Verwalterbrief 12/2019
Anspruch auf Kopienübersendung Zunächst und grundsätzlich ist der Verwalter nicht verpflichtet, Woh- nungseigentümern auf ihren Wunsch hin Kopien von bestimmten Ver- waltungsunterlagen zu fertigen und ihnen zu übersenden (BGH, Urteil v. 11.2.2011, V ZR 66/10, NJW 2011 S. 1137). Der BGH hat zwar die Frage offengelassen, ob bei großer Entfernung zwischen dem Sitz des Verwal- ters und der Wohnungseigentumsanlage Zumutbarkeitsgesichtspunkte auf Seiten des Wohnungseigentümers es erfordern, ihm die Einsichtnah- me an dem Ort der Anlage zu gewähren. Allerdings betont er, dass sich eine Pflicht zur Übersendung von Ablichtungen bestimmter Unterlagen aus dem Einsichtnahmerecht des Wohnungseigentümers ergeben kön- ne. Dies ist dann der Fall, wenn Treu und Glauben dies gebieten. Eine Versendungspflicht des Verwalters besteht jedenfalls dann, wenn der einzelne Wohnungseigentümer andernfalls die ihm zustehenden Informationen nicht rechtzeitig, etwa vor einer Eigentümerversamm- lung, erlangen kann; eine erhebliche räumliche Entfernung des Wohnungseigentümers vom Ort der möglichen Einsichtnahme besteht und ihm eine Anreise unzumutbar ist (LG Itzehoe, Beschluss v. 9.3.2016, 11 S 79/15). Die Weigerung des Verwalters war rechtmäßig. Allein eine Schwerbe- hinderung rechtfertigt noch keinen Anspruch gegen den Verwalter auf Versendung von Kopien. Zu berücksichtigen ist des Weiteren, dass der Wohnungseigentümer seine Gattin entsprechend beauftragen könnte. Maßgeblich sind im Übrigen stets die Umstände des Einzelfalls. Ein An- spruch auf Übersendung von Kopien kann etwa im Fall längerer Erkran- kung bestehen, die das Aufsuchen der Räume des Verwalters unmöglich oder unzumutbar macht. Auch ein hohes Alter des Wohnungseigentü- mers oder dessen Sehbehinderung können ein entsprechendes Begeh- ren rechtfertigen (AG Dortmund, Urteil v. 12.10.2011, 411 C 3364/11, WuM 2011 S. 631). Auch wenn im Einzelfall einmal ein Anspruch gegen den Verwalter be- steht, gegen Kostenerstattung die Anfertigung von Kopien hinreichend genau bezeichneter Belege vom Verwalter zu verlangen, kann die Forderung, alle Belege eines Wirtschaftsjahrs gegen Kostenerstattung kopiert und zugesandt zu bekommen, im Einzelfall gegen das Schi- kane- und Missbrauchsverbot verstoßen (OLG München, Beschluss v. 29.5.2006, 34 Wx 27/06, ZMR 2006 S. 881). 7. Zeitpunkt der Einsichtnahme Die Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen ist angemessene Zeit vorher anzukündigen, wobei auf die Bürozeiten und den Bürobetrieb des Verwalters Rücksicht zu nehmen ist (OLG Köln, a. a. O.). Ermöglicht der Verwalter die Einsichtnahme für einen angemessenen Zeitraum, ist er berechtigt, die Einsichtnahme abzubrechen, auch wenn der Einsicht nehmende Wohnungseigentümer noch nicht fertig ist. Diesem steht es frei, mit dem Verwalter einen Fortsetzungstermin zu vereinbaren (OLG Rostock, Beschluss v. 3.11.2008, 3 W 5/08, ZMR 2009 S. 470). Reagiert der Verwalter nicht auf ein Gesuch nach Einsichtnahme, dürfte man den Wohnungseigentümer als berechtigt ansehen, nach Vorankündigung die Geschäftsräume des Verwalters während dessen üblicher Bürozei- ten aufzusuchen und um Einsichtnahme zu bitten (LG Berlin, Urteil v. 6.6.2014, 63 S 238/13, GE 2014 S. 937). ■ ■ 6 www.haufe.de/immobilien Eigentümerversammlung Kein geeigneter Zeitpunkt für eine Unterlageneinsichtnahme ist die Eigentümerversammlung. Der Verwalter ist nämlich nicht verpflichtet, die Verwaltungsunterlagen in der Versammlung bereitzustellen. Abge- sehen vom besonderen Aufwand und der Gefahr des Verlustes sowie der Beschädigung der Unterlagen ist auch im Rahmen der Eigentümer- versammlung nicht zu erwarten, dass die Wohnungseigentümer über- haupt die ungestörte Gelegenheit haben, in ordnungsgemäßer Weise von ihrem Einsichtsrecht Gebrauch zu machen (AG Saarbrücken, Urteil v. 5.2.2009, 1 WEG C 7/08, ZMR 2009 S. 560). Etwas anderes gilt lediglich für Unterlagen, die konkrete Tagesordnungs- punkte betreffen, soweit insoweit Unterlagen wie etwa Vergleichsange- bote oder etwa auch gutachterliche Aussagen von Sonderfachleuten im Rahmen von Erhaltungsmaßnahmen vorliegen, die den Wohnungsei- gentümern nicht bereits mit dem Ladungsschreiben übersandt wurden. 