung auf „Augenhöhe“ verweigern? Für mich liegt die Antwort auf diese Frage darin, dass wir zwischen gleichwertig und gleichberechtigt unterscheiden. Als Menschen sind wir gleichwertig. Haben den glei- chen Wert und sind auf Augenhöhe. Deswegen hat jeder Demokrat eine Stimme, so lang der Weg zur Demokratie auch ist. Wir brauchten zwei Weltkriege, um unseren Überlegenheitswahn schmerzlich in Demut zu tauschen und damit das Wirtschaftswun- der der Nachkriegsgeneration einzuleiten. Heute erleben wir, wie andere Nationen um einen Weg in die Demokratie kämpfen. Ein Kampf, bei dem sogar Menschen sterben. Nutzen wir also unser Privileg, diese Gnade und damit unsere Pflicht also: Wer nicht wählt, hat wenig verstanden. Gleichberechtigung ist anders. Hier geht es für mich um Kompetenz, Erfahrung und die Hierarchie in Unternehmen. Und da gibt es eben Unterschiede. Zum einen auf der Kompetenzseite und auf der Seite des Einflusses. Machen wir uns nichts vor. Schön wäre es, wenn es nur um Kompetenz ginge. Doch es geht auch um hierarchische Muster und Macht. Letztere müssen wir so lange reduzieren, bis die Kompetenz tatsächlich führend ist. Klar ist, dass wir im Können und den Ergebnissen, die wir produzieren, nicht immer auf Augenhöhe sind, sondern dass es eine Rangordnung gibt, die aus unseren Lebensergebnissen folgt. Deshalb haben CEOs andere Berechtigungen als Azubis. Dennoch sind beide menschlich gleichwertig. Darum geht es im Kampf der Geschlechter für mich auch mehr um Gleichwertigkeit und weniger um Gleichberechti- gung. Mir scheint, dass wir diese Differenzierung dringend in Unternehmen definieren und klarstellen sollten. Denn hier gibt es zu viele Missverständnisse im Alltag. Noch mal: Als Menschen sind wir gleichwer- tig – auf Augenhöhe. Und diese Gleichwertigkeit gilt es, klarzustellen. Gleichzeitig haben wir jedoch nicht die gleiche Berechtigung! Die Meinung eines Azubis gilt weniger als die des CEOs. Natürlich wäre es klasse, wenn wir die Ideen aller aufgrund ihrer Substanz durchdenken und losgelöst vom Sender (Azubi oder CEO) wahrnehmen könnten. Doch dazu müssten wir Bote und Botschaft sehr klar voneinan- der trennen können. Genau das ist wirklich „die“ Königsdisziplin im Den- ken. Augenhöhe generell einzufordern, ist lächerlich, weil wir als Menschen gleichwer- tig, jedoch nicht gleichberechtigt in Sachen Kompetenz und Einfluss sind. Das hilft enorm und reduziert viele Missverständ- nisse. Mit Sicherheit! Das sagt meine jahre- lange Erfahrung. Wer dieses Thema bis zum Ursprung verstehen und für sich transformieren will, dem gibt Eleanor Roosevelt den besten Hinweis: „Niemand kann dir ohne deine Zustimmung das Gefühl geben, minder- wertig zu sein.“ Wie schön wäre es, wenn möglichst viele das in der Tiefe verstehen würden. Ein Traum. Können Sie diesen Traum bitte mit mir träumen, bis er Realität wird? Paragraf 79 Verwechsle gleich- wertig nicht mit gleichberechtigt! Boris Grundl ist Managementtrainer und Inhaber der Grundl Leadership Akademie, die Unternehmen befähigt, ihrer Führungsverantwortung gerecht zu werden. Er gilt bei Managern und Medien als „der Menschenentwickler“ (Süddeutsche Zeitung). Sein jüngstes Buch heißt „Verstehen heißt nicht einverstanden sein“ (Econ Verlag, Oktober 2017). Boris Grundl zeigt, wie wir uns von oberflächlichem Schwarz-Weiß-Denken verabschieden. Wie wir lernen, klug hinzuhören, differenzierter zu bewerten, die Perspektiven zu wechseln und unsere Sicht zu erweitern. www.borisgrundl.de Im Kampf der Geschlechter geht es für mich um Gleichwertigkeit und weniger um Gleichberechtigung. „ „
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