Verwalterbrief 9/2019

Beispiel 5: Eine generelle Verlagerung der Kostentragungspflicht für Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung gem. § 16 Abs. 4 WEG scheitert an mangelnder Beschlusskompetenz über den Einzelfall hinaus (BGH, Urteil vom 9.7.2010, V ZR 202/09). Beispiel 6: Die völlig allgemein gehaltene Gestattung baulicher Verän- derungen scheitert an mangelnder inhaltlicher Bestimmtheit (LG Bre- men, Urteil vom 7.10.2016, 4 S 250/15; LG Berlin, Urteil vom 5.5.2013, 55 S 52/12). Beispiel 7: Auch in Ausübung einer allgemeinen Öffnungsklausel können den Eigentümern nicht gegen ihren Willen neue, ihnen zuvor nicht obliegende Pflichten wirksam auferlegt werden (BGH, Urteil vom 10.10.2014, V ZR 315/13). Beispiel 8: Zwar können allstimmige Beschlüsse in eine sog. schuldrecht- liche Vereinbarung umgedeutet werden, welche allerdings mangels Grundbucheintragung nur die mitwirkenden Eigentümer bindet. Die Bindungswirkung (auch zwischen den Mitwirkenden) entfällt, sofern ein neuer Eigentümer in die Gemeinschaft eintritt und nicht ausdrücklich der Vereinbarung betritt (BGH, Urteil vom 26.9.2003, V ZR 217/02). 3. Folgen der rechtswidrigen Handhabung Ist festzustellen, dass die Handhabung der Gemeinschaft nicht im Ein- klang mit der o.g. Gesetzeslage steht, so stellt sich die Frage nach den hieraus abzuleitenden Konsequenzen. a) Instandsetzungsanspruch des einzelnen Sondereigentümers Gem. § 21 Abs. 4 WEG kann jeder Eigentümer die Instandhaltung und Instandsetzung der Fenster im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung verlangen. Soweit sich die übrigen Eigentümer darauf berufen, dass die bisherige Handhabung jahrelanger Übung entsprach, ist dies grundsätzlich un- beachtlich, da der aus § 21 Abs. 4 WEG folgende Anspruch zum einen unverjährbar ist und es zum anderen einen Rechtsanspruch auf Fortset- zung rechtswidriger Verwaltung nicht gibt (BGH, Urteil vom 23.2.2018, V ZR 101/16; LG Regensburg, Beschluss vom 1.10.2008, 7 T 309/07). Eine (auch den Rechtsnachfolger bindende) Anspruchsverwirkung liegt ebenfalls regelmäßig nicht vor, da dies neben dem reinen Zeitablauf die Äußerung des rechtsgeschäftlichen Willens voraussetzt, den Anspruch nicht mehr geltend machen zu wollen (BGH, Urteil vom 15.12.2017, V ZR 275/16; BGH, Urteil vom 10.7.2015, V ZR 169/14). Eine solche (konklu- dente) Erklärung kann, anders als in den Fällen einer wiederholten po- sitiven Mitwirkung an als rechtswidrig erkannten Verwaltungsmaßnah- men, der bloßen eigenständigen Vornahme von Instandsetzungen an Fenstern nicht beigelegt werden (LG Düsseldorf, Urteil vom 18.5.2010, 16 S 26/09; AG Velbert, Urteil vom 20.2.2009, 18a C 88/08). b) Kein Erstattungsanspruch für eigenständig durchgeführte Maßnahmen Hierdurch sehen sich diejenigen Eigentümer, die die Instandsetzung der Fenster in der Vergangenheit selbst und auf eigene Kosten durch- führten, regelmäßig benachteiligt und verlangen die Erstattung ihrer Aufwendungen. Abgesehen vom regelmäßig nicht einschlägigen Fall der Notgeschäfts- führung i.S.d. § 22 Abs. 1 WEG stehen diesen Eigentümern, auch wenn sie in gutem Glauben handelten, weder wohnungseigentumsrechtlich begründete Erstattungsansprüche noch solche aus berechtigter Ge- schäftsführung ohne Auftrag gem. §§ 682, 670 Abs. 2 BGB oder gar bereicherungsrechtliche Kostenerstattungsansprüche aus unberechtig- ter Fremdgeschäftsführung gem. §§ 687 