WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 41/2019
EXPO REAL 2019 „Die Zukunft des Pflegemarkts Deutsch- land hängt insbesondere von der Bereit- schaft der Politik ab, die notwendigen Investitionen zuzulassen und die hierfür passenden Rahmenbedingungen zu schaf- fen“, sagt Jan-Hendrik Jessen , Vorsitzen- der des ZIA-Ausschusses Gesundheitsim- mobilien. „Denn nach dem personellen Pflegenotstand begeben wir uns in die Gefahr eines baulichen Pflegenotstands. Ein Mangel an Pflegeplätzen besteht bereits und die Generation der Babyboo- mer geht erst noch in Rente. Wir fordern etwa die Einführung einer bundesweit gültigen Musterbauordnung für Pflege- heime, gegebenenfalls im ersten Schritt über Länderallianzen. Gleichzeitig aber müssen wir auch ‚Älter werden im Quar- tier’ forcieren. Ältere Menschen benötigen andere Wohnungen und ein angepasstes Wohnumfeld. Sie benötigen Wohnraum plus, der an ihre jeweiligen Bedürfnisse angepasst ist. Dazu sind technische Ver- änderungen in den Wohnungen, aber ins- besondere auch soziale Dienste nötig, die ein weitgehend selbstbestimmtes Leben in der eigenen Wohnung überhaupt erst ermöglichen.“ Für Rolf Schettler , Geschäftsführer der Schettler Verwaltung GmbH & Co. KG, spielt auch die Digitalisierung in diesem Bereich eine bedeutende Rolle. „Die Ant- wort der Wohnungswirtschaft auf den Pflege im Quartier – Zwischen Notwendigkeit und Zukunftsvisionen München/Berlin – Mit den Pflegeimmobilien ist in den vergangenen Jahren eine Assetklasse in den Fokus gerutscht, die lange Zeit zu wenig berücksichtigt wur- de – verwunderlich angesichts der aktuellen demografischen Entwicklung. Im Panel „Pflege im Quartier – zwischen Notwendigkeit und Zukunftsvisionen“ am Stand der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland (BID) ging es am Expo-Dienstag um die hiermit verbundenen Herausforderungen. demografischen Wandel besteht längst nicht mehr aus Beiträgen zu Barrierefrei- heit von Gebäuden. Vielmehr geht es um die Anbindung und Vernetzung der Gebäude an die umliegende Infrastruk- tur ohne horizontale, vertikale, ergonomi- sche und sensorische Barrieren, dafür mit hoher Wege- und Aufenthaltsqualität und mit intelligenten Schnittstellen für externe Dienstleistungspartner. Das ermöglicht opti- male Pflege und Betreuung im Quartier.“ Konkrete Vorschläge, wie die Vernetzung funktionieren kann, liefert Karsten Nöl- ling , Vorsitzender der Geschäftsführung der KIWI.KI GmbH: „Wohnungsunterneh- men wollen ihren Bewohnern die Voraus- setzungen schaffen, möglichst lange in den eigenen vier Wänden leben zu kön- nen. Viele Vermieter setzen für Barriere- freiheit auf digitale Lösungen. Ein digitaler Schlüssel ist zum Beispiel nicht nur in der Handhabung für den Bewohner leichter. Im Notfall ist das Einsatzteam schneller und ohne Umwege vor Ort.” Auch Ingeborg Esser , Hauptgeschäfts- führerin des Spitzenverbandes der Woh- nungswirtschaft GdW, betont die hohe Bedeutung von Smart Living in diesem Bereich und fordert gesetzliche Anpas- sungen: „Die Wohnung muss angesichts des demografischen Wandels noch stär- ker zu einem Standort für Gesundheit und Pflege werden. Altersgerechte Woh- nungsanpassungen und technische Assis- tenzsysteme sind der Schlüssel dafür, dass zum Beispiel eingeschränkt mobile Perso- nen in ihren Wohnungen besser betreut werden und selbständig leben