wirtschaft und weiterbildung 10/2019
personal- und organisationsentwicklung 24 wirtschaft + weiterbildung 10_2019 R 2. Welche Konsequenzen hat das indivi- duelle Sinnempfinden der Arbeit auf personalwirtschaftliche Erfolgsgrößen (Mikrolevel)? „Purpose drives performance“: Korn Ferry weist in der Studie „People to a mission“ nach, dass sinnorientierte Un- ternehmen im Vergleich zu anderen Un- ternehmen eine viermal höhere Wachs- tumsrate aufweisen. Dieses Argumen- tationsmuster ist von anderen Trends bekannt: Mittelwertvergleiche werden kausal interpretiert. Perfektioniert hat dieses Vorgehen McKinsey in der ersten „Women Matter“-Studie, die den Zusam- menhang von Frauen in Führungspositi- onen und dem Unternehmenserfolg be- leuchtet. Purpose und Erfolg: Gibt es kausalen Zusammenhang? Korrelationen dieser Art sagen allerdings nichts über kausale Beziehungen aus. Dass zwei Ereignisse gemeinsam auftre- ten, besagt nicht, dass eines die Ursache für das andere ist. Häufig verursachen weitere Einflussgrößen, sogenannte Dritt- faktoren, beide Ereignisse gleichermaßen. Personalmanager fallen auf diese Argu- mentationsmuster nicht herein, sondern nutzen diese bestenfalls als unterneh- mensinternes Verkaufsargument. Die aktuelle Diskussion zum Purpose unter Praktikern nimmt allerdings auch Bezug auf eine wissenschaftliche Studie. Im Januar 2019 veröffentlichten Clau- dine Gartenberg und Kollegen den ers- ten Aufsatz zu diesem Thema mit dem Titel „Corporate Purpose and Financial Performance“ im renommierten Journal „Organization Science“. Vorläufige Ar- beitspapiere waren bereits im Vorfeld im Internet frei verfügbar. Die nachfolgende Darstellung bezieht sich auf die aktuelle Publikation. Die in der Praxis verbreitete Ableitung von Handlungsempfehlungen erfordert in diesem Fall meines Erach- tens ein tieferes Verständnis der teilweise komplexen methodischen Vorgehens- weise, weshalb diese Studie ausführlich dargestellt wird. Der Originalartikel ist unbedingt lesenswert. Die Autoren messen Purpose auf der in- dividuellen Ebene der Mitarbeiter und operationalisieren dies durch entspre- chende Antworten aus der Mitarbeiter- befragung des Anbieters Great Place to Work (GPTW). Das heißt, sie messen die Wahrnehmung der Beschäftigten und nicht unmittelbar den Sinngehalt der Organisation. Sie aggregieren diese in- dividuellen Einstellungen auf Unterneh- mensebene, setzen sie in Beziehung zum Unternehmenserfolg, gemessen am EBIT und an der abnormalen Rendite (Tobin- scher Quotient). Auf die Klarheit des Purpose kommt es an Mit einer aufwendigen und innovativen Methodik erreichen Claudine Gartenberg und Kollegen eine kausale Interpretation zwischen Purpose und Unternehmenser- folg und finden – nichts. „We find that this measure of purpose is not related to financial performance“, lautet ihr Fazit. Der Purpose wirkt demnach nicht auf den Erfolg. Nun wäre der Artikel in der Praxis nicht so einflussreich, hätten sich die Au- toren mit diesem Ergebnis zufriedengege- Nach Agilität, Ambidextrie, Resilienz, Working out Loud und New Work jetzt also Purpose. In regelmäßigen Abstän- den ziehen Managementmoden über die Unternehmenslandschaft. Robert Briner, Pionier des evidenzbasierten Personal- managements, nennt sie Quick Fixes: Schnelle Lösungen oder Tools, die meist von Managementgurus oder -beratern mit vagen, schillernden Begriffen propagiert und schnell, ohne systematische Analy- sen, in Unternehmen implementiert wer- den. Ihr Erfolg bleibt jedoch meist aus, der nächste Trend löst sie ab. Beim Purpose geht es um den eigentli- chen Sinn von Unternehmen. Ein klares, von allen geteiltes Verständnis, was Pur- pose ist, fehlt allerdings. Der „Purpose- ful Company Report“ schlägt folgende Definition vor: „Reason for being“. Das erinnert an die Mission in Strategie- Statements, beispielsweise nach Collis/ Rukstad in einem vom HBR-Magazin prämierten Beitrag, und hilft nicht wirk- lich weiter. Denn soziale Ziele oder Mitar- beiterorientierung können damit genauso gemeint sein, wie Kundenbedürfnisse zu erfüllen. Dass Unternehmen, die keiner- lei Daseinszweck aufweisen, ein Ren- tabilitätsproblem haben, sollte in einer Marktwirtschaft selbstverständlich sein. Allerdings haben auch alle Management moden einen wahren Kern. Häufig beru- hen sie zudem auf etablierten Erkenntnis- sen, lediglich die Begriffe werden adap- tiert. Die folgende Analyse untersucht die wissenschaftliche Basis anhand zweier zentraler Fragen: 1. Wie belastbar ist die Evidenz zum Zu- sammenhang zwischen Purpose und Unternehmenserfolg (Makrolevel)? Corporate Purpose: Mode oder Must-have? ERFOLG. Mitarbeiter plus Sinn gleich Gewinn. Unternehmen wollen durch eine von den Beschäftigten als sinnvoll erlebte Arbeit einen langfristigen betriebswirtschaftlichen Mehrwert erzielen. Prof. Dr. Heiko Eckmüller, Inhaber der Professur „Human Resources“ am Rhein-Ahr-Campus der Hochschule Koblenz, erklärt die aktuellen Forschungsansätze.
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