Verwalterbrief 12/2019
805). Auch auf eine Verjährung möglicher Ansprüche kommt es für die Frage der Berechtigung der Einsichtnahme nicht an (LG Frankfurt a. M., Beschluss v. 20.6.2016, 2-13 S 13/14, ZMR 2016 S. 982). Selbstverständlich steht auch der Anspruch auf Einsicht in die Abrechnungs- unterlagen für die Jahresabrechnung jedem Wohnungseigentümer einzeln zu. Auch zu seiner Geltendmachung muss kein besonderes rechtliches In- teresse dargelegt werden (BGH, Urteil v. 11.2.2011, V ZR 66/10, NJW 2011 S. 1137). Vom Einsichtsrecht umfasst sind insoweit insbesondere auch die Jahreseinzelabrechnungen anderer Wohnungseigentümer (OLG München, Beschluss v. 9.3.2007, 32 Wx 177/06, ZMR 2007 S. 720; LG Frankfurt a. M., Beschluss v. 20.6.2016, 2-13 S 13/14, ZMR 2016 S. 982). 3.2 Fertigen von Kopien Der einsichtsberechtigte Wohnungseigentümer ist grundsätzlich auch berechtigt, auf seine Kosten Kopien von den Verwaltungsunterlagen zu fertigen. Da er allerdings in den seltensten Fällen ein Kopiergerät mit sich führen dürfte, ist insoweit anerkannt, dass er gegen Kostenerstat- tung das Fertigen von Kopien verlangen kann (BGH, Urteil v. 11.2.2011, V ZR 66/10, NJW 2011 S. 1137; OLG München, Beschluss v. 29.5.2006, 34 Wx 27/06, ZMR 2006 S. 881). Dem Einsicht nehmenden Wohnungs- eigentümer ist es nicht zuzumuten, handschriftliche Notizen ggf. von einer Vielzahl von Verwaltungsunterlagen fertigen zu müssen. Insbe- sondere ist das Verlangen, gegen Kostenerstattung Kopien der Einzel- abrechnungen zu erhalten, in der Regel nicht rechtsmissbräuchlich (OLG München, Beschluss v. 9.3.2007, 32 Wx 177/06, ZMR 2007 S. 720). Als Alternative kann der Einsicht nehmende Wohnungseigentümer selbstverständlich auch Lichtbilder von den Unterlagen etwa mittels seines Smartphones fertigen (AG Charlottenburg, Beschluss v. 6.8.2010, 216 C 111/10, GE 2010 S. 1205 zum Mietrecht). 3.3 Grenzen Allgemein setzt das Missbrauchs- und Schikaneverbot dem Einsichtsbe- gehren der Wohnungseigentümer Grenzen. Ob diese Grenzen überschrit- ten sind, richtet sich maßgeblich nach den Umständen des konkreten Einzelfalls. Zu beachten ist jedenfalls grundsätzlich, dass der Anspruch auf Einsicht in die Verwaltungsunterlagen nicht auf eine nur einmalige Einsichtnahme beschränkt ist (LG Hamburg, Urteil v. 5.10.2011, 318 S 7/11, ZMR 2012 S. 292). Die Verweigerung der Unterlageneinsicht erfolgte zu Unrecht. Insbe- sondere liegt kein rechtsmissbräuchliches oder schikanöses Einsichtsbe- gehren vor, da sich die Verhältnisse in der Zwischenzeit geändert haben konnten (LG Frankfurt a. M., Urteil v. 12.1.2017, 2-13 S 48/16, ZMR 2017 S. 824). Selbst wenn ein Wohnungseigentümer in der Vergangenheit mehrfach Einsicht in die Verwaltungsunterlagen genommen hat, ist da- durch nicht belegt, dass seinem Informationsbedürfnis bereits vollstän- dig entsprochen worden ist (LG Frankfurt a. M., Beschluss v. 20.6.2016, 2-13 S 13/14, ZMR 2016 S. 982). Die Grenzen zum Rechtsmissbrauch bzw. der Schikane werden dann überschritten sein, wenn ein Wohnungseigentümer mehrfach und Verwaltungsunterlagen: Einsichtsrecht RA Alexander C. Blankenstein, Düsseldorf Bei dem Recht auf Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen der Wohnungseigentümer handelt es sich um einen Individual- anspruch, den ein jeder Wohnungseigentümer ohne Ermächti- gung der übrigen und ohne vorherige Beschlussfassung gel- tend machen kann (BGH, Urteil v. 11.2.2011, V ZR 66/10, NJW 2011 S. 1137). Ein Einsichtsrecht hat auch der ausgeschiedene Wohnungseigentümer (KG Berlin, Beschluss v. 31.1.2000, 24 W 601/99, ZMR 2000 S. 401). 