Wohnungspolitische Informationen 44/2019

AUS DEN VERBÄNDEN Fotos: Klaus D. Wolf Der ehemalige Bundesfinanzminister Dr. Theo Waigel betonte bei seinem Vortrag die Wich- tigkeit gegenseitigen Vertrauens zwischen poli- tischen Entscheidungsträgern. Die Zukunft des bezahlbaren Wohnens gestalten – Fachtagung der bayerischen Wohnungswirtschaft Reit imWinkl – „Herausforderungen für unsere Branche gibt es einige“, unter- strich der Vorsitzende des Verbandes bayerischer Wohnungsunternehmen (VdW Bayern), Jörg Kosziol, bei der Begrüßung der rund 450 Vertreter von Mitgliedsunternehmen und Gäste aus Politik und Verwaltung zur Fachtagung am 14. Oktober 2019. „Die Wohnungs- wirtschaft befindet sich im Spannungs- feld zwischen dem Ziel, preisgünstige Wohnungen zu bauen und den Anfor- derungen Flächensparen, Klimaschutz und steigende Baukosten“, brachte es Verbandsdirektor Hans Maier auf den Punkt. In seinem Vortrag betonte er, dass es in Bayern zu wenige bezahlbare Wohnungen gebe. Die prognostizierte Zuwanderung werde die Nachfrage noch verschärfen. Die Unternehmen des VdW Bayern böten Sicherheit auf angespannten Wohnungsmärk- ten, bräuchten aber ihrerseits Verläss- lichkeit, etwa imMietrecht oder bei den Fördermitteln. Vera Cornette , Reporterin des Bayerischen Rundfunks und dort zuständig für die The- men Landespolitik, Digitalisierung und Wohnen führte durch das Programm und begrüßte Dr. Theo Waigel als ersten Refe- renten des Tages. Als ehemaliger Bundes- finanzminister. und Vorsitzender der CSU prägte Waigel insbesondere in den 1980er- und 1990er-Jahren sowohl deutsche als auch europäische Einigungsprozesse. Unter dem Vortragstitel „Vertrauen als Grund- voraussetzung für Handeln in Politik und Gesellschaft“ übertrug Waigel Erfahrungen aus seiner Tätigkeit als Finanz- und Partei- politiker auf gesellschaftliche Entwicklun- gen und entwarf einen Handlungsleitfaden „für unsichere Zeiten“. Seine bestärkenden Worte: „Es lohnt sich, anständig zu sein!” Das Vertrauen der politischen Entschei- dungsträger untereinander sei die Basis für gemeinsames Handeln und positive gesell- schaftliche Veränderungen. Die deutsche Wiedervereinigung sei etwa ohne die ver- trauensvolle Beziehung zwischen Gorbat- schow, Kohl und Bush nicht möglich gewe- sen. Die gemeinsame Arbeit für eine gute Sache auch vor dem Hintergrund gesell- schaftlicher Kritik hat sich also auch in der Vergangenheit bezahlt gemacht. Guter Wille allein nützt jedoch nichts, wenn die Rahmenbedingungen nicht pas- sen. Aktuell sind besonders politische Ent- scheidungsträger aufgerufen, Antworten auf die Frage nach bezahlbarem Bauland oder der Gestaltung einer sozialverträgli- chen Klimawende zu geben. Staatsminis- ter Thorsten Glauber versuchte, das Sozi- ale mit dem Ökologischen zu versöhnen. „Lasst uns nicht nur über Technik und Regu- lierung ‚von oben‘ reden“, war seine Kern- botschaft. Um die ambitionierten Klimaziele im Gebäudebereich zu stemmen ohne die Mieterinnen und Mieter zu überfordern, sprach sich Glauber bei künftigen Vorschrif- ten zur energetischen Modernisierung für eine stärkere Orientierung am Kosten-Nut- zen-Verhältnis aus. Die Anforderungen an den KfW-55-Standard sollten laut Glauber keinesfalls weiter verschärft werden. Beim Thema Förderung berichtete der Staatsmi- nister von einer neuen Bundesratsinitiative der