Verwalter-Brief 6/2020
2.2. Grundsätzlich kein Zwang Die Wohnungseigentümer sind grundsätzlich nicht gezwungen, von § 7 Abs. 1 Satz 3 Heiz- kostenV Gebrauch zu machen. Sie haben Er- messen, ob so vorgegangen werden soll. Dass nicht alles an abgegebener Wärme- energie gemessen wird, steht einer Verteilung gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV (Grund- kosten und gemessener Verbrauch) noch nicht entgegen. Sind indes gewisse „Grenzwerte“ unterschritten, gilt etwas anderes und die Wohnungseigentümer sind gezwungen, nach § 7 Abs. 1 Satz 3 HeizkostenV vorzugehen. Das Ermessen der Wohnungseigentümer ist inso- weit auf null reduziert. 3. Klärungen 3.1. Anwendbarkeit von § 7 Abs. 1 Satz 3 HeizkostenV Der WEG-Senat klärt mit der Entscheidung, dass § 7 Abs. 1 Satz 3 HeizkostenV nur dann anwendbar ist, wenn seine gesetzlichen Vo- raussetzungen vorliegen. Das überzeugt. Verwunderlich ist allerdings, warum der WEG-Senat meint, dies nochmals für das Woh- nungseigentum entscheiden zu können bzw. zu müssen. Denn die HeizkostenV ist grund- sätzlich unterschiedslos auf das Miet- und das Wohnungseigentumsrecht anzuwenden. funktionierten gemäß ihrer Bestimmung. Sie erfassten, da die Nutzer der unteren Wohnun- gen die Ventile ihrer Heizkörper gar nicht oder nur spärlich öffnen müssten, da die Rohrwär- meabgabe bereits ausreichend sei, zwar einen geringen oder gar keinen Verbrauch. Das be- ruhe aber nicht auf einem technischen Defekt der Erfassungsgeräte für einen Abrechnungs- zeitraum, sondern auf dem strukturellen Pro- blem der fehlenden Isolierung der unter Putz liegenden Rohrleitungen. Die geringe Erfassungsrate der abgegebenen Wärme stelle auch keinen anderen zwingenden Grund im Sinne des § 9a Abs. 1 Satz 1 Heizkos- tenV dar. Ein „anderer zwingender Grund“ für eine nicht ordnungsgemäße Erfassung des Ver- brauchs liege nämlich nur dann vor, wenn Um- stände vorlägen, die dem Geräteausfall gleich- zusetzen seien, weil sie eine rückwirkende Korrektur der Erfassungsmängel ausschlössen. Dies sei unter anderem dann der Fall, wenn der am Heizkörper abgelesene Messwert aus zwin- genden physikalischen Gründen nicht dem tat- sächlichen Verbrauchswert entsprechen könne und damit fehlerhaft sei. So sei es im Fall der Rohrwärmeabgabe aber nicht. Die Messinstru- mente funktionierten fehlerfrei. Das bedeutet für Sie: 1. Phänomen „Rohrwärme“ Das Phänomen „Rohrwärme“ tritt sehr häufig, aber nicht ausschließlich bei Einrohrheizungen auf. Denn bis weit in die 1970er Jahre hinein wurden zahlreiche Gebäude in der alten Bundes- republik nachträglich von Ofen- auf Zentralhei- zung umgerüstet. Hier wurden die Rohre meist ohne Umhüllung verlegt. Die Rohre verlaufen in ca. 80% der Fälle im Estrich bzw. in den Wän- den. Auch in den Plattenbauten der ehemaligen DDR wurden Einrohrsysteme bevorzugt, auch hier sehr oft mit ungedämmten Rohren. 2. Verbrauchsermittlung nach anerkannten Regeln der Technik 2.1. Überblick Die Bestimmung des § 7 Abs. 1 Satz 3 Heiz- kostenV erlaubt es den Wohnungseigentü- mern, den Wärmeverbrauch nicht zu messen, sondern nach „anerkannten Regeln der Tech- nik“ zu bestimmen. Nach Ansicht des BGH enthält unter anderem das Beiblatt „Verfahren zur Berücksichtigung der Rohrwärmeabgabe“ der VDI-Richtlinie 2077 solche Regeln. Es gibt freilich auch andere Regeln. Welche Regeln die Wohnungseigentümer anwenden wollen, müssen sie selbst bestimmen. HeizkostenV genüge. Dies gelte unabhängig davon, ob die Wohnungseigentümer