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wirtschaft + weiterbildung
10_2011
Führungsrolle“, erklärt die promovierte
Psychologin. Zudem wird im Einzel-Coa-
ching an den persönlichen Ergebnissen
gearbeitet. Jedes Jahr ändert die IMD-
Professorin etwas in dem Seminar und
setzt dabei vor allem auf experimentelles
Lernen. Beim letzten Mal hat sie mit Pfer-
den gearbeitet. „Da konnte jede Teilneh-
merin etwas von ihrem persönlichen Stil
entdecken“, sagt Toegel. Die einen seien
eher ängstlich gewesen, die anderen zu
fordernd.
Das Training mit Pferden sei deshalb so
wirkungsvoll, weil es dabei darum geht,
eine Beziehung zu dem Pferd aufzu-
bauen. Jede Teilnehmerin arbeitete dabei
mit zwei Coaches – einem für den Um-
gang mit dem Pferd und einem für die
Arbeit am eigenen Verhalten. „Jede Frau
sollte ihr individuelles Signal finden, mit
dem sie Kontrolle ausdrückt“, erklärt die
Professorin.
Ein weiterer Aspekt ist die Stimme. Be-
reits am ersten Tag wird daher eine
Stimmprobe von jeder Teilnehmerin ge-
nommen und ihr dann ein Feedback über
ihr Stimmprofil gegeben. Frauen wüssten
oft nicht, wie sie die richtige Intonation
hinbekommen, weiß Toegel. Im Seminar
arbeite jede daher mit einem Coach am
wirkungsvollen Einsatz ihrer Stimme. Wie
zeigt sie Entschlossenheit? Wie signalisiert
sie Autorität? Wie wirkt sie freundlich?
Danach bekommt jede auf einem USB-
Stick ihre persönlichen Stimmübungen
für zu Hause. Ein weiteres wichtiges
Thema ist der authentische Führungsstil.
Eine Frau unter Männern sei viel sicht-
barer. Sie werde kritischer beobachtet
und strenger bewertet und verhalte sich
daher oft nicht mehr authentisch. Zudem
werde sie nicht als Individuum, sondern
als typische Vertreterin aller Frauen wahr-
genommen. Die amerikanische Manage-
mentprofessorin Rosabeth Moss Kanter
prägte für dieses Phänomen bereits 1977
den Begriff „Tokenism“. Dazu gehört
auch, dass die Gruppe der dominierenden
Männer stets bestrebt ist, den eigenen
Gruppenzusammenhalt zu stärken und
sich gegenüber der Außenseiterin ab-
zugrenzen. Was man dagegen tun kann?
„Legen Sie alles offen auf den Tisch“, rät
die Professorin. Erklären Sie: Ich bin hier
die einzige Frau, daher kann es passieren,
dass Sie bei allem, was ich sage, denken,
dass alle Frauen so agieren. Aber Frauen
sind unterschiedlich. In Kleingruppen be-
arbeiten die Teilnehmerinnen Fallstudien,
erproben ihr Führungsverhalten und wer-
R
Karrierefrauen: Es fehlt der Return-on-Investment
Das „managermagazin“ veröffentlichte Ende August in
seinem Internet-Auftritt die wichtigsten Ergebnisse der
Karrierestudie exklusiv: Die Mehrheit der befragten Mana-
gerinnen habe demnach keine Kinder und lebe in teils
anstrengenden Beziehungen. Der Anteil der Doppelkarrie-
ren und der getrennten Wohnsitze sei hoch.
Obwohl die Frauen auf eine traditionelle Familie verzich-
tet hätten, brachten sie es trotzdem nicht an die Spitze
ihrer Unternehmen. „Während ihre Kollegen vom Schreib-
tisch gegenüber, mit denen sie einst im Traineeprogramm
saßen, heute die Firmen regieren, stagnieren die Karrie-
ren der Frauen auf hohem Niveau. So macht sich in der
Lebensmitte Bitterkeit breit“, fasst das „managermagazin“
die Gefühlslage zusammen.
Die Frauen suchen die Gründe für das Ausbleiben ihrer
Beförderung in den Vorstand nicht nur in den Strukturen,
sondern ganz selbstkritisch auch bei sich selbst. Denn nur
eine Minderheit gibt an, sie habe ihre Karriere strategisch
geplant. Typischerweise suchen sich laut Studie die Frauen
„interessante Aufgaben“, in denen sie sich entfalten kön-
nen. Bei den meisten bilde sich erst in der zweiten Lebens-
Studie.
Viele Karrierefrauen um die 50 ziehen eine bittere Bilanz. Sie haben wohl einen zu
hohen Preis gezahlt. Das legt eine Studie nahe, die die Soziologin Christiane Funken an der TU
Berlin erstellt hat. Die Geschlechterforscherin führte im Auftrag des Bundesfrauenministeriums
und auf Initiative des Managerinnen-Zirkels „European Women‘s Management Development
Network“ (EWMD) Tiefeninterviews mit 30 Managerinnen zwischen 45 und 55 Jahren durch.
Traditionelle Familie:
Top-Managerinnen verzichten meist.
hälfte ab etwa 40 der Appetit auf einen Vorstandsposten
heraus. Da sei es dann aber bereits zu spät, so Studienlei-
terin Christiane Funken.
Martin Pichler