können. Viele Smart Living-Anwendungen gehö- ren dabei schon zur Ausstattung moder- ner Gebäude dazu. Damit sie noch stärker zum Einsatz kommen können, muss das E-Health-Gesetz ergänzt werden. Zudem sollte das Fernberatungsverbot für Ärzte flächendeckend aufgehoben werden. Außerdem müssen geeignete technische Assistenzsysteme einschließlich Betriebs- kosten in das Leistungsrecht der Kranken- und Pflegekassen aufgenommen und mit höheren Zuschüssen für förderfähige Hilfs- mittel im Pflegehilfsmittelverzeichnis aus- gestattet werden.“ Matthias Ehbrecht , Chefredakteur CARE Invest und Moderator der Runde, sieht in der Quartiersperspektive einen Bedeu- tungszuwachs, der auch für die Markt- teilnehmer immer wichtiger wird: „Neue Projekte im Bereich Betreutes Wohnen gehören zu den Wachstumstreibern bei den Senioren-Immobilien. Dieses Konzept ist eng mit dem Quartiersgedanken ver- knüpft. Experten kalkulieren mit einem Bedarf von 550.000 zusätzlichen Wohn- einheiten in Deutschland. Darum rücken entsprechende Projekte nicht nur bei den Entwicklern und Betreibern von klassi- schen Pflegeeinrichtungen immer mehr in den Fokus. Auch Investoren und Fonds- Anbieter setzen verstärkt auf Immobilien für Betreutes Wohnen und betrachten sie wie eine eigene Asset-Klasse. Bereits funktionierende oder im Aufbau befindli- che Quartiere bilden mit ihrer gewachse- nen Identität eine gesunde Vertrauensba- sis, um künftige Bewohner und Nutzer für sich zu gewinnen.“ (hen/schi) 0,03 Prozent pro Jahr mit einer Sollzins- bindung von 10 Jahren, die während des jüngsten Zinstiefs angeboten wurden“, sagte Peter Stöhr , Mitglied des Vorstands von Dr. Klein. „Was bedeutet das für das Wohnen? Im Prinzip kann damit ein Selbstnutzer bis auf die Bewirtschaftungskosten umsonst wohnen – egal was die Immobilie kostet. Sind für den Mietwohnungsbau endgül- tig alle Investitionsschleusen geöffnet, weil Geld nichts mehr kostet? Allerdings: Umsonst darf nicht heißen, sonst zu jeder Bedingung. Langfristige Auswirkungen gilt es zu beachten.“ „In Deutschland ist der Bedarf an Wohn- raum anhaltend groß. Zugleich nährt die fortgesetzte Niedrigzinspolitik der EZB den Anlagebedarf in Immobilien“, so Dr. Carsten Düerkop , Mitglied des Vor- stands der DZ HYP. „Die hohe Nach- frage im Wohnimmobilienmarkt wird jedoch über die aktuelle Bautätigkeit nicht gedeckt. Bau- und Investitionswil- lige sehen sich durch strukturelle Schwie- rigkeiten im Planungs- und Genehmi- gungsprozess, durch das Fehlen von Baugrund und durch politische Diskus- sionen und Regulierungen gebremst. Die DZ HYP befürwortet ressourcenschonen- des Bauen und gemeinwohlorientierte Bestandsentwicklung, wo sich Nachhal- Fortsetzung von Seite 5 tigkeit und Wirtschaftlichkeit im Einklang befinden.“ Einigkeit bestand in der Diskussion dazu, dass zu viel Regulatorik im Bereich der Mieten, insbesondere die Diskussion zum Mietendeckel in Berlin, am Ende auch Aus- wirkungen auf die Finanzierungsmöglich- keiten der Wohnungswirtschaft haben wird. Auch würde die zunehmende Ent- fernung der Beleihungswerte von den Verkehrswerten der Immobilien die Finan- zierungsmöglichkeiten beschränken. Hier zeichnet sich jedoch gegebenenfalls relativ schnell eine gewisse Entspannung ab, da die Beleihungswert-Verordnung angepasst werden soll. (schi) 6 41/2019
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