wohnungspolitische informationen 37/2019

BUNDESPOLITIK Das Rechtsgutachten von Prof. Dr. Hans- Jürgen Papier zusammengefasst von Carsten Herlitz und Dr. Matthias Zabel, Juristen des GdW Ein per Landesgesetz eingeführter Mie- tendeckel wäre verfassungswidrig. Das hat ein Rechtsgutachten des ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsge- richts Prof. Dr. Hans Jürgen Papier im Auf- trag des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen eindrucksvoll bestätigt. So kommt Prof. Dr. Papier in seinem Gut- achten zu dem Schluss: „Die Länder, somit auch der Landesgesetzgeber von Berlin, verfügen nach dem Grundgesetz unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt über eine Gesetzgebungskompetenz zur Einführung eines sogenannten Mieten- deckels.” Wieso ist laut Prof. Dr. Papier ein Lan- desmietendeckel verfassungswidrig? Prof. Dr. Papier begründet die Verfas- sungswidrigkeit damit, dass durch einen Landesmietendeckel für ein und densel- ben Sachverhalt – nämlich den Mietpreis für Wohnraum – im Land Berlin unter- schiedliche gesetzgeberische Anord- nungen gelten würden: Zum einen die Vorschriften des im Bürgerlichen Gesetz- buch verankerten sozialen Mietrechts und zum anderen die dazu im Wider- spruch stehenden Regelungen durch den Mietendeckel. Damit wäre die Rechts- ordnung an dieser Stelle widersprüch- lich. Daraus ergibt sich die Verfassungs- widrigkeit. Wieso dürfen Bund und Land nicht gleichzeitig Mietpreise regulieren? Prof. Dr. Papier stellt fest, dass der Bund mit der Mietpreisbremse für neue Mietver- träge und die Mieterhöhungsmöglichkeit für bestehende Mietverhältnisse in § 558 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bereits von seiner Gesetzgebungskompetenz für das BGB Gebrauch gemacht hat. Damit hat er auch von seiner Gesetzgebungs- kompetenz für das Mietrecht Gebrauch gemacht (vgl. Gutachten S. 6). Der Bun- desgesetzgeber besitzt für das von ihm geregelte soziale Mietpreisrecht eine Voll- kompetenz. Das Landesverfassungsrecht kann diese grundgesetzliche Kompetenz- verteilung weder sprengen, noch anders auslegen. Es dürfen, wie bereits das Bun- desverfassungsgericht entschieden hat (BVerfGE 98, 265, 301), „konzeptionelle Entscheidungen eines Bundesgesetzge- bers nicht durch auf Spezialzuständig- keiten gründende Einzelentscheidun- gen eines Landesgesetzgebers verfälscht werden.” (vgl. S. 9). Das bundesrechtliche Mietpreisrecht übt daher eine Sperrwir- kung in Verbindung mit dem Grundsatz der wechselseitigen bundesstaatlichen Rücksichtnahme aus. (BVerfGE 98,265,300): „Zu einem erkennbar gewordenen Wil- len des Bundesgesetzgebers, zusätzliche Regelungen auszuschließen, darf sich ein Landesgesetzgeber mit anderen Worten nicht in Widerspruch setzen, selbst wenn er das Bundesgesetz wegen Fehlens einer Regelung für unzureichend hält.”  Und weiter: „Die bundesstaatliche Kompetenzordnung verpflichtet alle rechtssetzenden Organe, ihre Regelungen so aufeinander abzustim- men, dass die Rechtsordnung nicht auf- grund unterschiedlicher Anordnung wider- sprüchlich wird (BVerfGE 98,265,301)”  Es besteht also keine Gesetzgebungskom- petenz für einen Landesmietendeckel. Fällt die Zuständigkeit für das Wohnen und damit auch für die Höhe von Miet- preisen nicht seit der Föderalismusre- form in die Kompetenz der Länder? Nein. Laut amtlicher Begründung im Zuge der Föderalismusreform I fallen lediglich die Bereiche des Wohnungswesens, d. h. das Recht der sozialen Wohnraumförde- rung, der Abbau von Fehlsubventionen im Wohnungswesen, das Wohnungsbin- dungsrecht, das Zweckentfremdungs- recht im Wohnungswesen sowie das Wohnungsgenossenschaftsvermögen in die ausschließliche Gesetzgebungskom- petenz der Länder. „VomWohnungsmiet- recht und Mietpreisrecht ist gerade nicht die Rede.” (vgl. S 14.) Darf das Land nicht neben dem Miet- recht im BGB eine eigene zusätzliche Regelung einführen? Das soziale Mietpreisrecht kann nur ein- mal geregelt werden. Das Bundesverfas- sungsgericht hat schon sehr frühzeitig klargemacht hat, dass das bürgerliche Recht die Zusammenfassung aller Nor- men betreffe, die herkömmlicherweise dem Zivilrecht zugerechnet werden. Das bedeutet: Es kann kein danebenstehen- des „öffentliches Recht” geben. Rein begrifflich oder terminologisch ori- entierte Differenzen (öffentliches Recht etc.) spielen dabei juristisch gesehen keine Rolle und bieten keine Legitimie- rung für die Einführung eines Mietende- ckels (vgl. S. 7). Aber das Land Berlin gewährt doch ein Recht auf Wohnen? Die in Artikel 28 Absatz 1 der Landes- verfassung von Berlin enthaltene Bestim- mung im Hinblick auf die Schaffung und Bereitstellung angemessenen Wohn- raums ist und bleibt Landesrecht. Landes- recht kann, wie Prof. Dr. Papier ausführt, nur dann zur Anwendung kommen, wenn dies im Rahmen der Kompetenz- ordnung des Grundgesetzes geschieht. Bei einem Landesmietendeckel wäre dies gerade nicht der Fall. Fazit: Das Mietpreisrecht ist abschließend im BGB geregelt. Eine parallele Gesetzge- bungszuständigkeit der Länder - etwa über ein öffentliches Mietrecht - besteht eindeutig nicht. Die Wertung der Wohnungswirt- schaft: Ein Mietendeckel auf Landesebene ent- behrt jeglicher Rechtsgrundlage und ist juristisch unhaltbar. Dieses Ergebnis des Gutachtens von Prof. Dr. Papier gilt nicht nur für Berlin, sondern auch für alle ande- ren Bundesländer in Deutschland. Damit wird jede Diskussion über die inhaltliche Ausgestaltung eines Landesmietende- ckels überflüssig. Dieses Ergebnis ist ein deutliches Stopp- zeichen für alle, die nach einem Landes- mietendeckel rufen, ohne sich über die Folgen auch nur im Ansatz Gedanken zu machen. Wir fordern die Berliner Landesregierung auf, sich endlich von diesem verfassungs- widrigen Instrument abzuwenden und so jahrelange Unsicherheiten für Vermieter und Mieter mit allen negativen Folgen zu vermeiden. Stattdessen sollte es endlich wieder darum gehen, die Wohnungswirtschaft insgesamt als Partner für die Schaffung bezahlbaren Wohnraums anzusehen. Das gemeinsame Ziel muss es sein, die Interessen von Eigentümern und Mietern auszugleichen und mehr bezahlbaren Wohnraum in Berlin – wie in den ande- ren Ballungsräumen Deutschlands – zu schaffen. FRAGEN & ANTWORTEN 2 37/2019

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