wirtschaft und weiterbildung 10/2019
R wirtschaft + weiterbildung 10_2019 31 mehr mithalten. Entscheidend ist ferner die Haltung der Führungskraft. Hier werfe ich das Schlagwort „Confident Humility“ in den Raum, das sich am ehesten mit selbstbewusster Bescheidenheit überset- zen lässt. Führungskräfte, die diese ge- gensätzlichen Eigenschaften in sich ver- einen, haben die richtige Haltung, um in der postdigitalen Welt zu führen. 3. Ambidextrie ist nötig, um auf die Zukunft vorbereitet zu sein Fest steht, dass Unternehmen agiler wer- den müssen. Es geht aber nicht darum, Altbewährtes über Bord zu werfen. Eine Organisation ist wie ein Ozeanriese und damit auch ein Symbol für das Standard- geschäft. Es braucht aber während und nach der Digitalisierung auch Schnell- boote als Symbol für die Innovations- einheiten. Kurz: Es braucht ein Zusam- menspiel beider Einheiten. Sie müssen auf eine schnelle Umsetzung mit Fehler- tolerierung in den Innovationsbereichen hinwirken und so Digitalisierungsprojekte praxisnah angehen. Sie müssen aber auch die bisherigen Stärken im Geschäft vorantreiben und auf eine möglichst ge- ringe Fehlerquote in den produzierenden Standardbereichen achten. „Beidhändig- keit“, sogenannte Ambidextrie, ist nötig. Egal, wie groß oder wie klein Ihr Unter- nehmen ist: Sie können sofort und ohne viele Ressourcen beginnen, ein beidhän- diges System aufzubauen. Hierfür sollten Sie eine Taskforce als Sparringspartner für die Geschäftsleitung einsetzen. Sie sollte aufzeigen, wie eine innovativere Unter- nehmenskultur in circa fünf Jahren für Ihr Unternehmen auszusehen hat, und in regelmäßiger Interaktion darauf hinwei- sen, welche Game Changer entscheidend sind, um das Unternehmen voranzubrin- gen. Wichtig dabei ist, dass die Geschäftsfüh- rung auf Augenhöhe mit der schnellen Eingreiftruppe steht. Das simuliert auch die Arbeit in der Zukunft, welche einen viel stärkeren Netzwerkcharakter als die Arbeitsweise heute hat. In dem Core Team wird außerdem schon eine agile Kultur praktiziert, und man generiert erste Hypothesen, wie dies zukünftig auch in einem Großteil des Unterneh- mens praktiziert werden kann. Dabei spielt Selbstorganisation statt kontrollie- render, koordinierender und disziplinie- render Führung eine große Rolle. Auch führt der Weg von Abteilungen weg, die nur aus eigener Sicht optimieren, hin zu Prozessen mit Blick auf Kunden und den Gesamtzusammenhang. Nach einer circa drei- bis sechsmonatigen Analysephase der Taskforce sollte eine erste Auswer- tung und weitere Schritte erfolgen. Unter anderem ist zu entscheiden, wie viele Mitarbeiter agil arbeiten sollen. Zwischen zwei und 20 Prozent ist im Anfangssta- dium ratsam. Dieser Anteil kann im Laufe der Jahre mehr und mehr erweitert wer- den. 4. Es gilt, Persönlichkeiten zu rekrutieren (Skills sind erlernbar) Wenn Ihre Mitarbeiter nicht vernetzt denken und arbeiten können (oder wol- len), werden Sie mit Ihren Bemühungen für agiles Arbeiten gegen die Wand lau- fen. Der Rekrutierung kommt darum in der Transformation eine besonders große Bedeutung zu. Allerdings ist eine Mitar- beiterauswahl, so wie sie bislang vielfach abläuft, nicht förderlich. Denn in Zukunft werden Sie Mitarbeiter brauchen, die Sie kontinuierlich auf zukünftige Jobs und Aufgaben – die es zum Teil noch gar nicht gibt – vorbereiten müssen. Somit wird ob- solet, ob der Bewerber einen bestimmten Job schon beim Einstieg zu einem Groß- teil erfüllen kann und die nötigen Skills mitbringt. Skills sind überwiegend erlernbar. Feste Stellenbeschreibungen gibt es oftmals nicht mehr, weil Aufgaben, Rollen und sogar Führungsfunktionen projektbezo- gen übernommen werden. Suchen Sie stets nach Menschen, die zum „Warum?“ Ihrer Firma passen. Platzieren Sie die Grundidee Ihres Unternehmens bereits in Stellenausschreibungen und reihen Sie nicht nur fachliche Voraussetzungen an- einander. Sonst besteht die Gefahr, dass Sie zwar thematisch fähige Menschen, aber keine wirklich motivierten Mitstrei- ter finden, die Sie mit dem Wissen um den Zweck Ihrer Arbeit grundlegend ins- pirieren können. Buchtipp. Jan Brecke: „Singularity Leadership“, Brecke Verlag, München 2018, 200 Seiten, 24,90 Euro.
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