Verwalterbrief 9/2019
einzelnen Sondereigentümers begründet werden sollte (OLG Karlsru- he, Beschluss vom 7.7.2010, 11 Wx 115/08; LG Dortmund, Urteil vom 1.4.2014, 1 S 178/12). 2. Prüfung der Beschlusslage Ist hiernach festzustellen, dass Teilungserklärung und Gemeinschafts- ordnung keine oder unwirksame Regelungen zur Abweichung von der gesetzlichen Regelung enthalten, aber gleichwohl abweichend verfah- ren wird, ist der Frage nachzugehen, warum bzw. auf welcher Grund- lage dies geschieht. Einfach gelagert sind die Fälle, in denen die rechtswidrige Handhabung schlicht darauf beruht, dass die Wohnungseigentümer die tatsächliche Rechtslage ohne nähere Prüfung (gerade bei zweifelhaften Regelungen der Gemeinschaftsordnung) falsch interpretieren. Oftmals wird aber auch aus Gründen „gefühlter Gerechtigkeit“ der bewusste Versuch unternommen, eine abweichende Verteilung der Instandsetzungs- oder zumindest der Kostenlast durch Beschluss her- beizuführen, was vor allem für solche Beschlüsse gilt, die im Vertrau- en auf die Bestandskraft sog. Zitterbeschlüsse gefasst wurden. Solche Beschlüsse sind allerdings in aller Regel mangels Beschlusskompetenz nichtig (BGH, Beschluss vom 1.9.2000, V ZB 58/99). Beispiel 1: Für eine Zuordnung gesetzlich zwingenden Gemeinschafts- eigentums zum Sondereigentum fehlt die Beschlusskompetenz (BGH, Urteil vom 26.10.2012, V ZR 57/12). Beispiel 2: Nach zutreffender Auffassung sind die Wohnungseigentü- mer nicht befugt, die Gemeinschaftsordnung durch Beschluss verbind- lich auszulegen (LG München I, Urteil vom 13.2.2012, 1 S 8790/11 WEG). Soweit eine solche Befugnis angenommen wird, erstreckt sie sich aber nur darauf, die Rechtslage rein deklaratorisch und zudem zu- treffend wiederzugeben, was praktisch irrelevant ist (BGH, Urteil vom 28.10.2016, V ZR 91/16; LG München I, Urteil vom 13.7.2017, 36 S 13356/16). Beispiel 3: Durch Beschluss können Eigentümern keine persönlichen Handlungspflichten aufgegeben werden (BGH, Urteil vom 18.2.2011, V ZR 82/10). Beispiel 4: Eine generelle Verlagerung der Instandsetzungspflicht kann nur durch Vereinbarung, nicht aber durch Beschluss erfolgen (BGH, Ur- teil vom 4.5.2018, V ZR 163/17). Immer die Fenster – Unwirksame Regelungen zur Instandsetzung durch die Eigentümer und die Folgen RA Rüdiger Fritsch, Solingen Jeder WEG-Verwalter steht früher oder später vor dem gleichen Problem: In der von ihm neu übernommenen Anlage entspricht es langjähriger Praxis, dass jeder Eigentümer für die Instandhal- tung und Instandsetzung „seiner“ Fenster selbst zuständig ist. Nun verlangt ein neu in die Gemeinschaft eingetretener Eigentümer die Instandsetzung der maroden Fenster im Bereich seines Son- dereigentums durch sowie auf Kosten der Gemeinschaft und droht anderenfalls mit Klage. Die übrigen Eigentümer meinen, aufgrund der langjährigen Handhabung hierzu nicht verpflichtet zu sein. Vor- sorglich machen sie Ersatzansprüche wegen der von ihnen getätig- ten Aufwendungen zur Instandsetzung „ihrer“ Fenster geltend. Was hat der Verwalter in solchen Fällen zu beachten? 1. Auslegung der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung Zunächst muss geprüft werden, wie im Kreise der Wohnungseigentü- mer die Verantwortlichkeiten für die Instandhaltung und Instandsetzung der Fenster im Bereich des Sondereigentums tatsächlich verteilt sind. Auszugehen ist von dem Grundsatz, dass auch die im räumlichen Be- reich des Sondereigentums befindlichen Fenster gem. § 5 WEG im gemeinschaftlichen Eigentum stehen. Somit sind grundsätzlich sämt- liche Eigentümer für deren Instandhaltung und Instandsetzung sowie für die Tragung der entstehenden Kosten gemeinsam verantwortlich (BGH, Urteil vom 26.10.2012, V ZR 57/12; OLG München, Beschluss vom 23.8.2006, 34 Wx 90/06). Weitergehend muss jedoch geprüft werden, ob die Teilungserklärung bzw. die Gemeinschaftsordnung nicht etwa zulässige Vereinbarungen über die Zuweisung einer exklusiven Instandsetzungspflicht, insbe- sondere hinsichtlich der Fenster im Bereich des Sondereigentums, zu Lasten der Wohnungseigentümer enthält (BGH, Urteil vom 4.5.2018, V ZR 163/17; BGH, Urteil vom 16.11.2012, V ZR 9/12). Diese Aufga- be wird der Verwalter regelmäßig nur mit der Hilfe eines Fachjuristen bewältigen können, da solche Regelungen vielfach hochgradig ausle- gungsbedürftig sind und die hierzu ergangene Rechtsprechung kaum überschaubar ist. Besonders häufig sind Regelungskataloge anzutreffen, durch welche gesetzlich zwingend dem Gemeinschaftseigentum zugehörige Bauteile (gerade Fenster) zu Sondereigentum erklärt werden, was zur Nichtig- keit der Regelung führt (BGH, Urteil vom 25.10.2013, V ZR 212/12). Aus dieser Erkenntnis darf aber nicht voreilig der Schluss gezogen wer- den, dass nun die gesetzliche Grundregelung wieder eingreift. Im Falle einer fehlgeschlagenen, weil nichtigen Zuweisung der Fenster zum Sondereigentum kann nämlich unter Würdigung der Regelungen der gesamten Gemeinschaftsordnung im Wege der Auslegung bzw. Umdeutung der Wille zu ermitteln sein, dass eine separate Instand- setzungslast oder zumindest eine Kostentragungspflicht zu Lasten des www.haufe.de/immobilien 4 Verwalterthema des Monats Beispiele für typische „Fensterbeschlüsse“: „Es wird festgestellt, dass die Fenster der Wohnungen im Son- dereigentum stehen.“ „Es wird festgestellt, dass die Gemeinschaftsordnung so zu ver- stehen ist, dass die Fenster der Wohnungen Sache des jeweiligen Sondereigentümers sind.“ „Jeder Eigentümer hat bis zum … seine Fenster auszutauschen.“ „Jeder Eigentümer ist für die Instandhaltung und Instandsetzung seiner Fenster selbst verantwortlich.“ „Die Instandsetzung der Fenster in der Wohnung geht zu Lasten des jeweiligen Eigentümers.“ „Jeder Eigentümer ist berechtigt, seine Fenster bei Bedarf aus- wechseln.“ „Die Eigentümerversammlung beschließt in Ausübung der unter § 17 der Gemeinschaftsordnung enthaltenen Öffnungsklausel, dass ab dem 1.1.2017 jeder Eigentümer die im Bereich seiner Woh- nung befindlichen Fenster selbst und auf eigene Kosten instand zu halten und instand zu setzen hat“. „Sämtliche Wohnungseigentümer beschließen, dass ab sofort je- der Eigentümer die im Bereich seiner Wohnung befindlichen Fens- ter selbst und auf eigene Kosten instand zu halten und instand zu setzen hat“. ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■
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