8. Durchführung der Einsichtnahme Der Verwalter sollte stets berücksichtigen, dass er zur Vorlage geord- neter Unterlagen verpflichtet ist. Völlig ungeordnete Unterlagen hat er vor der Einsichtnahme zu ordnen, wobei das entsprechende System seinem Ermessen obliegt. Begehrt der Wohnungseigentümer Einsicht in bestimmte von ihm bezeichnete Unterlagen, genügt der Verwalter seiner Einsichtsverpflichtung nicht, wenn er dem Wohnungseigentümer mehrere Ordner zur Verfügung stellt, aus denen sich der Wohnungsei- gentümer die Unterlagen heraussuchen muss. Mit Blick auf die Durchführung der Einsichtnahme ist vorwegzunehmen, dass der Verwalter nicht verpflichtet ist, der Belegeinsicht persönlich beizuwohnen und der Einsicht nehmende Wohnungseigentümer kein Recht zur unbeaufsichtigten Einsichtnahme hat. Im Einzelfall wird der Verwalter abschätzen müssen, ob er dem Woh- nungseigentümer insoweit vertrauen kann, dass bei unbeaufsichtigter Einsichtnahme keine Manipulation der Unterlagen erfolgt. Bei entspre- chenden Zweifeln sollte der Verwalter für seine persönliche Anwesen- heit oder die einer seiner MitarbeiterInnen sorgen. Hat der einsichtsberechtigte Wohnungseigentümer einen Dritten zur Einsichtnahme ermächtigt, sollte sich der Verwalter die Ermächtigung nachweisen lassen. Weder dem Gesetz noch der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, in welcher Form die Ermächtigung zu erteilen ist. Der Verwalter sollte daher stets auf eine schriftliche Ermächtigung bestehen und sich durchaus auch von der Identität des Ermächtigten durch Vorla- ge des Personalausweises überzeugen. 9. Kosten der Einsichtnahme Auch wenn die Gewährung einer Einsicht in die Verwaltungsunterlagen allein mit Blick auf den hiermit verbundenen Zeitaufwand für den Ver- walter Kosten verursacht, kann er den ihm entstehenden Aufwand nicht ohne entsprechende Vereinbarung berechnen. Da das Gewähren einer Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen nicht zu den gesetzlichen Grundpflichten des Verwalters nach dem Wohnungseigentumsgesetz gehört, wird vertreten, dass sich der Verwalter insoweit ein Sonder- honorar im Verwaltervertrag ausbedingen kann. Dies scheint allerdings vor dem Hintergrund zweifelhaft, als die Verwaltungsunterlagen ohne- hin dem Verwaltungsvermögen der Wohnungseigentümergemeinschaft zuzuordnen sind. Da der Verwalter im Übrigen nach § 24 Abs. 6 Satz 3, Abs. 7 Satz 8 WEG gesetzlich verpflichtet ist, Einsicht in die Versamm- lungsniederschriften und die Beschluss-Sammlung zu gewähren, kann er sich hierfür wohl unzweifelhaft kein Sonderhonorar ausbedingen. Zweifellos aber kann der Verwalter ihm entstehende Kosten ersetzt verlangen, die ihm durch Kopieren und Versenden der Verwaltungsun- terlagen entstehen. Völlig unbedenklich sind insoweit Vereinbarungen, wonach sich die Kosten in Anlehnung an das Rechtsanwaltsvergütungs- Beispiel: Sylter Ferienwohnung Der zu 80 % schwerbehinderte Wohnungseigentümer hat eine Fe- rienwohnung auf Sylt. Die Wohnanlage wird von einem ortsansäs- sigen Unternehmen verwaltet. Er selbst lebt mit seiner Gattin 500 Kilometer entfernt. Die Ferienwohnung wird lediglich alle paar Jahre einmal genutzt. Er begehrt vom Verwalter die Übersendung konkret bezeichneter Unterlagen. Dieser weigert sich.
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