Abs. 1, 812 ff. BGB zu (vgl. BGH, Urteil vom 14.6.2019, V ZR 254/17). Soweit nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 25.9.2015, V ZR 246/14) ein Erstattungsanspruch unter bereicherungs- 5 www.haufe.de/immobilien rechtlichen Gesichtspunkten bestehen konnte, sofern die eigenmächtig durchgeführte Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums dringend notwendig war und von der Eigentümerversammlung im Falle deren vorheriger Befassung ohnehin positiv hätte entschieden werden müs- sen, so hat der BGH diese Rechtsprechung in der o.g. Entscheidung aus- drücklich aufgegeben. Zwar müssen, so der BGH, Wohnungseigentümer stets damit rechnen, dass es durch Mängel des Gemeinschaftseigen- tums zu unvorhergesehenen Ausgaben kommt, für die sie einzustehen haben. Sie müssen ihre Finanzplanung aber nicht darauf einrichten, im Nachhinein für Maßnahmen, auf welche sie keinen Einfluss nehmen konnten, herangezogen zu werden. c) Eigenmächtig ausgetauschte Fenster In der Annahme, in Ansehung der Fenster im Bereich ihres Sonderei- gentums autonom entscheiden zu können, führten Eigentümer zudem vielfach auch den Austausch von Fenstern eigenständig und damit bau- liche Veränderungen durch. Da die Fenster zu gemeinschaftlichem Eigentum werden und etwaige Rückbauansprüche üblicherweise verjährt sind, stellt sich die Frage, ob diese Fenster später auch auf Kosten der Gemeinschaft instand zu set- zen sind. Handelte es sich um eine Instandsetzungsmaßnahme, welche die übrigen Eigentümer im Falle ihrer Befassung als notwendig hätten beschließen müssen, können sich diese auf § 16 Abs. 6 S. 1 WEG nicht berufen (Bärmann/Merle, WEG, 14. Aufl. 2018, § 16 Rn. 158). Im Falle des Austausches nicht instandsetzungsbedürftiger Fenster, z.B. durch abweichende, luxuriöse Ausführungen, ist zu beachten, dass die übrigen Eigentümer gem. § 16 Abs. 6 S. 1 WEG regelmäßig nicht ver- pflichtet sind, sich an den späteren Kosten zu beteiligen (vgl. Bärmann/ Merle, WEG, 14. Aufl. 2018, § 16 Rn. 154). 4. Möglichkeit von Abgeltungszahlungen? Nach bisheriger Rechtsmeinung konnten die Wohnungseigentümer streitige Auseinandersetzungen über die Berechtigung etwaiger Er- stattungsansprüche vermeiden, indem sie eine pauschale Abgeltung solcher Ansprüche aus Gemeinschaftsmitteln beschlossen (OLG Düssel- dorf, Beschluss vom 26.05.2008, I-3 Wx 271/07; LG München I, Urteil vom 6.2.2014, 36 S 9481/13). Fraglich ist mit Blick auf die o.g. „harte“ Rechtsprechung des BGH, ob die Wohnungseigentümer diese Möglich- keit noch besitzen. Hier vertretener Rechtsauffassung nach dürfte dies kein unzulässiges „Geldgeschenk“ darstellen, sondern nach wie vor zur Erhaltung des ansonsten erheblich gestörten Gemeinschaftsfriedens zulässig sein, zumal es sich um freiwillige symbolische Befriedungszah- lungen handelt, welche ohne- hin nicht auf eine vollständige Erstattung solcher Aufwen- dungen gerichtet sein dürften (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 10.9.2014, 25 S 9/14). Rüdiger Fritsch berät und vertritt als Fachanwalt für Miet- und Wohnungsei- gentumsrecht Unternehmen der Wohnungswirtschaft. Er ist Buchautor, veröffentlicht in Fach- zeitschriften und ist für namhafte Tagungsveranstalter bundesweit als Referent tätig. Als beratendes Mitglied unterstützt er den Bun- desfachverband der Immobilien- verwalter (BVI). DER AUTOR

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