bayerischen Staatsregierung, wonach bei energetischer Sanierung künftig Son- derabschreibungen von 20 Prozent möglich sein sollen. Die bayerische Politik richte den Blick auch auf den verstärkten Einsatz nach- haltiger Baustoffe und bei Maßnahmen zur Verbesserung des Stadtklimas. Nach seinem Impulsvortrag diskutierte Glauber gemeinsam mit VdW-Verbandsdi- rektor Hans Maier, dem Vorsitzenden der SPD Bayern, Horst Arnold , der baupoliti- schen Sprecherin der Grünen-Fraktion im bayerischen Landtag, Ursula Sowa , sowie dem Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Bauindustrieverbandes, Hans Schmid , über „Wohnen und Bauen der Zukunft“. Nicht nur bei Klimawende, Flächensparen und günstigen Mieten sind Wohnungsun- ternehmen unter den ersten Ansprechpart- nern, wenn es um die Frage geht: Wie lebt es sich in Zukunft in Deutschland? Auch das Thema der Sicherung gleichwertiger Lebens- verhältnisse und des Ausgleichs zwischen Stadt und Land bewegt die Branche. Prof. Manfred Miosga , Professor für Stadt- und Regionalentwicklung an der Universität Bay- reuth und Präsident der Bayerischen Akade- mie Ländlicher Raum, warb für die Schaf- fung von „räumlicher Gerechtigkeit“ im Freistaat. Gleichwertige Lebensverhältnisse bedeuten vor allem die gleiche Gewichtung der Bedürfnisse von Menschen in Stadt und Land. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass ein Leben abseits der Städte von einer Mehr- heit der Deutschen präferiert wird. Ein Hin- dernis bestünde neben dem Fehlen einer zukunftsfähigen Infrastruktur oftmals auch im Mangel bezahlbarer, bedarfsgerechter Wohnungen. Eine Stärkung des ländlichen Mietwohnungsbaus, so Miosga, könnte diese Räume ebenso stark beleben, wie Infra- strukturmaßnahmen. In seinem Vortrag „Wohnen abseits der Metropolen“ zog Axel Gedaschko , Präsi- dent des Spitzenverbands der Wohnungs- wirtschaft GdW, ein etwas anderes Fazit: „Gutes Wohnen ist nur ein Mosaikstein; auch Arbeit, Sicherheit, Gesundheitsver- sorgung und Freizeitangebote müssen auf dem Land zu finden sein.“ Angemes- sener und bezahlbarer Wohnraum, ins- besondere für Senioren, junge Familien und Singles sei nur eine Herausforderung unter vielen. Eine Intensivierung des Woh- nungsbaus könnte durch die Politik nur über einen Ausbau der Förderung sowie eine Vereinfachung der Förderverfahren erreicht werden. Gedaschko sieht aktuelle Vorhaben zur Mietenregulierung dabei mit dem grundgesetzlichen Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse in Konflikt. Die Städte entwickelten schon heute durch Agglome- rationseffekte eine starke Sogwirkung – durch künstlich gedrückte Mieten würden Metropolen noch attraktiver. Geholfen sei mit solchen Maßnahmen allerdings nur den Bestandsmietern in den Städten, Zuzugs- willige aus anderen Teilen der Republik und aus dem Ausland hätten es zunehmend schwerer – eine Gerechtigkeitslücke. Aller- dings: „Egal ob Stadt oder Land, nie wird sich jeder Wohnwunsch genau erfüllen las- sen – und erst recht nicht zum Wunsch- preis“, gab Gedaschko zu bedenken. Daher komme auch in Zukunft der individuellen Mobilität höchste Bedeutung zu, um Pen- delbewegungen aus und in die Städte zu unterstützen. (wehl/zeis) 44/2019 5 Die Podiumsteilnehmer diskutierten bei der Fachtagung zum Thema „Wohnen und Bauen der Zukunft”

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