Seite 48 - wirtschaft_und_weiterbildung_10_2011

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fachbeiträge
48
wirtschaft + weiterbildung
10_2011
sich versieht – findet man sich plötzlich
ganz woanders wieder. Die Wurzel allen
Übels: Bei der ernsthaften Suche nach
Informationen landet man früher oder
später bei sogenanntem „unnützem Wis-
sen“. Das sind Dinge, die niemand wissen
muss, die aber so kurios, nicht alltäglich
und oft zum Schmunzeln sind, dass ein
Aha-Effekt den nächsten jagt und gera-
dezu süchtig macht.
Wussten Sie schon, dass die USA keine
offizielle Amtssprache haben? Oder dass
Angela Merkels Spitzname früher „Kasi“
war. Gibt’s doch gar nicht, mag man den-
ken. Und klickt sich weiter zum nächsten
Fakt. Die Metallhülse an einem Blei-
stift, die den Radiergummi umschließt,
heißt Ferrule? Interessant! Die Eltern
von Simpsons-Erfinder Matt Groening
hießen Homer und Margaret, seine jün-
geren Schwestern Lisa und Maggie, sein
Großvater Abraham! Ist ja witzig. Das dä-
nische Wort „olfrygt“ bedeutet „Angst vor
Bierknappheit“! Ernsthaft? Und so geht
es immer weiter. Unnützes Wissen wollte
von uns nie gewusst werden. Aber es
funktioniert, weil es überrascht. Es macht
süchtig nach mehr. Und es boomt.
Niemand muss müssen
Zahlreiche Internet-Communities mit Hun-
derttausenden Anhängern sind in den letz-
ten Jahren entstanden. Tendenz steigend.
Ganz vorne mit dabei ist die gleichnamige
Rubrik des Magazins und Internet-Portals
„NEON“. Aber auch auf Facebook und
Youtube tummeln sich die Fans des sinn-
losen Zeitvertreibs. Googelt man unnützes
Wissen, erhält man mittlerweile über eine
halbe Million Ergebnisse allein in deut-
scher Sprache. Aber was macht unnützes
Wissen so beliebt? Warum sind wir in einer
Welt der kaum zu verarbeitenden Informa-
tionsflut ausgerechnet so wissbegierig auf
noch mehr unnötige Fakten? Und warum
will eigentlich im Gegenzug das Wesent-
liche einfach nicht hängen bleiben oder
wird gleich wieder ausgesiebt? Ganz ein-
fach: Weil man sich unnütze Fakten nicht
merken muss. Und genau deswegen blei-
ben sie oft im Gedächtnis. Unnützes Wis-
sen basiert auf Freiwilligkeit, genau wie
ein Spiel, und besitzt daher einen hohen
Unterhaltungs- und Wiederholungsfaktor.
Ganz nebenbei kann man auch hie und
da in einem Gespräch mit seinem außerge-
wöhnlichen Wissen glänzen.
User-Zahlen verfünffacht
Verdrängt unnützes Wissen also wich-
tiges Faktenwissen? Wohl kaum. Aber es
zieht leichter Aufmerksamkeit auf sich
und wirkt von vorneherein attraktiver.
Genau dieses Potenzial kann auch in Un-
ternehmen zur Weiterbildung verschie-
dener Zielgruppen hilfreich sein – wenn
es geschickt genutzt wird. Die Epson
GmbH Deutschland setzt beispielsweise
bereits seit einiger Zeit unnützes Wissen
in ihrem Newsletter für ihr Trainings-
portal „training@epson“ ein, auf dem
Produkt- und Technologietrainings für
Händler und Verkäufer angeboten wer-
den. Da die Teilnahme an den Trainings
in der Regel freiwillig ist, wurde ein moti-
vierendes Element gesucht, das die Händ-
ler zum Besuch der Plattform animiert.
Die Lösung für die eher wettbewerbso-
Wer schon einmal auf eine wichtige Prü-
fung hin pauken musste, weiß: Noch nie
war die Wohnung so sauber wie in dieser
Zeit. Die Suche nach Ablenkung, wenn
es ans Lernen geht, ist ein menschlicher
Dauerbrenner. Sogar Putzen erscheint
dann attraktiver. Gerne verbringt man im
Zuge der Prokrastination (lateinisch für
Aufschieberitis) auch sinnlos viel Zeit im
Internet. Das passiert meist völlig unbe-
absichtigt. Gerade arbeitet man sich noch
in ein Thema ein und schwupp – ehe man
„Unnützes Wissen“
hilft beim Lernen
MEDIENDIDAKTIK.
Das sogenannte unnütze Wissen (zum Beispiel, dass „Tischtennis
in England Whifwhaf genannt wurde, bevor sich Pingpong durchsetzte“) wird ganz und
gar freiwillig aufgenommen, verblüfft und macht Spaß und manchmal sogar süchtig.
Es ist deshalb auch bei Mediendidaktikern sehr beliebt, weil man damit Lernende
belohnen und ihre Aufmerksamkeit steuern kann.
Foto: Porath
Claudia Punstein
ist Anglistin und
Medienmanagerin
und der kreative
Kopf der E-Lear-
ning-Agentur Canudo. Als mediendi-
daktische Beraterin und Konzeptione-
rin hat sie zahlreiche Lernkonzepte,
Drehbücher und Kommunikations-
maßnahmen für namhafte Unterneh-
men entwickelt (unter anderem auch
die im Artikel vorgestellten Konzepte
zum Einsatz von „Unnützem Wissen“).
Seit 2011 ist sie Leiterin der Canudo-
Unit EMOTION, die für die Entwicklung
von begleitenden Kommunikations-
maßnahmen zur Sensibilisierung und
Motivation von Lernern zuständig ist.
Canudo GmbH
Kontorhaus, Lindleystr. 12
60314 Frankfurt am Main
Tel. 069 9043005-13
www.canudo.de
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