Verwalter-Brief 6/2020
6 www.haufe.de/immobilien Organisation det. So haben 44% der Befragten festgestellt, dass Handwerksfirmen aufgrund der aktuellen Situation keine Notdienste oder Reparaturen mehr ausführen. Und 63% der Verwaltungen haben aktuell aufgrund der eingeschränkten Tätigkeit verschiedener Baufirmen einen erhöh- ten Aufwand bei der Einholung von Handwerkerangeboten. In dieser Situation ist es kaum mehr praktikabel und aus Sicht von 93,7% der Unternehmen nicht mehr zeitgemäß, drei Angebote von Firmen einho- len zu müssen. 4. Online-Versammlungen als neues Format der Willensbildung Durch die Regelungen der Bundesländer ist die Durchführung nichtöf- fentlicher Veranstaltungen seit Wochen im Wesentlichen untersagt. Das gilt auch für Eigentümerversammlungen. Mit 2,7% wird nur ein mini- maler Teil der Eigentümerversammlungen wie geplant abgehalten. Je länger die Beschränkungen durch die Corona-Pandemie andauern, umso größer wird die Gefahr, dass verschobene Eigentümerversammlungen in diesem Jahr gar nicht mehr stattfinden können. Das zeichnet sich heute bereits in 41,8% aller Wohnungseigentümergemeinschaften ab, denn die Verwaltungen erwarten Probleme in der Terminfindung mit den Ei- gentümern (82,5%) sowie personelle Engpässe (48,1%). Nur: Wenn keine Versammlung stattfindet, werden keine Beschlüsse gefasst. Der Stau bei Baumaßnahmen wird damit noch einmal zusätzlich vergrößert. Auf der Suche nach alternativen Wegen hat die Diskussion um Onli- ne-Versammlungen Auftrieb erfahren. Die digitale Durchführung von Eigentümerversammlungen ist jedoch weder im Wohnungseigentums- gesetz noch im Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pan- demie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht geregelt. Dabei zeigt sich überall dort, wo sie auf Grundlage individueller Regelungen durchgeführt werden, dass mehr Eigentümer teilnehmen als zuvor bei klassischen Versammlungen. Online-Versammlungen sind damit ein wichtiges Format zur demokratischen Willensbildung. 5. Verankerung von Online-Versammlungen in der Gemeinschaftsordnung Sind Online-Versammlungen gemäß § 10 Abs. 2 WEG in der Gemein- schaftsordnung vorgesehen, dann sind damit alle Rechtsunsicherheiten aus dem Weg geräumt. Das ist allerdings in den wenigsten Gemein- schaften der Fall. Eine Vereinbarung nach § 10 Abs. 2 WEG kann – anders als ein schriftlicher Beschluss im Umlaufverfahren – formfrei abgeschlossen werden. Ein Wohnungseigentümer kann sogar durch schlüssiges Handeln zustimmen, etwa durch Zuschaltung in eine Video- konferenz. Um das in die Wege zu leiten, müsste der Verwalter den Text einer solchen Vereinbarung an alle Eigentümer übermitteln und um Zustimmung bitten. Nur: Ist auch nur ein einziger dagegen, so ist die Idee gescheitert. Und wenn auch nur einer nicht antwortet, besteht die Gefahr, dass er später protestiert. Eine wichtige Maßnahme in jeder Eigentümergemeinschaft sollte sein, bei nächster Gelegenheit Online- Versammlungen in der Gemeinschaftsordnung zu vereinbaren. Zwin- gend geboten scheint es, bei zukünftigen Gemeinschaftsordnungen per se Online-Versammlungen als Willensbildungsorgan vorzusehen. 6. Beschlussfassung im Umlaufverfahren Denkbar wäre, dass die Eigentümer die Verankerung in der Gemein- schaftsordnung jetzt vornehmen und sie im schriftlichen Umlauf- verfahren nach § 23 Abs. 3 WEG beschließen. Allerdings bedarf ein Umlaufbeschluss nach aktuellem Recht der Zustimmung aller Woh- nungseigentümer. Das ist – wenn überhaupt – nur in kleinen Eigen- tümergemeinschaften umsetzbar. Aktuell hat dieses Verfahren daher kaum Praxisrelevanz, weder bei Beschlüssen über eine Online-Eigentü- merversammlung noch bei anderen Beschlüssen. Das ließe sich jedoch leicht im Zuge der anstehenden WEG-Reform ändern. Der Gesetzent- Nachgefragt: Wie wirkt sich die Corona-Pandemie auf Immobilien- verwaltungen aus? VDIV-Umfrage zeigt erste Entwicklungen auf Martin Kaßler, Geschäftsführer VDIV Deutschland Vergleichsweise wenig Kurzarbeit, umfangreiche Homeoffice- Lösungen, reduzierte Begehungen, Verzögerungen bei Bau- maßnahmen, verstärkte virtuelle Meetings. Das sind nur einige der Folgen der Corona-Pandemie für Immobilienverwaltungen, welche die aktuelle Umfrage des Verbandes der Immobilienver- walter Deutschland (VDIV Deutschland) dokumentiert. Vom 1. bis 22. April haben sich rund 1.100 Immobilienverwaltungen aus ganz Deutschland daran beteiligt. Die Erfahrungen dieser Aus- nahmewochen könnten an der einen oder anderen Stelle dazu beitragen, den auf der Zielgeraden befindlichen Gesetzentwurf zur WEG-Reform noch besser an die Erfordernisse von Eigentü- mergemeinschaften anzupassen. 1. Wenig Kurzarbeit und viel Homeoffice Im Vergleich zu anderen Branchen sind Immobilienverwaltungen bisher wenig von Kurzarbeit betroffen: 89,9% aller Verwaltungen haben für kei- nen ihrer Mitarbeiter Kurzarbeit angeordnet. Dank Digitalisierung haben 60% aller Immobilienverwaltungen im Zuge der Corona-Pandemie Ho- meoffice-Lösungen geschaffen – und sind damit offensichtlich zufrieden. Mehr als zwei Drittel von ihnen (68,6%) wollen diese Form der Arbeits- platzgestaltung auch nach dem Abklingen der Pandemie beibehalten. 2. Anträge zu Mietstundung vor allem von gewerblichen Mietern 61,2% der Unternehmen, die in der Gewerbeverwaltung tätig sind, verzeichnen aktuell verstärkt Anfragen zu Mietstundungen vor allem durch gewerbliche Mieter. In der Wohnimmobilienverwaltung ist der Anteil der Anfragen zu Mietstundungen mit 29,4% erheblich niedriger. 10,9% der Verwaltungen von Wohnungseigentümergemeinschaften registrieren derzeit verstärkt Verzögerungen oder das Ausbleiben von Hausgeldzahlungen, und 19,2% erwarten zukünftig Probleme bei Zins-, Tilgungs- und Rückzahlungen von Krediten. 3. Eingeschränkte Begehungen und Stau bei Baumaßnahmen Der Sanierungsstau aus Vor-Corona-Zeiten wird sich weiter vergrößern. Die allermeisten Befragten (88,1%) haben Begehungen in ihren ver- walteten Beständen aufgrund der Pandemie eingeschränkt. Potenzielle Schäden können dadurch womöglich nicht frühzeitig erkannt werden – es drohen höhere Kosten in der Beseitigung. Zugleich ist ein Stau an Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen zu befürchten. Bei der Ausführung von Bau-, Instandhaltungs- und Sanierungsprojekten er- warten nämlich 88,9% der Befragten Verzögerungen. Diese sind nicht zuletzt der derzeit eingeschränkten Tätigkeit von Handwerkern geschul-
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