wirtschaft und weiterbildung 10/2019
personal- und organisationsentwicklung 26 wirtschaft + weiterbildung 10_2019 ben. Sie untersuchen die ursprünglichen Ergebnisse der Mitarbeiterbefragungen nochmals faktoranalytisch, das heißt rein empirisch und nicht theoriegeleitet, und finden vier sogenannte Faktoren. Diese fassen Fragen zusammen, bei denen die Befragten ähnliches Antwortverhal- ten zeigen. Die vier Faktoren weichen von den ursprünglichen Fragenbündeln ab, die GPTW definiert. Einen dieser Faktoren bezeichnen die Autoren mit „purpose-clarity“, ein neuartiges Kon strukt, das bislang in dieser Form in der Forschung noch nicht verwendet wurde. Wir bewegen uns hier im Bereich der Grundlagenforschung. Der Faktor bein- haltet neben den ursprünglichen Fragen nach dem Sinnempfinden auch führungs- bezogene Fragen – beispielsweise, ob das Management eine klare Vorstellung über Ziele und Maßnahmen hat, um diese zu erreichen, oder ob es die Erwartungen an die Beschäftigten klarmacht. Diese Items erinnern an etablierte Skalen zur transaktionalen oder auch transformati- onalen Führung. Die erneuten Untersu- chungen dieses Faktors zeigen nun einen R Vom Sinn als Steuerungsinstrument „Purpose ist einer meiner roten Lebensfäden“, sagt Fran- ziska Fink. Als systemische Organisationberaterin (Bera- tergruppe Neuwaldegg) stieß sie mit den Kunden, die sie bei Change oder Agilisierung begleitete, immer wieder auf den Sinn als Kern von Organisation und Entscheidung. „Mit den Firmen entwickle und erprobe ich Methoden zur Entde- ckung, Operationalisierung und Aktualisierung dieser geni- alen Richtschnur für Entscheidungen“, so Fink. Purpose Drive entsteht nicht durch die Nutzung einzelner Werkzeuge. Es braucht eine grundlegend andere Art zu operieren! Die besondere Art, wie Purpose Driven Organiza- tions ihre Entscheidungsprämissen und Umweltrelationen gestalten, wird durch „fünf Disziplinen“ beschrieben: 1. Dominanter Purpose – Purpose wird zur dominanten Ent- scheidungsprämisse erklärt und damit zentrale Richt- schnur. 2. Kodifizierte Selbstorganisation – Rollen und Kommuni- kationswege werden im Zuge einer kodifizierten Selbst organisation ausdifferenziert. Buchtipp. In ihrem Buch „Purpose Driven Organizations: Sinn, Selbstorganisation, Agilität“ (Verlag Schäffer-Poeschel, Stuttgart 2018, 338 Seiten, 39,95 Euro) erläutern Franziska Fink und Michael Moeller die „fünf Disziplinen“ einer Purpose Driven Organization. Börse. Investoren wie „Blackrock“ fordern von Aktien- gesellschaften einen am Gemeinwohl orientierten Sinn. 3. Ganzheitliche Partnerschaft – Personen werden im Sinn einer ganzheitlichen Partnerschaft nicht mehr nur als Mittel, sondern auch als Zwecke betrachtet. 4. Superflexible Vertrauenskultur – Kulturell werden Werte, Normen und Glaubenssätze favorisiert, die Superflexibi- lität und eine Vertrauenskultur fördern. 5. Co-Evolution im Ökosystem – Die Organisation koppelt sich eng an andere Organisationen und Stakeholder in einer Art Entwicklungsgemeinschaft. Dadurch entsteht Co-Evolution im Ökosystem. Organisationen richten soziale Räume und Prozesse ein, um Purpose zu finden, aber auch, um die Sinnorientierung der operativen Entscheidungen kontinuierlich zu beob- achten und zu reflektieren. Durch solche Routinen wird Purpose permanent im Fokus der Aufmerksamkeit gehal- ten. Gleichzeitig dienen diese Routinen zum Erspüren von Abweichungen und (Entwicklungs-)Spannungen: Wo gibt es ungenutzte Potenziale? Wo weicht die Entwicklung von den ultimativen Zielen ab? So wird Purpose zum Treiber, Orientierungs- und Richtungs- geber für evolutionäre Entwicklungen. Im Alltag heißt das, dass jede Entscheidung auf den Purpose einzahlen sollte und dass im Zweifel erklärt werden muss, inwiefern sie das tut. Meetings werden danach evaluiert, wie sehr sie dem Purpose dienen. Personen werden anhand des „Purpose Fit“ für bestimmte Rollen ausgewählt. Purpose Driven Orga- nizations planen nur wenig, stattdessen lenken sie die Auf- merksamkeit auf den Sinn und Zweck und auf das konkrete Handeln. Rasche Umsetzungsschritte und Experimente ersetzen – teilweise oder komplett – strategische Planung und Bud- getierung. Bei Entscheidungen setzt man auf Regeln, die Innovationen favorisieren und irreparable Schäden vermei- den. Nach dem Motto „Safe enough to try“ fallen Entschei- dungen, wenn niemand mehr begründete Einwände erhebt.
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