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wirtschaft + weiterbildung
10_2011
sich innerhalb weniger Jahre zum Mar-
keting- und Vertriebsdirektor eines euro-
päischen Großkonzerns. Einer breiten Öf-
fentlichkeit wurde Grundl als Autor („Steh
auf! Bekenntnisse eines Optimisten“ oder
„Diktatur der Gutmenschen“) bekannt.
2001 gründete er die „Grundl Leadership-
Akademie“, Trossingen, die derzeit sechs
Trainer beschäftigt und nach eigenen
Angaben 2011 ziemlich genau 1,7 Millio-
nen Euro Umsatz erwirtschaften wird.
„Ich bin durch den Trainer- und Speaker-
Beruf finanziell frei geworden“, freut
sich Grundl und betont das so, als sei
ein großer Traum in Erfüllung gegangen.
Gleichzeitig schwingt in diesem Satz der
Anspruch mit, jetzt den Kollegen auch
ein paar unangenehme Wahrheiten sagen
zu dürfen.
„Nur wer seine Werte lebt,
entfaltet Bühnenwirkung“
Um als Spitzenreferent erfolgreich zu
sein, helfe Marketing wenig. Wichtiger
seien eine hohe Authentizität und eine
Tiefgründigkeit. Die Fähigkeit, andere zu
bewegen, zu berühren und zu inspirieren,
habe man erst dann, wenn man selbst als
Mensch gereift sei. „Es hat sieben Jahre
gedauert, bis man mich als stark wahr-
genommen hat. Und genau ab diesem
Moment hat es einen Sprung im Umsatz
gemacht“, erinnerte sich Grundl. „Wenn
die Leute einen Redner sehen, wollen sie
automatisch Stärke sehen.“ Das, was zum
Thema Menschenführung zu sagen sei,
sei schon Tausende von Jahren alt. Die
Menschen wollten es heute von einem
Redner hören, den sie als Autorität wahr-
nehmen könnten, dessen Worte Gewicht
hätten. Um Stärke auszustrahlen, sollte
man schon einmal eine Lebenskrise ge-
meistert haben und vor allem nicht mit
dem Wunsch auf die Bühne gehen, vom
Publikum geliebt zu werden. „Wenn Sie
gemocht werden wollen, dann prostitu-
ieren Sie sich emotional. Man nimmt Sie
nicht ernst. Erst dann, wenn Sie es nicht
mehr nötig haben, um Zuneigung und
Aufträge zu betteln, werden Sie richtig
gut. Alles was Sie davor machen müs-
sen, ist temporäre Prostitution“, warnte
Grundl seine Zuhörer. Er verstehe, dass
Menschen beliebt sein wollen. Aber der
Job eines Redners sei es, Menschen zu
einem höheren Maß an Selbstverant-
wortung zu führen. Je radikaler jemand
Selbstverantwortung vorlebe, umso er-
folgreicher sei er dann auch in seiner
Bühnenwirkung.
Schlimm sei es besonders, wenn einem
Redner das fachliche Fundament fehle,
wenn weder theoretisch noch praktisch
eine Sache, über die man spreche, durch-
drungen worden sei. „Die meisten, die
ich in unserem Geschäft kennengelernt
habe, haben irgendwann einmal ange-
fangen, mehr zu reden als umzusetzen.
Ich kenne Tonnen von Trainern, die das
selbst nicht hinbekommen, was sie predi-
gen“, provozierte der Schwabe sein GSA-
Publikum. „Auf Dauer glauben Ihnen Ihre
Zuhörer aber nur, wenn Sie es selbst hin-
kriegen.“ Irgendwann komme jeder Red-
ner in seiner Karriere an den Punkt, wo
seine Substanz gefragt sei. „Sie müssen
so lange lernen, bis Sie etwas wirklich
können. Danach können Sie nur gewin-
nen.“ Beim Versuch, eine eigene Kom-
„Auf dem Markt für Trainer und Speaker
gibt es ein Hauen und Stechen um Auf-
träge. Ich erlebe das auf anderen Märk-
ten kaum extremer“, erklärte Benjamin
Schulz, Chef einer Marketingagentur, zu
Beginn seines Workshops auf der „Con-
vention 2011“ der German Speakers Asso-
ciation (GSA) in München.
Es war deshalb auch keine Überraschung,
dass sich 18 von rund 50 Vorträgen und
Workshops der Convention (inklusive
Vor- und Nachprogramm) mit der Selbst-
vermarktung von Rednern beschäftigte.
Die Bandbreite reichte vom Web 2.0 über
Bücherschreiben, Empfehlungsmarketing
und den Einsatz von Redneragenturen bis
hin zu Positionierungsfragen – zum Bei-
spiel wie ein Speaker zum „Helden seiner
Story“ werden könne. Als Gegengewicht
zu all den Marketingthemen leistete sich
die GSA den bekannten Kongressredner
Boris Grundl als Keynote-Speaker.
Er nahm kein Blatt vor den Mund und
warnte vor vordergründigen Verkaufspa-
rolen. So werde beim Thema Positionie-
rung immer von einer Sogwirkung ge-
sprochen, sodass das Geschäft von ganz
allein komme. „Jetzt schauen sie sich mal
die sogenannten Positionierungsexperten
an und beobachten sie, ob die selbst auch
eine automatische Sogwirkung hinbe-
kommen“, rief Grundl seinen Zuhörern
zu. „Von wem sollte man lernen?“, fragte
der Querdenker rhetorisch. „Von denjeni-
gen, die es können, oder von denjenigen,
die es kennen?“
Grundl gehört zweifelsfrei zu denen, die
„es“ draufhaben. Als 25-jähriger Spitzen-
sportler blieb er nach einem Unfall zu 90
Prozent gelähmt. Trotzdem entwickelte er
„Gefragte Redner sind
Vorbilder“
GSA CONVENTION 2011.
Anfang September traf sich in München die deutsche
Speaker-Szene, tauschte sich aus und leistete sich Boris Grundl als Bußprediger.
Seine Frage: Nur sieben bis zehn Prozent der deutschen Keynote-Speaker können
finanziell gut von ihren Auftritten leben. Was macht der Rest falsch?