durch Vereinbarung oder Beschluss abweichende Bestimmungen getroffen hätten. Die Verpflich- tung, nach den Vorschriften der HeizkostenV abzurechnen, ergebe sich unmittelbar aus § 3 Satz 1 HeizkostenV, der die Anwendung der Vorschriften der HeizkostenV im Verhältnis der Wohnungseigentümer vorschreibe. Die HeizkostenV gebe allerdings nur einen Rahmen vor. Dieser müsse von den Woh- nungseigentümern durch Vereinbarung oder Beschluss ausgefüllt werden, bevor eine Jah- resabrechnung möglich sei. Die Wohnungsei- gentümer müssten insoweit mehrere Umlage- schlüssel bestimmen. 3. Das Tun der Wohnungseigentümer im Fall Im Fall hätten die Wohnungseigentümer die- sen Rahmen ausgefüllt und eine Verteilung der Heizkosten zu 70% nach Verbrauch und zu 30% nach Grundkosten beschlossen. Dieser Beschluss entspreche § 7 Abs. 1 Satz 1 Heiz- kostenV. 4. Ordnungsmäßigkeit des Umlageschlüssels Dieser Umlageschlüssel sei auch nicht zu be- anstanden. Anders wäre es allerdings, wenn die HeizkostenV etwas anderes vorschriebe. In diesem Fall wäre die Jahresabrechnung zumin- dest anfechtbar. So liege es im Fall aber nicht. Denn der Wärmeverbrauch habe nicht in An- wendung von § 7 Abs. 1 Satz 3 HeizkostenV bestimmt werden müssen. Diese Vorschrift sei weder direkt noch analog anwendbar. Nach der Rechtsprechung des BGH-Mietrechtssenats sei § 7 Abs. 1 Satz 3 HeizkostenV auf überwie- gend ungedämmte, aber nicht freiliegende Leitungen der Wärmeverteilung nämlich nicht entsprechend anwendbar. Denn der Gesetz- geber habe sich bewusst dafür entschieden, dass die Ausnahme des § 7 Abs. 1 Satz 3 Heiz- kostenV nur unter seinen Voraussetzungen anwendbar sein solle. Diese Rechtsprechung gelte in gleicher Weise für das Wohnungsei- gentumsrecht. 5. Kein Geräteausfall und kein anderer zwingender Grund Im Fall sei auch nicht § 9a HeizkostenV an- wendbar. Zwar werde teilweise angenommen, dass dann, wenn von den Heizkostenverteilern infolge von Rohrwärmeverlusten weniger als 20% der abgegebenen Wärme erfasst wer- den, der Verbrauch nach dieser Bestimmung zu ermitteln sei. Diese Ansicht treffe aber nicht zu. Denn ein Geräteausfall im Sinne dieser Vorschrift liege nicht vor. Die elektronischen Heizkostenver- teiler seien ordnungsgemäß installiert und www.haufe.de/immobilien 10 Deckert/Elzer kompakt fahren und eine rechnerische Ermittlung. Wollen die Wohnungseigentümer die VDI- Richtlinie 2077 anwenden, müssen sie auch bestimmen, welches dieser Verfah- ren angewendet werden soll. Die VDI-Richtlinie 2077 enthält 3 Verfahren zur Ermittlung des Rohrwärmeanteils: Eine messtechnische Ermittlung, ein Bilanzver- HINWEIS: Ist der „kritische Wert“ des erfassten Wär- meverbrauchs unterschritten, müssen die Wohnungseigentümer die Kosten des Wär- meverbrauchs nach den „anerkannten Re- geln der Technik“ bestimmen. Streitig ist, wann das der Fall ist. Jedenfalls als Dau- menregel sollte man davon bei einer Erfas- sung von weniger als 20% ausgehen. HINWEIS: Bei anderen Regelungen gilt dies aller- dings nicht. § 7 Abs. 2 HeizkostenV regelt beispielsweise, welche Kosten zum Be- trieb der zentralen Heizungsanlage gehö- ren. Zwischen Mieter und Vermieter hat diese Vorschrift eine Bedeutung. Denn der Vermieter kann nicht alle Kosten als Betriebskosten auf den Mieter umlegen. Unter den Wohnungseigentümern ist die Unterscheidung hingegen bedeutungslos. Denn die Wohnungseigentümer müssen alle im Zusammenhang mit dem Betrieb HINWEIS:
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