Wohnungspolitische Information 45/2019
Podiumsdiskussion mit wohnungspolitischen Sprechern der Parteien im Landtag und Sebastian Czaja (FDP), moderiert von Journalist Christian Hunziker. Fotos: Michael Reichel Ländliche Regionen stärken Immerhin lebt jeder vierte Thüringer bei einem vtw-Mitgliedsunternehmen. „Schon allein diese Tatsache zeigt, dass wir mehr als nur eine wohnungspolitische Verantwortung tragen“, so Frank Emrich. Als wesentliches Thema benannte er die Stärkung des länd lichen Raumes. Dessen Belebung kann den Druck frühzeitig vom Wohnungsmarkt der größeren Städte nehmen, dazu bedarf es dem nachhaltigen Ausbau der Infrastruktur und – in einigen Regionen nötig – sogar dem Rück bau. Gezielte Förderung statt Gießkannen politik lautete denn auch die Forderung der Politiker. Dazu gehören Anschluss an den ÖPNV und dessen bessere Taktung, Freizeit angebote, Versorgungseinrichtungen wie Einzelhandel und niedergelassene Ärzte. Die wohnungspolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, Christina Liebetrau , mahnte eine gezielte Bauförderung an. Sie forderte unter anderem eine Unterstützung für den Bau etwas höherpreisiger Wohnungen im Bereich von sechs bis acht Euro Kaltmiete pro Quadratmeter. Heute ist das Ergebnis der Landtagswahl bekannt, beim Verbandstag war es dagegen nur eine Vermutung. Das macht es allerdings nicht einfacher, zukünftig gute Wohnungs politik zu gestalten. „Thüringen ist nicht Berlin“ Statt kämpferisch zeigten sich die woh nungspolitischen Experten der Fraktionen eher einig. So befanden sie, dass Sachlich keit und das Finden pragmatischer Lösungen vor der Ideologie stehen. Nur einmal, beim Mietendeckel, flammte kurz Dissens auf. Die Linken-Vertreterin Ute Lukasch sprach sich als einzige für dieses Instrument aus. Der erwartete Widerspruch blieb aus, die anderen Parteien zeigten sich nachdenklich und wollten eher inhaltlich diskutieren. Dazu passte der Satz „Thüringen ist nicht Berlin“ des Grünen-Politikers Roberto Kobelt , der allgemeine Zustimmung fand. Unabhängig vom politischen Lager wurde als eine maßgebliche Komponente die Verläss lichkeit der staatlichen Förderung ange mahnt. Der SPD-Wohnungsexperte Frank Warnecke warb um eine Verstetigung der Programme, insbesondere beim Thema Bar rierefreiheit und Abriss bei Leerstand. Einen anderen Ansatz der Entlastung hatte der einzige Nicht-Thüringer in der Runde. Der FDP-Fraktionschef im Berliner Abgeordneten haus, Sebastian Czaja , der spontan für den Thüringer FDP-Landesvorsitzenden Thomas Kemmerich einsprang, sah Grunderwerbs steuerfreibeträge als Anreiz für Schaffung von Eigentum, auch und besonders auf dem Land. Den Handlungsbedarf bei der Sanie rung von Altbaubestand auf dem Land be zeichnete der AfD-Vertreter Thomas Rudy als eine zentrale Aufgabe. Hier wurde der Bogen zu einer der großen Herausforde rungen für die kommenden Jahre gespannt, der für den Thüringer Wohnungsmarkt ebenfalls relevant ist. Zweite Sanierungswelle steht bevor Die sogenannte zweite Sanierungswelle in den neuen Bundesländern führe laut Ver bandsdirektor Frank Emrich zur Verdreifa chung unternehmerischer Investitionen, um die Bestandsimmobilien auf den neuesten Stand zu bringen. Hinter dem Titel „Lebens zyklusbetrachtung eines repräsentativen Typengebäudes“, eine Studie von Professor Norbert Raschper , die eigens für den vtw erstellt wurde, verbergen sich konkrete Hand lungsempfehlungen zu diesem Thema. Be handelt werden verschiedene Fragen: Wann sollte wo Geld in Modernisierung gesteckt werden? Wie saniert man nachhaltig, ohne das Budget zu sprengen? Welche Moderni sierungen sind aus Kostengründen auf den Prüfstand zu stellen? Wie wirkt sich dies auf die Eigenkapitalrendite aus? Hier zeigte sich eine Problematik, die viele Thüringer Unternehmen treffen kann: Gerade die Woh nungsunternehmen im ländlichen Raum haben meist ein sehr geringes Mietniveau. Dieses resultiert aus der geringen Kauf kraft, dem niedrigen Einkommen und kann schon deshalb nicht mit Mieterhöhungen aufgefangen werden. Unüberlegte und viel leicht gar nicht notwendige Sanierungen können zu Rendite- oder gar Liquiditätsfallen werden. Hier ist öffentliche Förderung ge fragt, um den Dreiklang von bezahlbarem Wohnen, modernen, bedarfsgerechten An geboten und der Stärkung des ländlichen Raumes abzusichern. Der Verbandstag in Weimar wurde von Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW, mit sorgen vollen Worten und einem eindringlichen Appell abgerundet. „Ich wünsche Ihnen, dass Sie das Thüringer Klima erhalten. Lassen Sie sich bitte nicht anstecken“, so Gedaschko. Er würdigte, besonders im Gegensatz zur ideo logisch aufgeheizten, postfaktischen Stim mung in der Bundeshauptstadt, das kompromisssuchende politische Klima unter den Parteien in Thüringen. (bra/schi) GdW-Präsident Axel Gedaschko findet klare Worte auf dem vtw- Verbandstag Fortsetzung von Seite 3 4 45/2019
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