1. Pflicht zur Einsichtsgewährung Zur Einsichtsgewährung ist der jeweils amtierende Verwalter verpflich- tet. Befinden sich die Verwaltungsunterlagen noch beim nicht mehr amtierenden Vorverwalter, hat der aktuell amtierende Verwalter für die Beschaffung der Unterlagen zu sorgen. Der ehemalige Verwalter ist nicht mehr zur Einsichtsgewährung verpflichtet, wohl aber zur Unterla- genherausgabe (OLG München, Beschluss v. 20.7.2007, 32 Wx 93/07). 2. Einschränkung/Ausschluss des Einsichtsrechts Eine Einschränkung des Einsichtsrechts ist allenfalls durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer möglich. Ein vollständiger Ausschluss des Einsichtsrechts wäre auch als Vereinbarung der Wohnungseigentümer unwirksam, da insoweit in den unverzichtbaren Kernbereich des Mitver- waltungsrechts der Wohnungseigentümer eingegriffen würde. Im Verwaltervertrag kann das Recht zur Einsichtnahme nicht beschränkt werden. Vertragspartnerin des Verwalters ist die teilrechtsfähige Ge- meinschaft der Wohnungseigentümer. Die Wohnungseigentümer sind von diesem Vertragsverhältnis lediglich insoweit betroffen, als es sich beim Verwaltervertrag um einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, nämlich der Wohnungseigentümer, handelt (BGH, Beschluss v. 7.7.2016, V ZB 15/14, ZMR 2017 S. 406). Da es sich beim Einsichtsrecht der Wohnungseigentümer um einen Individualanspruch handelt, wür- den einschränkende Regelungen im Verwaltervertrag einen unzulässi- gen Vertrag zulasten Dritter darstellen. 3. Verwaltungsunterlagen 3.1 Umfang Jeder Wohnungseigentümer hat einen Anspruch auf Gewährung von Einsicht in sämtliche Verwaltungsunterlagen (BGH, Urteil v. 11.2.2011, V ZR 66/10, NJW 2011 S. 1137). Da die Einsichtnahme auch der Über- prüfung der Verwaltertätigkeit dient, besteht das Einsichtsrecht nach der bestandskräftigen Genehmigung der Abrechnung und nach der Ent- lastung des Verwalters fort (LG Frankfurt a. M., Beschluss v. 20.6.2016, 2-13 S 13/14, ZMR 2016 S. 982). Es unterliegt keinen weiteren Vor- aussetzungen wie etwa einem besonderen rechtlichen Interesse des Wohnungseigentümers oder einer Ermächtigung durch die übrigen Wohnungseigentümer. Nur das Verbot des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB und das Schikaneverbot des § 226 BGB begrenzen das Ein- sichtsrecht (LG Düsseldorf, Urteil v. 6.6.2012, 25 S 8/12, ZMR 2012 S. www.haufe.de/immobilien 4 Verwalterthema des Monats Beispiel: Verschobene Beschlussfassung über die Jahres- abrechnung Der Verwalter hatte zur Wohnungseigentümerversammlung im Mai geladen. Einer der Wohnungseigentümer begehrte daraufhin Einsicht in die Verwaltungsunterlagen, die ihm auch gewährt wurde. Tatsäch- lich wurde in der Mai-Versammlung die Jahresabrechnung nicht be- schlossen und der Verwalter berief eine weitere Versammlung im Oktober ein, in der sie genehmigt werden sollte. Im Vorfeld dieser Versammlung begehrte der Wohnungseigentümer nochmals Einsicht in die Verwaltungsunterlagen, die ihm nunmehr verwehrt wurde.
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==